CDU-Wulff-Affäre – Von Gröhe, Anstand und Moral

Hart aber fair, was lehrt der Fall Wulff, so lautete das Motto der Fernsehdiskussion der ARD.

Und Herrn Herrmann Gröhe von der CDU, seines Amtes Generalsekretär, gelang es hervorragend, „fair“ neu zu definieren.

Der CDUler Gröhe scheint nämlich, und man darf getrost davon ausgehen, dass er als Generalsekretät damit die Mehrheitsmeinung der CDU und der Kanzlerin vertritt, ein merkwürdiges Verständnis von Anstand und Moral zu besitzen.

Als man nämlich endlich angelangt war, bei der Frage, was denn an den „Mitnahmeeffekten“ in Ämtern durch Herrn Wulff so anders sei, als wenn ein Müllmann, eine Lehrerin, ein Polizist, ein „Geschenk“ oder eine Vergünstigung im Amt erhielte, im Unterschied zu den Größenordnungen, die es beim Bundespräsidenten gegeben hat, da zeigte der CDUler das hässliche, wahre „unsoziale und ungerechte“ Gesicht der Koalition aus CDU und FDP.

Natürlich müsse man das anpassen, für mehr Gerechtigkeit quasi sorgen und natürlich dürfe eine Lehrerin nach einer Klassenfahrt einen Blumenstrauß der Elternschaft erhalten, ungestraft sogar, so die Meinung des Herrn Gröhe.

Das ist ja geradezu eine Gnade! Danke, Euer Ehren, nett, ein Blumensträußchen aus der Tasche von vielleicht 30 Elternpaaren finanziert, das also darf der Bürger, die Lehrerin, annehmen, Centbeträge von einer Einzelperson. Das muss es dann aber auch gewesen sein. So, so.

Eine Lehrerin, die sich zwei Wochen lang im wahrsten Sinne des Wortes den Arsch für fremde Kinder aufreißt, die während dieser Zeit eine 24 stündige Verantwortung trägt, die ihre eigene Familie in dieser Zeit alleine lässt, die an sich, würde gerecht geurteilt, in dieser Zeit mal eben so freiwillig 224 Überstunden macht, unbezahlt, wohlgemerkt, diese Frau also darf dafür, seien wir in solchem Falle kulant, ein Blumensträusschen ungestraft annehmen!

Dreist ist diese Feststellung, pervers ist das, was die CDU in Vertretung durch ihren Generalsekretär meint verlautbaren und dem Bürger ungestraft gewähren zu müssen, wie Leistung belohnt werden darf, daraus spricht pure Verachtung von Leistung, lieber Herr Gröhe, anders kann man eine solche Aussage wohl kaum bezeichnen.

Und natürlich ist die Leistung eines Ministers um vieles mehr wert, als die einer Lehrerin, er trägt ja Verantwortung auch für die Wirtschaft, die Parteienspender der Parteien, dass deren Wachstum steigt, er muss repräsentieren und mithalten können, bei denen, die fordern, nicht wahr, Herr Gröhe, somit darf ein solcher Mensch natürlich auch mehr annehmen, ungestraft, versteht sich.

Was will uns Herr Gröhe eigentlich damit sagen? Dass die Parteien und Politiker für sich, im Sinne ihres Eigennutzes griechische Verhältnisse anstreben oder italienische, dass diese aber je nach Einkommensgruppe und Nützlichkeit von Menschen zu bewerten sind? Dass die Arbeit einer Lehrerin weniger wert sei, als die eines Ministerpräsidenten oder Bundespräsidenten, weil sie nicht dafür sorgt, dass Parteispenden fließen, die Wirtschaft investiert?

Soll also der Fall Wulff uns lehren, dass wir das Verhalten des Bundespräsidenten und das Handeln des ehemaligen Ministerpräsidenten in Sachen Hausfinanzierung und Urlaub zukünftig als normal zu sehen haben, dass eben Politiker bessere Menschen sind, denen ungestraft mehr zuzustehen hat? Dass wir in Tea-Party-Times angekommen sind, wo das Volk eben „ speziellen politischen Leistungsträgern“, deren Definition die jeweiligen Parteien bestimmen, jede Verfehlung zuzugestehen ist, sofern diese die „richtigen“ Freunde in der Wirtschaft haben?

Soll es also Gang und Gäbe werden, dass die jeweilige Bundesregierung festlegt, was derzeit als Anstand und Moral zu gelten hat und für welchen Personenkreis und für wen das nicht zuzutreffen hat, wer wie dafür bestraft wird?

Ist das das Fazit der CDU aus der skandalösen Affäre Wulff? Wenn das das Ziel des Abends war, dann war das zumindest aus Sicht der Bundesregierung und der Bundeskanzlerin Angela Merkel, von CDU/CSU und FDP ein durchweg gelungener Auftritt des Herrn Gröhe.

Und noch eines wurde heute deutlich klar, der Bundespräsident wurde zu einzig dem Zwecke inthronisiert, und muss auf seinem Platz bis zum bitteren Ende kleben, damit eine neue Politikkultur sich ihren Weg bahnen kann, neue Moralvorstellungen, eine andere Art Anstand. Politik heute braucht skrupellose, von der Wirtschaft beeinflussbare Menschen, damit sie weltweit mithalten kann, und das ist ohne korrumpierbare Politik und Akzeptanz in der Bevölkerung nicht möglich. Und damit genau dieses Verhalten irgendwann hoffähig und vom Deutschen Volk geduldet wird, dazu braucht es genau diesen Bundespräsidenten: Christian Wulff!

Und für die Bürger bedeutet das dann: Gute Nacht Deutschland!

©denise-a. langner-urso