Medien – und in China fiel ein Sack Reis um

Sascha Lobo hat wieder einmal zu geschlagen, und ich stimme ihm nur selten zu, was ich in diesem Falle tun muss. Zyklus der Zerstörung, so heißt sein heutiger Artikel, den man gelesen haben sollte.

Wer sich die Medienlandschaft anschaut, der stellt schnell fest, vielem kann man nur mit blankem Zynismus gegenüber treten.

Irgendwo stirbt eine Zeitung, wird eingestellt, gut so! Wer kauft schon etwas, das das Verfallsdatum überschritten hat? Man sollte nicht für Nachrichten zahlen, die gestern schon kalter Kaffee waren. Auch das ist eine Art von Verbraucherschutz, sozusagen.

Überhaupt, blickt man sich in der Medienlandschaft um, so sieht man zwar noch Unterschiede, allenfalls jedoch in den Überschriften, denn zum Boulevard sind sie alle mehr oder weniger verkommen, hier etwas BILD, dort etwas Gala, so kommen sie alle daher. Allenfalls unterscheiden sie sich durch ihre Kommentare. Nur in der Qualität einzelner Kommentatoren, die eigentlich am besten bezahlt sein sollten, kann der Leser sehen, wie viel „Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, sich das Blatt zugesteht.

Es gibt Tage, das fragt man sich, was Medien überhaupt für einen Auftrag haben. Einen (politischen) Bildungsauftrag, meinen die einen, Informationspflicht andere, und wieder andere glauben gar, Medienvielfalt gehöre zur Demokratie. Ach wirklich?

Heute sträuben sich dem Leser jedenfalls wieder einmal die Haare, wenn er einmal die Onlinemedien und deren Berichterstattung vergleicht, denn der Bildungsauftrag wird zur Farce, wenn man einer Nachricht nicht auch einen Kommentar gegenüber stellt, Foristen sich austoben lässt, wie heute in der Welt unter dem Artikel Rundfunkgebühr-Karlsruhe – „Internetfähige PC“ sind GEZ-pflichtig.

GEZ-pflichtig schön und gut, nur dann sollte man die Sendeanstalten, die der Zuschauer und Zuhörer zwangsbeglücken darf, den Bildungsauftrag, der wie Abzocke daher kommt, auch erfüllt! Denn genau das geschieht offensichtlich nicht, wenn Foristen meinen:

Die Gebühr muss ich auch bezahlen obwohl die angebotenen Programme, die von der Gebühr finanziert werden nur ein Schund sind. Zum Glück gibt auch WDR3, Arte und 3 SAT und ab und zu gute Sendungen.

Genau, und diese gehören zu denen, die zwangsbeglückt werden. Warum das jedoch ist, das wird Foristen nicht klar, es gehört zum guten Handwerk der Presse, wenn Politik vermittlungs-unfähig ist, endlich einmal einen Kommentar zu erarbeiten, der geschichtlich hinterleuchtet, wie diese  Zwangsgebühren entstanden sind, warum sie bis heute gelten und ob das überhaupt noch nötig ist, ob das zeitlich nicht überholt ist, wie viele andere Dinge auch.

Kein Mensch käme heute ja noch auf die Idee, sich hier einen Kohleofen wie zu Großmutters Zeiten anzuschaffen.Und damit steht der Bildungsauftrag in Frage. Unternehmen müssen sich ständig selbst hinterfragen, wie zeitgemäß sie sind, auch die öffentlich rechtlichen, wie zeitgemäß ihr Auftrag ist. Bildung jedenfalls versagt dann, wenn man bis heute ein Lindenstraßengefühl aufrecht erhält, dass längst nicht mehr existiert.

Wenn aber die Presse, die Medien, ihren Bildungsauftrag, die politische Meinungsbildung, darin sehen, allenfalls dpa-Meldungen auszuschmücken, dann sprechen ihnen die Leser eben die Berechtigung zur Existenz ab.

Es fehlt ja eigentlich nur noch, dass demnächst die GEZ Fenstergebühren pro Haushalt kassiert, weil der Bürger ja dort öffentlich rechtlich fern sieht. Und selbst dann würden die Medien eine Gerichtsentscheidung wie die in der Welt beschriebene vermutlich unkommentiert lassen. Der Bürger könnte ja auf die Idee kommen, fensterlose Wohnungen zu bevorzugen, was definitiv zur Schimmelbildung führen, aber von der Zwangsgebühr unter Umständen befreien würde. Man spart halt, wo man kann, und gut isolierende Fenster sind eben teurer als gar keine, oder undurchsichtige, zudem, wenn ohne sie gebühren entfallen.

Aber schauen wir ruhig weiter, was wir so an Meinungsbildung präsentiert bekommen:

Eine neue Statistik, dass die Deutschen so alt werden, wie nie zuvor, wobei man sich fragt, warum die Überschrift so anklagend daher kommt. Man muss die guten Seiten betrachten! Helmut Schmidt befindet sich ja im Dauerwahlkampf für die SPD, da kann man glatt darüber nachdenken, ob er noch Kanzler kann um 2017 Angie abzulösen. Sie hat ja sonst nichts vernünftiges an Personal, die Partei …

Außerdem ist es wurscht, ob wir über-altern, ändern können wir das ohnehin nicht, es sei denn, wir importieren Nachwuchs von sonst wo und geben unseren Alten die Gnadenspritze.

Wir wissen also um die Tatsache, da brauchen wir nicht ständig teure Studien, ein Blatt sollte hinterfragen, wer so wie Geld hat, es für solche zu verschwenden und für viele andere zuzüglich, die sich mit sinkenden Geburtenzahlen, und das ja quartalsweise, als sei die Zahl an der Börse gehandelt, befassen. Aufmerksamkeit auf politischen Verschwendungswahn lenken, den Finger in die Wunde legen, hinterfragen, wer ein Interesse daran hat, Jung gegen Alt zu hetzen, Dauerangst zu erzeugen, obwohl Dinge unabänderlich sind, wenn so kurzsichtig politisch agiert wird, in Wahlperioden gedacht wird und wenn nach Abwahl getrost die Sintflut ruhig hereinbrechen kann. Wem, welchen Unternehmen und wofür dient es. Das wäre Pressearbeit, liebe Medien …

Solange aber der Lesermeute unkommentiert Berichtshappen zum Fraß vorgeworfen werden, ohne Hinterfragen, kann man auf solche Artikel getrost auch verzichten, denn der Kommentar macht den Unterschied!

Dann folgt Dickie und das Dschungelcamp. Also mehr BILD geht immer. Wer will das lesen? Wen interessiert das, abgesehen von der Qualität. Ist jetzt gerade der weltweit gewürdigt deutsche Fred Astair verstorben oder ein deutscher Elvis? Wer bitte ist Dickie? Schon die Bezeichnung eine Pietätlosigkeit!

Hätte die Meldung samt kurzer Würdigung und Aufarbeitung des Lebenswerkes nicht genügt? Die Zeit liefert dafür ein gutes Beispiel. Darüber wird jetzt wie lange, wie oft täglich über wie viele Wochen in anderen Medien berichtet? Danke, darauf kann der Bildungsbürger, sofern es ihn noch gibt, geruhsam verzichten! Ich will nicht bis zum Leichenfleck, zur Verwesung wissen, wer oder was da die Welt verlassen hat, wenn es nicht gerade jemand vom Format eines Kennedy, Willy Brandt, Mandela, Assad, ist.

Ein Dickie ist allenfalls eine Kurzmeldung, einen kleinen Nachruf wert, es sei denn, er habe internationales Ansehen, weltweiten Ruf genossen oder ähnliches von Bedeutung geschafft, wie Obama, nämlich erster Präsident nicht politisch korrekter Hautfarbe in einem noch immer sehr fremdenfeindlichen Staat zu werden.

Und was gibt es noch, was wir Deutschen unbedingt erfahren müssen, was unabdingbar zur Bildung gehört? Sächsisch ist der unbeliebteste deutsche Dialekt. Das lasse ich jetzt unkommentiert. Aber gut zu wissen, was demnächst bei der Stellensuche im Vorstellungsgespräch unbedingt gewusst sein muss.

Himmel Herrgott! Sind wir wirklich so verblödet? Gibt es nichts was wichtiger ist?

Nein, scheinbar nicht, wie der Tagesspiegel beweist. Leserzahlen durch Hundekot, so könnte man beschreiben, was in Berlin Bildungsauftrag und Meinungsmache heißt: Saubere Sache nennt sich jene Initiative, die quasi einen eigenen Senator (Heilmann) mit dem Thema Bello-Dialog beschäftigt, die scheinbar der wichtigste Sponsor des Tagesspiegel ist, zumindest die wichtigste Lesergruppe, möchte man meinen.

Gut so, wer sich um Hundedreck kümmert, der denkt politisch nicht an andere Probleme, so vermutlich das Kalkül des Senats, und eine Zeitung befeuert das auch noch. Hat die Stadt nicht ein paar kleinere Probleme, die wichtiger sind? So eine Minimalverschuldung etwa und einen Flughafen, der zum Kinderspielplatz für Möchtegern-Planer geworden ist, an dem scheinbar Bank-Azubis lernen, wie man Geld versenkt mit Wowereit als Ausbilder?

Vielleicht meldet ja die Süddeutsche etwas, was ich als Twitter-Hashtag Nutzer doch übersehen habe? Pustekuchen, dort toben sich heute jene Foristen aus, die gestern die Internetforen von Spiegel und Welt unsicher machten.

Jene, die von der brandheißen Meldung, Steinbrück sei ein Offline-Fan nicht genug bekommen können, was Menschen, die sich im Netz bewegen längst wissen. Eine Suche in sozialen Netzwerken oder bei Twitter hätte zu diesem Wissen beigetragen, vor Monaten schon.

Wenigstens glaube ich jetzt zu wissen, woher die heutigen überraschend gestiegenen Umfragewerte des SPD Vizekanzler – Kandidaten Peer Steinbrück kommen! Er sammelt dort Punkte, wo eine auf Traumschiffen segelnde, während der Tagesschau ratzende, renitente netzverweigernde Bevölkerungsgruppe meint, wenn sie den Computer einschaltet, verwüstet Sekunden später eine arbeitslose oder 14 jährige tobende Facebook-Generation das Wohnzimmer. Dass aber mit dem  SPD-Peer ein Millionär als Vizekanzler-Kandidat antritt, der allenfalls gegen Höchstgehalt mit und vor Versammlungen spricht, darüber wird kaum berichtet. Allenfalls das Handelsblatt recherchiert in diesem Bereich. Nur, welcher Bürger liest das regelmäßig?

Und doch sollte dem Wähler nahe gebracht werden was Auftrag der Massenmedien wäre, wie weit sich die einstige Arbeiterpartei mit solch einem  Kandidaten von ihrer Wählerschaft abgehoben hat. Das ist weltfremd, wie kann dieser Mann wissen, wie sich ein Rentner, ein HartzIV Empfänger, ein Arbeitnehmer fühlt, wie er von einem , einer Niedrigrente lebt? Und so jemanden stellt man als Kandidaten auf? Das ist ja lächerlich, da kann man ja gleich der FDP geschlossen beitreten!

Und dann die Süddeutsche, die auch den Boulevard liefert, den man überall findet, mit diesem Kandidaten, völlig kritiklos und ohne Meinung.

Lieber sollte die Süddeutsche einmal über eine Woche eine Lesereihe anbieten, wie man das Internet richtig benutzt, sich in sozialen Netzwerken absichert, wem und wofür sie dienen, welche Umsätze damit erzielt werden, anstatt kalten Kaffe zum dritten Mal aufzuwärmen.

Wenn Medien weiter so verfahren, ihrem Auftrag so wenig nach kommen, ihrer eigentlichen Aufgabe, sich nicht benehmen wie ihre Gründer, sich nicht um Wichtiges kümmern, nicht Finger in Wunden legen.

So lange wie Medien Journalisten als Aufsatzverschönerer bei vorgegebenem Text und unter politisch korrekter Zensur gegen Hungerlöhne beschäftigen, als hätten diese die Schulbank nie verlassen, eigenständiges Denken nie gelernt, so lange haben sie es verdient, weiter an Leserschaft zu verlieren, eingestampft zu werden. Nachrichten von dpa und Co aufarbeiten, das kann jeder, und zuzüglich ist jeder Hashtag schneller bei Fuß als eine Zeitung, die morgen schreibt, was vorgestern bereits auf Twitter aktueller Diskussionsstoff war!

Wenn Zeitungen, auch im Netz, überleben wollen, dann müssen sie zu ihrer eigentlichen Aufgabe zurück kehren, sich der aktuellen Geschwindigkeit anpassen, und dann müssen wieder Kommentare verfasst werden, Nadelstiche gesetzt werden, Journalisten wie Journalisten recherchieren.

Wer überleben will, der muss sich neu erfinden, der muss wieder aufklären, auch wenn es weh tut, der muss Mut haben, gegen Widerstände zu kämpfen, Skandale da suchen, wo man sie findet, in Politik und Wirtschaft, ohne Rücksicht auf Verluste, diese aufdecken, sich gegen Zensur wehren, sich alte Freiheiten zurück holen. Sonst hat die Medienlandschaft wie wir sie kennen keine Überlebensberechtigung mehr! Dann reicht demnächst ein offizielles Presseorgan, dem Wirtschaft und Politik das mitteilen, was zu drucken ist, und für alles andere gibt es weiterhin BILD.

©denise-a. langner-urso