Ein Kunstschatz und Verschwörungstheorien blühen

Es ist interessant, dass ein Kunstschatz die Bevölkerung mehr zu interessieren scheint, als die eigene Überwachung, und doch zeigt sich daran, werden die Deutschen an ihre eigene Vergangenheit erinnert, so legt man einen Finger an eine noch immer nicht verheilte Wunde, und die Republik jault auf. Zum Teil ist das auch der Wende geschuldet, denn 17 Millionen Deutsche mussten sich nie mit ihrer Geschichte auseinandersetzen und sind in einem Alter, indem man so unerziehbar geworden ist, dass es wehtut.

Aber auch im anderen Teil Deutschlands steht es längst um die Geschichtsaufklärung schlechter als noch zum Ende des vergangenen Jahrhunderts. Und das ist eigentlich ein Stück normal, denn umso mehr Zeitzeugen versterben, umso unbegreifbarer wird Geschichte. In den Schulen sind andere Dinge im Rampenlicht, denn Zeit schreitet voran, und Geschichte, umso mehr sie sich auf türmt, umso mehr muss dem Lehrplan hinzugefügt, in wenige Stunden gepresst werden, woran dann Qualität und Nachhaltigkeit leiden.

Grauzone

Egal, jetzt also zum Kunstschatz von München, der die Gemüter bewegt, ist doch für viele Zeitgenossen unverständlich, warum ein Erbe nun eben so im Rampenlicht steht. Geschuldet ist der Wirbel, die Aufregung, die herrscht auch den Medien, die es irgendwie nicht schaffen, auch nur einen einzigen Artikel zu verfassen, in dem alle bisher bekannten Tatsachen und dazu die Rechtsgrundlagen stehen.

Ich will also versuchen, ein wenig mehr Licht in die Dunkelheit zu bringen, wobei allerdings die neuesten Erkenntnisse des Zolls stören. Der Erbe hat also Kunstwerke im Besitz, die seinem Vater gehörten oder auch nicht. Hat sein Vater sie redlich und freiwillig, ohne jedweden Zwang erworben, so ist klar, sie gehörten ihm, und bereits hier zeigt sich, das wird nur dann zu belegen sein, wenn dazu der Wert nach einem ehrlichen Gesichtspunkt geprüft wurde, der zu jener Zeit galt, der entsprechende Preis gezahlt wurde, denn ehrliche Kaufleute können das nachvollziehen. Ehrliche Händler kaufen und verkaufen, leben davon, sind auf schnellen Umsatz aus. Es gibt für Künstler einen gewissen Marktwert, und dieser steht so gut wie fest. Das dürfte in der Weimarer Republik und in der Zeit nach ihr nicht anders gewesen sein als heute.

Jetzt aber geht es auch um Kunst, die entweder zurückgelassen werden musste, weil die jüdische Bevölkerung eben nur wenig mitnehmen durfte, und es geht um Kunst, die weit unter ihrem Preis verkauft, von Nazis erworben, ja teils ohne Gegenwert erworben, weil konfisziert, enteignet wurde. Und das ist der Knackpunkt, den viele Menschen nicht erkennen wollen. Diese Werke wurden dann an Kunsthändler verteilt, die sie entweder vernichten oder eben „verstecken“ sollten, im Sinne derer, die ihren wahren Wert kannten, als quasi „Kunstgold“ für schlechte Zeiten. Davon dürften einige wenige Altnazis noch nach dem Krieg gut gelebt, ihr Leben nach dem Krieg wieder aufgebaut haben, dürften vielleicht noch heute deren Erben profitieren, die vielleicht gar mitten in der heutigen Gesellschaft und ganz sicher in den Machtzentralen der Republik als Lobbyisten mit regieren, profitiert haben und profitieren. Man braucht nur gute Kontakte in alle Welt, unredliche Kunstliebhaber werden sich immer finden, genügend unbedarfte vielleicht auch, und auch genügend unredliche Zwischenverkäufer, wie Galerien, die daran gut verdienen, den wahren Wert gar nicht wirklich wissen wollen. Schwarze Schafe eben, eine Kunstmafia im Dunkeln.

Wie etwas auffliegen kann

Jetzt kommt der Zoll ins Spiel, und irgendwann fällt einem Zöllner vielleicht doch auf, mag ein Vorgesetzter erkrankt, im Ruhestand, verstorben sein, dass da jemand über die Grenze zur Schweiz will, der irgendwie keine echten Papiere hat, nirgendwo verzeichnet ist. Denn alles erfahren wir derzeit nicht. Zudem ist eine Menge Bargeld im Gepäck, vielleicht fährt der alte Mann ja öfter mit hohen Summen nach dort, hat gar ein Bild im Gepäck, und der übereifrige Zollbeamte erkennt, es könnte um Geldwäsche gehen. Ein Zufallstreffer quasi, ein Fall, der jetzt ins Rollen kommt, den es sonst vielleicht nie gegeben hätte. Darüber aber täglich zu berichten, es zu diffusen Spekulationen kommen zu lassen, genau davon lebt die Presse.

Warten wir doch einfach einmal ab, was wirklich dahinter steckt. Das aber, was ich mir wünsche, das sind erklärende Hintergründe dazu, wie Kunstgut von den Nazis entwendet und unehrenhaft unter Mithilfe von Mittätern so unredlich wie hier erworben werden konnte, damit es nicht erst zu Verschwörungstheorien kommt, damit die Leserschaft nicht ständig brüllt, hier werde ein armer alter unbedarfter Mann verfolgt und um sein Erbe gebracht, denn so einfach sind die Fakten nicht. Ansonsten hätte der arme alte Mann ganz offiziell eine Galerie mit all diesen Werken bestücken und sie frank und frei verkaufen können.

Und den Erbstreit darüber, wem hier wirklich was gehört, den sollte man getrost Gerichten überlassen, wobei klar zu sein hat, das Recht der jüdischen Erben, deren Eltern unrechtmäßig um ihr Eigentum gebracht wurden, das sollte in jedem Falle vor allem anderen stehen. Nur damit wenigstens die Politik noch beweist, wir haben aus der Geschichte gelernt, wir wollen auch heute noch erlittenes Unrecht wieder gut machen, wenigstens als Minimalgeste jene anständig behandeln, die mehr verloren haben, als jeder von und, der er Nachfahre von Tätern ist, je erfahren musste. Und da sollte Recht wirklich jene Dehnung erfahren können, die ansonsten die Bevölkerung oftmals so sehr empört.

Hoffen wir also, dass die Medien versuchen, demnächst die rechtlichen und historischen Hintergründe in ihren Artikeln als Zusatzleistung zu liefern, dass sie versuchen, gute Recherchen zu betreiben, über die Hintermänner des Kunsterben, über seine Käufer, die Galerien, die halfen, und auch über die vielleicht vorhandenen Konten in der Schweiz, denn genau hier liegt die große Chance, zu beweisen, dass man noch Biss hat und nicht nur das berichtet, was alle anderen auch per Ticker oder Pressemitteilung, Pressekonferenz erhalten. Denn diese Story dürfte noch ein wenig tiefer gehen, dürfte so einige rein gewaschene Erben aus Politik und Wirtschaft betreffen, als es jetzt offensichtlich ist.

Eigentlich fehlt uns jetzt ein Medium, wie der Guardian. Und schade, dass der Spiegel auch nicht mehr das zu sein scheint, was er einmal war, dann würde es wahrscheinlich so richtig krachen …

Die Frage nach dem Gewissen

Und ja, mich treibt auch die Frage nach dem Gewissen solcher Menschen um, die so am Leid anderer profitieren, denn es gab auch Akteure, die ihre guten Beziehungen zu den Nazis, wenn nicht das schon schändlich ist, dazu benutzten, um Verfolgte frei zukaufen, ihnen die Flucht ermöglichten, ich denke da immer an Schindlers Liste …

Und mich bewegt die Vergangenheit meiner Großeltern, die leider zu früh verstarben, um sie befragen zu können. Und auch alle ihre Schwestern und Brüder sind längst tot. Und ich weiß aus Erzählungen meiner Mutter, dass zumindest eine Schwester meiner Großmutter mit einem Nazioffizier verheiratet war. Dieser Mann hat den Krieg zum Glück nicht überlebt, jedoch die dadurch steinreich gewordene Tante, die jeden Kontakt zur Familie total verweigerte.

Und meine Mutter? Wird regelrecht noch heute, 80 jährig wütend, wenn man etwas zu dieser Verwandtschaft fragen will. Dann soll man gefälligst endlich die Vergangenheit ruhen lassen. Und meine Familie ist so undurchsichtig, dass es weder Fotos noch, jedenfalls soweit ich weiß, irgendwelche Unterlagen dazu aufbewahrt hat. Ich kenne ja nicht einmal die 8 genauen Vornamen und den Ehenamen dieser Tante. Und die der anderen 7 verstorbenen Geschwister meiner Großmutter mütterlicherseits, die alle nach dem Krieg schon verstorben waren, auch nicht. Und ja, mich bewegt das, es macht nicht wütend, denn es entsteht der Eindruck, als wolle man mir etwas verschweigen. Und als meine Großmutter verstarb, da war die Wohnung so schnell leer, dass ich gar nicht gucken konnte, da waren auch jene Konten seitens meiner Mutter aufgelöst, die sie uns hinterlassen hatte, bitterarm, wie sie war, hatte sie dennoch 5 DM für jeden von uns beiden Geschwistern gespart, auf je einem Postsparbuch.

Alles weg. Nein, es geht mir nicht darum, was sie uns hinterließ, ich hätte zu gerne in ihre vorhandenen Papiere geschaut, alleine darum geht es, um endlich zu wissen, welche Vergangenheit ich habe.

Ungeklärte Geschichte

Nur ein paar einzelne Zettel waren vorhanden, ein paar Zettel, auf denen sich ein Loch offenbart von 4 Wochen zwischen Oktober 1933 und November 1933, denn daraus geht hervor, dass sie zu dieser Zeit neu geheiratet haben muss. Und meine Mutter trägt den Namen des neuen Mannes. Wer also war mein Großvater, was war in den vier Wochen? Und darauf fehlt mir bis jetzt jedwede Aussage, was mich stutzig macht, unendlich wütend nach jedem Gespräch mit meiner Mutter zurück lässt, die ich, weil sie selbst gut situiert im Ausland lebt, allenfalls alle ein bis zwei Jahre zu Gesicht bekomme. Und wie das Verhältnis in solchem Falle ist, das dürfte klar sein, gebe ich doch auch zu, ich habe in der Zwischenzeit keine Lust auf Telefonate, zu schlecht das Verhältnis, zu viel Porzellan zerschlagen, sagen wir lieber, meine Mutter war meine Großmutter, die mich in den ersten vier Lebensjahren für ein Pfund Kaffee im Monat erzog, bei der ich zu jener Zeit aufwuchs, auf einem Weddinger Hinterhof. Und danach? Nun ja, sagen wir, ich habe meine Mutter nur dann wahrgenommen, wenn sie zuschlug.

Ansonsten war wohl meine Schwester das Kind, um das sie sich mehr sorgte. Und diese interessiert sich absolut rein gar nicht für unsere Geschichte, sie ist ihr Wurscht. Ich derweil will wissen, warum 1933 eine Frau, deren Schwester mit einem hochrangigen Nazioffizier verheiratet ist, sich zwischen Oktober 33 und Ende November 33 scheiden lässt, denn genau in jener Zeit ist im Wedding, genau dort, wo meine Großmutter lebte, unendlich viel passiert, im roten Arbeiterbezirk, und was meine Großmutter stets wählte, dass reicht mir, um zu wissen, das Verhältnis zu ihrer Schwester kann nicht gerade berauschend gewesen sein, hier vermutlich der der SPD angehörige Arbeiter samt schwangerer Frau, dort der Nazioffizier, wenn es dann überhaupt am Ende nur das war, wenn nicht noch mehr dahinter steckte…

Sagen wir es so, ich hoffe einfach, im Nachlass meiner Mutter irgendwann Antworten auf meine Fragen zu finden. Wie gesagt, ich befasse mich mit Geschichte und hoffe, dass die Medien im Münchner Kunstfall mehr Licht ins Dunkel bringen, als meine eigene Familie es zu tun bereit ist.

Geschichte, weil sie zeigt, wer Du wirklich bist

Und ja, mich bewegt Geschichte, mich bedrückt das Schicksal der jüdischen Mitbürger bis heute. Und ja, irgendwie macht mich das zu einem Menschen ohne Vergangenheit, der nicht weiß, wo er herkam, und ich finde das bedrückend. Und deshalb sind mir die so unangenehm, die stets rufen, man solle die Dinge endlich ruhen lassen, das sei Vergangenheit. Für mich bleibt es Gegenwart, und das, bis ich weiß, wer ich bin. Und ja, ich will wissen, ob es Opfer auch in meiner Vergangenheit gab, ich will auch wissen, ob Täter der eigenen Familie diese Opfer hervorbrachten. Und so dürfte es zumindest vielen ergehen, die vielleicht beide Dinge in ihrer Vergangenheit hatten, Täter und Opfer. Und genau deshalb ist es so wichtig zu wissen, was vor sich ging in jener Zeit. Wenn Täterfamilien all das verdrängen wollen, kann ich das nachvollziehen. Nicht nachvollziehen kann ich es jedoch dann, wenn nicht klar ist, was überhaupt vor sich ging, wer da wer war, auf welcher Seite er stand. Und solange da der Verdacht besteht, es könnte Opfer gegeben haben, finde ich Geschichtsverdrängung umso schlimmer, denn wenn es geht, will man die Täter ja mit ihrer tat konfrontieren, was in meinem Falle nicht mehr geht. Aber Klarheit hätte ich schon gerne, dann wüsste ich nämlich, weshalb jene Tante stets angeblich so stolz auf ihren Offizier war, warum sie auch nach dem Krieg niemals mehr Kontakt zu meiner Großmutter hatte, warum wir den angeblichen Großvater nie kennenlernen durften, obwohl er nur ein paar Querstraßen entfernt wohnte, jetzt und auch während des Krieges schon bei einer ganz anderen Frau als meiner Großmutter und seiner angeblichen Tochter …

Sorry, aber all das ist mir suspekt, macht all das verdächtig, was angeblich meine Geschichte sein soll. Und die Wut meiner Mutter bestärkt das umso mehr, dieses unendlich schlechte Gefühl, das einerseits Schuld, auf der anderen Seite aber den Verdacht nicht ausräumt, dass da etwas Bitterböses versteckt werden soll. Und das Bedauerlichste ist, von all denen, die da verstarben, die ich nicht befragen kann, gibt es noch nicht einmal Gräber, die ich befragen könnte. Habe ich doch erschreckt vor ein paar Monaten erst rein zufällig erfahren, dass jene alte Dame, der ich als Kind stets die langen weißen Harre kämmte, und die bei einer Cousine meiner Großmutter  gepflegt wurde, nicht ihre eigene Mutter, wovon ich stets ausgegangen bin,  sondern meine Urgroßmutter war. Und so ist meine Geschichte ist irgendwie ein tiefes schwarzes Loch. …

Genug lamentiert, warten wir ab, was die Medien ausgraben, und hoffen wir, dass irgendwie den Nachfahren von Opfern das gegeben werden kann, was ihnen unehrlich entwendet wurde und was ihnen zusteht, wenn man ein Gewissen hat.

Und nein, mir tut der Alte nicht leid, er hat Gewissenlosigkeit „vererbt“ bekommen, hatte genug Zeit, seine Vergangenheit zu erkunden, und er hat diese Zeit nicht genutzt, nicht gelernt. Er wusste, wie das Erbe erworben wurde, hätte selbst daran arbeiten können, es der Öffentlichkeit zu erzählen, für Entschädigung zu sorgen, wenn so etwas überhaupt geht.

Er tat es nicht aus Gier. Pfui, wenn man so mit seiner Geschichte um geht … aber das scheint mehr und mehr um sich zu greifen, und dagegen muss schnell etwas geschehen, sehen wir doch täglich, was passiert wenn man Wissen nicht anwendet, und das betrifft Politik und Wirtschaft an erster Stelle. Das Volk ahmt nur nach, und dagegen gehört etwas getan, und zwar schnell, womit wir wieder beim Schlagwort Bildung wären …

©denise-a. langner-urso

Dazu sehr lesenswert folgender Kommentar der Zeit: Münchner KunstfundBilderfund weckt Kriegstraumata