Vom Unglücklichsein im Wachstum

Die Menschen müssten eigentlich immer glücklicher werden, ist doch der Arbeitsmarkt fast leergefegt und die Wirtschaft befindet sich in einer Blüte, die einem Kirschbaum im Frühling ähnelt. Sie sind es aber nicht, denn ein Aufschwung, der wenigen viel Kapital und anderen zwar Jobs, aber prekäre und zudem unsichere bringt, das macht genau das Gegenteil. Und auch Geld macht nicht glücklich, vielleicht allenfalls noch die Erben, wenn ein Unternehmer am Geiz erstickt ist.

Augenscheinlich geht es den Menschen eigentlich gut, aber sie werden in ihrer freien Entfaltung behindert durch zunehmende Unsicherheit am Arbeitsplatz, daraus resultierende Krankheiten und eine massive Einschränkung privater Lebensplanung. Hinzu kommt es, dass heute scheinbar jeder auf irgendeiner Liste konkurriert, die wohl am ehesten Smartphone Bestenliste genannt werden muss, sprich, wer ist am schnellsten wie, wo und wann erreichbar.

Während die Menschen in einer immer unmenschlicher werdenden Gesellschaft versuchen, sich einzurichten, ist ihnen kaum noch bewußt, wie sehr man mit ihnen rechnet, sie als Teil des Wachstums einkalkuliert. Der Mensch selber ist zur Ware verkommen. Egal, was der Mensch tut, er fließt in einigen Unternehmen in die Vorrausplanungen zur Steigerung des Gewinnes, des Umsatzes direkt ein. Jeder Ausfall dieses wichtigen Bausteins Mensch ist somit gesehen ein Verlust. Jeder Kunde mehr ist ein Stück mehr zur Gewinnmaximierung.

Nehmen wir nur einmal die Autobranche. Diese kann nur durch den Absatz von Fahrzeugen wachsen. Also ist für sie, solange der Käufer überlebt, jeder größere Schaden ein Gewinn. Ähnlich ist das bei allen Unternehmen, die irgendeinen technischen Gebrauchsgegenstand herstellen. Garantiezeit abgelaufen, kaputt. Das nennt man geplante Obsoleszenz und bedeutet, man baut Schachstellen ein, damit der Verbraucher neue Geräte kaufen muss, denn meist entsteht dadurch irreparabler oder sehr teurer Schaden. Der Mensch also ist Kalkulationsbestandteil zum Vorteil für die unternehmen, so doch zum eigenen Nachteil. Er bewegt sich im Hamsterrad, weil er kaum damit nachkommt, das an Kapital zu verdienen, was er ausgeben soll.

Für die Menschen bedeutet das, sie können sich keine Ruhe mehr gönnen, durch massiv angestiegene Preise bei gleichbleibenden oder beständig sinkenden Löhnen und unsicheren Arbeitsplätzen, so dass sie selbst dazu beitragen, dass diese Spirale gut funktioniert. Schwarzarbeit boomt, der Zweitjob muss her. Menschen zerbrechen, Beziehungen, Familien, weil ausgelöst durch dieses Radikalwachstumsdenken den menschen die Zeit fehlt. Zeit für sich selbst, zur Regenration, zur Pflege sozialer Kontakte. Die Menschen leben zwar in gewissem Wohlstand, den sie aber weder geniessen noch erkennen. Wachstum macht nicht mehr glücklich, so macht es krank und unglücklich.

In einer solchen Gesellschaft will man nicht leben, in einer, in der man abgestempelt wird, wenn durch diese Radikalität Körper und Geist erkranken, man anschließend geächtet wird, abgestraft durch den Arbeitsplatzverlust, weil man eben auf allen Ebenen unproduktiv ist.

Bewusste Wirtschaft hingegen, mit gelindem Wachstum und Teilhabe, das wäre eigentlich Vorraussetzung für eine warme Gesellschaft ohne Ellenbogen. Das Easterlin-Paradox hat längst den Zusammenhang von Glück und Reichtum analysiert. Man weiß, dass selbst ab einer gewissen Einkommensgrenze das Glücksgefühl massiv sinkt. Bei 50.000 Euro im Jahr ist Schluß, dann kann man sich drehen und wenden wie man will, man wird unzufriedener, unglücklicher. Glücksforschung nach Binswanger.

©denise-a. langner-urso

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