Informationstsunamis und Wahlkampf auf allen Kanälen

 

Hätte, könnte, würde, sollte interessieren mich nicht peripher.weil ich Wahrscheinlichkeiten ohnehin nicht ändern könnte, und unsere Politiker übrigens auch nicht, nur scheint es sie nicht zu interessieren, Hauptsache sie können ihr übergewichtiges Ego ständig auf allen Kanälen und möglichst rund um die Uhr irgendwo präsentieren, Hauptsache, sie dürfen irgendwo irgendetwas verkünden, begründen.Die besten beispiele sind Merkel und Seehofer und viele andere, die nicht von der Macht lassen können, und die, die sie verloren haben, die kürt man oder sie sich selbst zu unersetzbaren Experten.

Und das ist ja nicht nur bei der Union so. Alles wird immer zu existentiell erklärt. Weil sich vorher die Welt ja nicht gedreht hat. Und wenn ich mir Joachim Herrmann auch nur in einer neuen Bundesregierung als eventuellen Innenminister vorstellen muss, wie Phoenixkommentatoren vermuten, dann – ne, lieber nicht. Ekelhaft, wiederlich. Und doch wird es vermutlich genauso kommen, und wenn ich mir das weit überalterte Spitzenpersonal aller zur Wahl stehenden Parteien anschaue, dann verzweifle ich. Wie lange denn bitte noch? Muss man die irgendwann wirklich tot aus dem Bundestagssessel kratzen? Ach ja, und eine Tüte Mitleid für Herrn Seehofer und Frau Merkel, die so schwere Entscheidungen tragen und fällen müssen, weil sonst der Weltuntergang droht. Man tun mir diese alten weißen Männer und Frauen leid, die sich da bis ins rentenalter abschuften müssen, ohne die man die steigende Gewaltkriminalität von Migranten bestimmt nie in den Griff bekäme. Pfui Deibel und Zynismus aus. Und ja, da werde ich gerne respektlos …

Es wird gewählt, irgendwo, nicht bei uns, anderswo. Gefühlt passiert das wöchentlich. Auf einer kleinen Insel, in der Türkei, in Frankreich, der eigene Wahlkampf, so meint man lebt von anderen Wahlentscheidungen, und sämtliche Medien überschlagen sich mit berichten, Diskussionsrunden, Nachwahlanalysen, Extras.

Gefühlt ist jeder Experte, hier und da lässt man Bürger an Diskussionen teilhaben, in Onlinemedien ist das ohnehin an der Tagesordnung. Weniger Neutralität war selten. Nichts gegen Informationen, doch was zu viel ist, ist zu viel, denn an der Türkeidebatte sieht man doch hervorragend, wie damit Gesellschaften gespalten werden können.

Und am Wahlabend gab es kein Extra zur Wahl in Frankreich, worüber Joachim Huber sich im Tagesspiegel echauffiert. Gott sei Dank, sage ich dazu, denn diese Wahl hat wahrlich genug Text- und Kommentarspalten gefüllt, denn was dazu berichtet wurde, das erweckte fast den Eindruck, wir Bundesbürger müssten täglich über unsere armen Briefkästen herfallen, weil da unter Umständen die Benachrichtigung zur Teilnahme an jener Wahl lauern könnte.

Als die Türkei ihr Referendum abhielt war es nicht anders, und dieses Gefühl hat man derweil bei jeder popeligen Dorfwahl. Wahlkämpfe und Parteitage an allen Ecken und Enden, und die Politik fällt in sämtlichen sozialen Netzwerken über ihren Gegner Herr, als stünde irgendwo eine Katastrophe überirdischen Ausmaßes, wenn nicht gar der Weltuntergang ins Haus, derweil die selben Herrschaften ihre Parteifunktionäre irgendwo an anderer Stelle in trauter Einigkeit miteinander regieren lassen.

Und geht es um außerhalb, dann tun alle gemeinsam so, als regierten sie demnächst in Timtukkacountry mit, und nach jeder Wahl wird analysiert, was das denn nun für wen bedeuten mag. Liebe Leute, geht es noch?

Haben wir hier bei uns an der nächsten Ecke nicht genug Probleme, die gelöst werden müssten? Anscheinend nicht, sonst würde man sich nicht derart massiv in andere Wahlkämpfe einmischen, und sei es in hiesigen Diskussionsrunden. Und sage keine, das würde ja doch kaum jemand da wahrnehmen, wo demnächst gewählt wird.

Darüber wird von der Insel bis in die USA berichtet, so als sei ohne die Meinung eines gewissen Herrn Schäuble eine Wahlentscheidung unmöglich, als sei dieser Mann der Nabel der Welt. Ein Extra zum Ausgang der Wahl in Frankreich? Wozu? Man hatte endlich einmal das Gefühl:

Endlich isch over, endlich Blubb, Frankreich-Hype samt Blase geplatzt, Normalität. Und nö, ich bin weder Tatort noch Show-Fan, wie der Schreiber aus dem Tagesspiegel vermuten würde, beides ist ausgelutscht und stinke langweilig, braucht kein Mensch, weil in die Jahre gekommen, ich bin einfach nur noch genervt, dass alles was anderswo passieren könnte zum Weltuntergangsszenario aufgebaut und in Grund und Boden diskutiert und analysiert werden muss, wie eben anderweitige Wahlen.

Und man möge mir verzeihen, aber ohne unsere hyperaktive und hyper-durchgeknallte Spezies, ginge es diesem Planeten tatsächlich besser. Bundesbürger sind in Frankreich oder der Türkei nicht wahlberechtigt, und wenn überhaupt ist alles was damit in Verbindung steht, ein Thema höchstens für Wirtschaftsseiten und eher weniger geeignet, es durchzukauen, wie die elenden Model, Star, Hausfrau oder Hundesitter gesucht Formate.

Und wenn Politiker meinen, Menschen wählen, weil sie darin eine Bürgerpflicht sehen, dann haben sie sich geirrt. Menschen wählen, weil sie meinen, damit ihre eigene wirtschaftliche sichere oder unsichere Lage verbessern zu können, und sonst gar nicht.Und leider wissen sie auch, dass damit nicht mehr verbunden ist, als wenn sie einen Lottoschein kaufen würden, meistens landet der Schein am Ende eben doch nur daheim in der Papiertonne und bringt wenig bis gar nichts, es sei denn man ist derzeit Radfahrer in diesem Land oder in Berlin. Und das ist mir und vielen anderen Mitmenschen definitiv zu wenig.

Und mir hilft übrigens auch das lesen sämtlicher Parteiprogramme rein gar nichts, weil am Ende immer die Frage ungewisser Koalitionen steht. Und je näher Wahltage kommen, desto mehr kristallisiert sich in den letzten Jahren heraus, dass es Parteien nicht um Standpunkte geht, sondern allenfalls um Teilhabe an der Macht, und darauf kann ich nun wirklich verzichten, das hat man aus vielen Abstimmungen im Bundestag erlebt, wo generell dann eben der Hund doch wieder mit dem Schwanz wedelt, obwohl der Schwanz nicht gewedelt werden wollte.

Und demnächst also Wahlen hier bei uns- ich glaube, ich schalte lieber die Medien ab, bei dem Hype um Wahlen in anderen Ländern reichen hier dann vermutlich 24 Stunden für Diskussionsrunden, Analysen und Vorwahlberichte vermutlich eher nicht aus. Aber halt: ich bin mal gespannt, ob die Medien andere Länder auch solchen Wirbel um unsere Bundestagswahlen machen, sich anderweitig Politiker auch ständig dazu äußern, wobei, vermutlich nicht, zeichnet sich ja bereits jetzt ab, dass sich nichts ändern wird, und dafür braucht meine Stimme nun wirklich niemand, oder?

Politiker aller Parteien sind doch längst der Versuchung erlegen, sich eine Sicherheitsschlacht zu bieten, und mehr scheint durch die massive Treibjagd, an der alle teilnehmen, und die durch die AfD ausgelöst wurde, auch nicht mehr zu zählen, und den Run hat doch längst die Union gewonnen. Ein Lottospiel also mit geringster Chance?

Danke, ich wünsche mir Koalitionsaussagen an die sich anschließend gehalten werden müsste, nur das werde ich ganz sicher nicht mehr erleben, ich will lebendige Politik, die auch einmal unterbrochen wird, wenn Koalitionspartner sich nicht an Zusagen halten, sprich auch einmal Neuwahlen, wenn man sieht, eigentlich stand da ganz anderes im Programm. Gesucht ist also die Partei in deren Programm steht, im Zweifelsfall würde sie Rückgrat beweisen, weil gewisse Punkte für sie nicht verhandelbar sind. …

Und ja, ich werde wählen, aber irgendeine Partei, die ganz sicher nicht im Bundestag landet, weil die kann dann auch nicht wenn Spinnen plötzlich mit großkalibrigen Waffen abgeballert werden dürfen, obwohl sie strikt dagegen war, ihren Wählern ellenlang zu erzählen, warum sie nun plötzlich und aus welchen Gründen, sie sich doch anders entschieden hat und dass man um jeden Preis Koalitionstreue zu beweisen hat, koste es, was es wolle.

So, und jetzt schaue ich mir ein paar Katzenvideos an, weil kein Mensch mehr ändern kann, was anderswo gewählt wurde oder hätte anders gewählt werden sollen oder können, und weil mich interessiert, was hier passiert, wie hier gewählt wird, und sonst gar nichts. Und sollte es irgendwo eine Wahl geben, deren Ausgang am Wahlabend den Kölner Dom zum Einsturz zu bringen vermag, dann könnt ihr mich gerne wecken. Und die Diskussionsrunden dieser Woche, die könnt ihr euch sonst wohin stecken. Hätte, könnte, würde, sollte interessieren mich nicht peripher, weil ich es ohnehin nicht ändern könnte, und unsere Politiker übrigens auch nicht …

©denise-a. langner-urso