Deniz Yücel – Und Erdogan wählt pro GroKo …

 

Deniz Yücel ist vorerst frei, und es gibt für gewisse Dinge bestimmte Zeitfenster, sind sie dann nicht erledigt, schließen sich Wege vielleicht für immer, mindestens aber für sehr lange Zeit. Der Ausgang des Votums für oder gegen eine Große Koalition ist denkbar ungewiss, und die SPD hat die Aussicht darauf nicht gerade verbessert, wenn man an die letzte Woche denkt. Auch Neuwahlen oder sogar eine Minderheitenregierung stand und steht im Raum.

Wer sich die Umfragewerte der einst stolzen Volkspartei SPD anschaut, der weiß, es wird nicht einfacher, im Gegenteil, was bei einer erneuten Wahl dabei als Ergebnis stünde, ist ungewiss, sicher ist nur eins, sie würde mit völlig anderen Akteuren an den Parteispitzen stattfinden.

Das wäre für speziell Herrn Erdogan brandgefährlich, denn wer sich anschaut, wer da als Spitzenkandidat der Union so ins Rennen gehen könnte, der weiß, es geht Richtung „jünger“ eventuell mit Namen wie Spahn oder Tauber, es geht Richtung massiver konservativ.

Anders gesagt, wer auch immer dann das Spitzenpersonal sein würde, jedwede Verhandlung würde erschwert, und Deniz Yücel wäre wesentlich weniger wert, als wenn man ihn jetzt benutzt, um dafür zu sorgen, sowohl dem derzeitigen Außenminister, der ja gerne im Amt bleiben würde, als auch Frau Merkel Wahlhilfe und den Mitgliedern der jeweiligen Parteien eine Entscheidungshilfe auf dem Weg zu einer erneuten GroKo zu geben, vielleicht einfach Zeit zu gewinnen, um dann, wenn vielleicht nach einem Jahr sich die Lage etwas beruhigt hat, erneut auf den Ausrüstungsdeal der Panzer zu sprechen zu kommen.

Eine Hand wäscht die andere, und es ist ja nicht so, dass es in beiden Parteien nicht Mitglieder mit türkischem Migrationshintergrund geben würde. Man muss seinen Ex-Deal einfach etwas hinauszögern, er darf nicht zeitnah passieren, aber dass da im Hintergrund um Entscheidungshilfe verhandelt wurde, das ist durchaus vorstellbar und dass auf dem Weg dahin in der letzten Woche Demonstrationen von Kurden verboten wurden, auch das macht jetzt Sinn, denn man hätte auch nur, wie so oft, verbotene Symbole und Fahnen kassieren können.

Es mussten einfach entsprechende Signale gesetzt werden. Nein, es mag kein aktueller Deal sein, den es gegeben hat, es ist ein zeitlich verzögerter Deal unterfüttert mit dem Wissen auf allen Seiten, dass er eben über eher lang dann doch noch eingefordert wird, wenn Erdogan irgendwann in eher näherer Zukunft vielleicht doch einfach nur Schweigehilfe und nicht so genaues Hinschauen benötigt.

Ein Deal, der stille Übereinkunft ist, und der Erdogan in letzter Minute noch so etwas wie Gesichtswahrung verschafft, bevor eventuell hier im Land doch noch Neuwahlen ins Haus stehen, und für die Akteure der Möchtegern-GroKo Entscheidungshilfe für die jeweiligen Anhänger, eher in Richtung SPD als in Richtung Union, Hilfe auch für die derzeit geschwächte Kanzlerin, der am Ende dann doch, wenn es mit der GroKo nicht klappen sollte, die Courage für eine Minderheitenregierung fehlen könnte. Hilfe aber auch bei der Entscheidung für einen Außenminister, denn dem war ja der ursprüngliche Panzerdeal zu verdanken. Mehr Unterstützung geht nicht. Es macht sprachlos.

Ein Zeitfenster eben, von dem derzeit nur Frau Merkel selber weiß, wann sie es schließt. Und die Freilassung von Deniz Yücel ist ein Hinweis darauf, wie unsicher die Kanzlerin selber die Lage für ein Zustandekommen einer erneuten GroKo sieht und Erdogan eben auch. Ein Deal also der am Ende schnell eingelöst werden muss, spätestens innerhalb des ersten Jahres nach eventuellem Zustandekommen einer erneuten Großen Koalition und man darf gespannt sein, wie das ausgehen wird. Und natürlich ist das Zeitfenster auch kurz, in dem sich innerhalb der EU noch etwas Positives für Erdogan entwickeln könnte. Nur an Nichts, an keine Zusagen oder Absprachen, glaube ich nicht.

Bemerkenswert in dem Zusammenhang ist es auch, wie sehr Ischinger bei seiner Eröffnungsrede die Anstrengungen in dem Fall der kommissarischen Regierung lobt, und wie deutlich auf der Münchner Sicherheitskonferenz der Wunsch im Raum steht, das möge eine Fortsetzung finden, auch im Hinblick auf mehr militärische Zusammenarbeit innerhalb Europas. Und bemerkenswert auch, dass natürlich Erdogan sich da auch Lob abholen kann, und blickt man dann auf das Treffen mit Tillerson und was dort gesagt wurde, so ist klar, die USA haben anderes im Kopf als sich um Grenzregionen Syriens und die Kurdenfrage zu kümmern. Und wenn die USA dazu schweigen, so fragt man sich dann doch, wie sich dazu demnächst die Bundesregierung verhalten wird. Mag ja sein, dass man für die Wähler ein Zeichen setzt, wie von-der Leyen auf der Sicherheitskonferenz, das nach Rüge Richtung USA ausschauen soll, nur wie ehrlich ist das tatsächlich gemeint? Am Ende siegt doch die Wirtschaft über jedes gesprochene Wort, traurig aber wahr …

©denise-a. langner-urso