Gauck – Scheindemokraten wählten ihren Präsidenten

©Jeffrey-R. Urso

Gauck also ist der neue Bundespräsident, das ist gut so, und doch, es bleibt ein ungutes Gefühl bei dieser wie jeder Präsidentenwahl, soll doch dort der Anschein erweckt werden, er sei vom Querschnitt der Bevölkerung gewählt worden, was bei genauem Hinsehen einfach nicht stimmt.

Schaun wir uns also doch einmal an, wer da am Sonntag seine Stimme abgeben durfte. Zuerst einmal auch Mitglieder der NPD, jener Partei also, die zumindest mitverantwortlich ist an diversen Morden an Migranten, und die man einfach nicht verboten bekommt, weil man es nicht aus tiefster Überzeugung betreibt. So also musste eine Hinterbliebene diesen Menschen auch noch gegenübertreten, was an sich schon eine Unverschämtheit ist, und man mag sich gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wäre Gauck mit den Stimmen der NPDler zum Staatsoberhaupt gewählt worden. Hätte er dann wohl zumindest soviel Anstand gehabt, die Wahl abzulehnen, weil man sich von solchen Menschen eben als Demokrat nicht wählen lässt?

Ja und wo überhaupt waren die Angehörigen anderer Opfergruppen, etwa von U-Bahn Opfern wie ein Angehöriger des in Berlin zu Tode gehetzten Italieners etwa? War dieser junge Mann ein schlechteres Opfer, ein Migrant anderer Klasse, hätte man seine Angehörigen nicht auch berücksichtigen müssen? Gibt es also Opfer mehrerer Klassen? Fragt sich das die Politelite auch einmal?

Querschnitt also eine Senta Berger, eine abgehalfterte Filmdiva, sie durfte wählen. Wen vertrat diese Frau? Jene Verkäuferinnen, die wegen der Gier des Herrn Schlecker jetzt ihren Arbeitsplatz verlieren werden oder all die Minijobber, die aufstocken müssen mit Hartz IV, die Friseuse aus Leipzig?

Und wen vertrat wohl Jan Joseph Liefers? Die Versicherungsopfer, die durch die Krise ihr Kleinstvermögen verloren haben, nachdem man sie falsch beraten hat? Jener Mann, der sich wie Wulff in der Werbung mit Reichen und Schönen umgibt, vertrat er also die vielen Menschen, die um ihr Kleinstvermögen gebracht wurden von geilen Versicherungsvertretern, die dann zum Schuss kamen in Edelbordellen, wenn sie genügend abgezockt hatten.

Oder vertrat er gar Opfer von wachstumsgierigen Bankvorständen, deren Gehälter und Boni jedes Vorstellungsvermögen von Arbeitnehmern, Minijobbern und Rentnern sprengen, denen die Inflation die Zinsen und Sparguthaben wegfressen oder denen man das Ersparte durch falsche Beratung und Investition in windige Finanzprodukte nahm?

Sollte dieser Mann etwa Frauen wie Emily oder jene Medizinstudentin vertreten, die studierte, obwohl sie ein schwerstbehindertes Kind zu pflegen hat, und die nun ihr Bafög zurückzahlen muss, oder jenen Studenten, der nicht wusste, dass ihm sein Großvater nach seinem Tod das Sparbuch vererben würde, das er hätte aber bereits vor dessen Ableben, obwohl es ihm nicht gehörte in der Berechnung seines Bafög hätte angeben müssen, obwohl Testamente ja abänderbar sind?

Und wen vertrat eigentlich die 19 jährige Parteisoldatin der SPD? Vertrat sie vielleicht jene Jugendlichen, die später Armutsrenten beziehen werden, vor denen Verbände ständig warnen, weil die Gesellschaft so massiv altert, und weil diese Generation deshalb und durch den heute ständigen Wechsel von Arbeitsverhältnissen und immer seltener lebenslanger Festanstellung, wegen Praktikumshopserei und dadurch entstehenden Versicherungslücken eigentlich im Deutschland des neoliberalen Zeitalters keine Aussicht auf Besserung haben?

Will man gar der Bevölkerung weismachen, die längst jedes Vertrauen in Gerechtigkeit und den Sozialstaat verloren hat, dass ausgerechnet die im Bundestag ohnehin vertretenen Parteiangehörigen genau an diesem Wahltag einen Querschnitt der Bevölkerung und des Willens dieser vertraten?

Ganz ehrlich? Bundespräsidentenwahlen sind eine Farce und die Krönung dessen, was Scheindemokratie bedeutet.

Meinte man es tatsächlich ernst damit, demokratisch wählen zu lassen, so würde man Menschen dazu einberufen, die ein Computer nach dem Zufallsprinzip ausgewählt hätte und nicht Schauspielerinnen, Sportler und andere Eitelkeiten, die sich durch jede Talkshow schleifen lassen, nur um nicht in Vergessenheit zu geraten, deren Meinung vorab bekannt ist, weil man sich vor der Öffentlichkeit propaganda- und gebetsmühlenartig wöchentlich mehrfach auf verschiedensten Fernsehkanälen lang und breit darüber ausschwafeln darf.

Aber bleiben wir ruhig bei einem Szenario echter Demokratie. Die computergestützt ausgewaählten Wahlberechtigten hätten tatsächlich gemeinsam und zwar komplett gegen den gemeinsam vereinbarten Kandidaten der Parteien gestimmt, sprich, sämtlicher Parteien und es wäre zu einer Pattsituation gekommen. Was wäre dann wohl geschehen?

Hätte man sich dem Willen der Bevölkerung gebeugt, weil diese anscheinend einen anderen Kandidaten bevorzugt? Oder das absurde Szenario, jene Bürger hätten mit den NPDlern gestimmt. Was dann? Natürlich wäre ein Aufschrei durch die Presse gegangen, Europa wäre in seinen Grundfesten erschüttert.

Aber ganz jetzt einmal ehrlich: wäre nicht selbst das demokratischer, als eine Wahl, bei der der zu Wählende sicher sein kann, gewählt zu werden, wie Wulff, den man über jedwede Fraktion hinweg schließlich installierte? Wieviel Demokratie also will man zulassen, und will man überhaupt echte Demokratie gewähren? Muss nicht auch das die Frage sein, nach dem Theater vom Sonntag?

Und das Vorgehen der Parteien und ihrer bestellten Büttel, nennt sich dann geheim und demokratisch? Darüber sollten die Massenmedien, die Presse endlich diskutieren, das würde wirken. …

Bis dahin aber dürfen wir ein abgekartetes und vorab bekanntes Drehbuch verfolgen, so, als sei es ein Film, den man schon tausend Male gesehen hat, und dessen Ende bereits bekannt ist, denn nichts anderes hat uns die Demokratie, haben uns am Sonntag die Parteien in die Wohnzimmer gesendet, kalten Kaffee und ansonsten wieder kein anderes Ende als das bekannte abgesprochene.

Bundespräsidentenwahlen in Deutschland sind weder demokratisch noch geheim, noch bilden sie den Querschnitt der Bevölkerung oder gar den Willen dieser ab. Sie sind nur eins, ihr Ausgang ist bekannt, weil abgesprochen, durchsichtig wie Luft, und Bundespräsidentenwahlen im angeblich so demokratischen Deutschland sind letzten Endes nichts weiter als gekaufte Bundesligaspiele, beeinflusst von bestochenen Spielern und Schiedsrichtern, nichts sonst. Und nichts weiter haben wir heute serviert bekommen, ein abgekartetes Spiel.

©denise-a. langner-urso