Brexit: EU Parlament – Die Verteidigung glänzt durch Abwesenheit

Wer heute auf Phoenix die Debatte zum Brexit im EU Parlament verfolgt, der kann nur entsetzt sein, denn dort herrscht gähnende Leere, denn ausgerechnet die , die in ihren Ländern doch angeblich so glühende Verteidiger der Union sind, sind abwesend und überlassen einer Mehrheit von Brexit, Ungarxit und Tschechxit Verteidigern das Feld. Ja wo sind sie denn, die, die in ihren Heimatstaaten angblich so heftig um die EU werben, angeblich so seht für das Projekt brennen? Sie werfen den Brexit Befürwortern vor, sich einen schlanken Fuß zu machen, sagen das vorwurfsvoll in jede nur mögliche Kamera, und heute machen sie sich selbst schlank. Wie glaubwürdig ist das denn? Wie sehr liegt ihnen die EU tatsächlich am Herzen. Ich kann das nicht erkennen, sonst wäre das Parlament bis zum letzten Sitz voll. Stattdessen überlassen sie die Debatte dennen, denen sie Vorwürfe machen, sind abwesend. Krass! Was für ein Bild!

Nicht einmal so viele Parlamentarier sind dort anwesend, wie zu schlechtesten Zeiten im Deutschen Bundestag. Und das sagt viel aus darüber, für wie wichtig die Verfechter eigentlich verteidigender Werte wie Frieden, Sozialstaatlichkeit, Freiheit halten. Sie scheinen sie nicht so ernst zu nehmen, wie sie in den jeweiligen Entsenderstaaten ständig behaupten, denn sonst wäre der Saal brechend voll. Teuer aber sind diese Angeordneten, kosten die Steuerzahler Unsummen. Ja, wenn dort so gut wie kein Verteidiger zum Termin erscheint, wann denn dann?

Wenn es um egoistische Interessen geht, um Einschränkungen für die Bürger, um oft populistisch in den Mitgliedstaaten vorgetragene Interessen einzelner Wählergruppen geht, dann füllt sich der Saal, wenn zum Beispiel die eigene Wählerschaft von heute auf morgen am liebsten die komplette Atomkraft und Kohle durch Wind und Sonne ersetzen will, und das am besten sofort und per EU in allen Staaten durchgedrückt, dann sind die jeweiligen Vertreter vor Ort. Aber wenn es um die 4 angeblich so wichtigen Grundwerte geht in diesen Zeiten, wenn es um die Zukunft der EU und ihrer Mitgliedsstaaten geht, wozu auch Pressefreiheit und Co gehören, dann bleiben sie fern?

Derweil sie sich auf Demonstrationen in den eigenen oder in anderen Staaten genau darüber beschweren, was dort nicht stimmt, derweil sie Onlinepetitionen zu allem Möglichen starten und am liebsten die Gesamtmenge zu essenden Fleisches verbieten wollen, dann schreien sie dich über Twitter an, bis du taub wirst. Immer, wenn es darum geht, die eigenen Lobbyisten zu bedienen, dann schläft man am liebsten vor dem Parlament im Schlafsack um ja keine Debatte zu versäumen. Nur wenn es um die Grundlagen geht, darum, welche Werte denn eigentlich zu verteidigen sind, dann ist das Parlament wie heute gähnend leer. Wer also soll ihnen so irgendetwas glauben? Wo sind denn die, die sich hier in den Medien über Populisten und EU-Zerstörer lautstark beschweren? Wo sind sie?

Richtig, sie sind nicht da, wo sie in dieser Zeit sein sollten, und man kann ihnen so nicht abnehmen, dass ihnen auch nur das Geringste an dem liegt, was sie im Rahmen der heutigen Debatte zum Themenkreis Brexit vorbringen könnten. Um Demokratie und Werte muss man hart und tagtäglich kämpfen, das hat der Wahlausgang in Britannien gezeigt. Man muss sich dafür sichtbar einsetzen, nicht sich Debatten entziehen. Dass sie heute abwesend sind, beweist einmal mehr, dass ihnen an sich liegt, dass es denen, die angeblich für Menschenrechte, Demokratie, Frieden und Freiheit stehen, es nur dann darum geht, wenn die eigene Lobby dadurch bedient wird. Und die Lobbyisten brauchen derzeit keine Parlamentarierer, sie verdienen in jedem Fall in irgendeiner Form am Brexit. Warum also sollte man sich ohne Auftrag ins Parlament begeben, warum für etwas kämpfen, für Mehrheiten, wenn der Wähler unwichtig ist, sobald kein Wahltermin vor der Tür steht. Dann kann man sich ja kurzfristig noch immer an diverse Wahlkampfstände schleppen und sagen, welch großartige Kämpfe man ausgetragen hat, was man für die Wähler angeblich alles erreicht hat, wie viel Zeit man im EU Parlament verbracht hat, derweil man dort durch Abwesenheit glänzte.

Die Sache hat nur einen Haken: die Debatten werden derweil live auf Phoenix übertragen und strafen ihre Worte demnächst Lügen. Das EU Parlament und der Zustand der EU tangieren sie nicht peripher, sonst wäre heute der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt. Dass dem nicht so ist bestätigt einmal mehr die Befürworter des Brexit.

Einen überteuerten EU-Debattierclub, in dem jeder nur erscheint, wenn es im eigenen Land um Interessen der ureigenen Wählerschaft einzelner Parteien geht, die sich im Wahlkampf befinden oder die Arbeit für Lobbyisten machen, braucht tatsächlich kein Mensch. Dafür reichen dann tatsächlich bilaterale Verträge und innerstaatliche Auseinandersetzungen und Debatten im heimischen Parlament. Tatsächlich.

Und dann kann das internationale Geschrei nach angeblich so wichtigen Werten für das Zusammenleben von Menschen und jedwede Zukunftsdebatte auch eingestellt werden. Zumindest spart das Steuern und die Nerven von Wählern und schließt vermutlich schneller gesellschaftliche Gräben als jedwedes Parlament, an dessen Debatte die gewählten Vertreter ohnehin kaum Interesse zu haben scheinen, und dass ihnen das, was sie vor und in Kameras behaupten, allenfalls im Wahlkampf wichtig erscheint, und es hin und wieder sagen zu können, ohne viel dafür tun zu müssen. Sorry, aber aus meiner Sicht wurden sie für mehr gewählt, als ein Grundeinkommen, für das man wenig tun muss um viel in Medien seine Weisheit zu verkünden.

Nach der heutigen Debatte ist klar, es geht ihnen eben nicht um ein besseres Europa, es geht ihnen um alternativloses Aussitzen durch Abwesenheit. Die Menschen fühlen sich nicht vertreten? Wer heute schaut, wer dort anwesend ist stellt fest, wie soll man vertreten sein, wenn die Vertreter durch Abwesenheit glänzen? Ich fühle mich heute dadurch nicht nur nicht vertreten, ich bin es nicht! Weil die, die ich gewählt habe, irgendwo nur nicht dort sind, wo sie sein und die Wertegemeinschaft verteidigen sollten. Unglaublich!

©denise-a. langner-urso