Medien mit Tourette Syndrom und ADHS

Das Tourette Syndrom ist eine Krankheit, bei der es zu den Tics kommt, die den Betroffenen unkontrolliert schreien und zucken lassen, sicher haben Sie davon schon gehört. Wenn nicht, Wikipedia beschreibt das sehr genau. Und heute bekommt die moderne Medizin die Erkrankung gut in den Griff, meist erkennen Sie nicht einmal mehr, ob ein Mensch darunter leidet.

Auch die Krankheit ADHS dürfte den meisten bekannt sein. Nur eins zwei Symptome seien deshalb hier kurz erwähnt, Hyperaktivität und Unkonzentriertheit. Auch das kann gut behandelt werden

So, und jetzt ein Blick quer durch die Medienlandschaft, und man stellt fest, irgendwie sind die Krankheiten so ansteckend, dass sie derweil so gut wie alle Redaktionen befallen haben.

Hier ein Ticker, da ein Ticker, während der Koalitionsverhandlungen wurde das besonders deutlich. Hinzu kam der Tod Mandelas und die Server rauchten. Jede Millisekunde wurde dokumentiert, wird derweil mit Eilmeldungen begleitet, und damit die unabwendbare Noch-Nicht-Tatsache auch wirklich in diesen hektischen Zeiten nicht in Vergessenheit gerät, muss natürlich auch das, was Twitter denkt kommentiert werden. Hauptsache man verliert den User nicht an einen anderen Onlineauftritt. Hätte man dafür wie einst Sonderblätter gedruckt, der Planet wäre spätestens jetzt vollends abgeholzt.

Banalitäten und Vermutungen im Sekundentakt

Jeder berichtet über alles, was zur Übernahme der News von anderen führt, kein Wort wird mehr geändert, hinterfragt wird kaum, abgewartet schon gleich gar nicht. Man kauft zusammen, was nicht zusammen gehört, ein bisschen Blome hier, etwas Freitag da, und was weiß ich nicht noch alles. Aus einer einst guten Wochenzeitschrift, die auf Qualität setzte wird „Spiegel-Bild der Welt“. Was von rechts, was von links, dazu schwarz-rot-grün und gelb, fertig ist der Salat, den Internetleser zu wünschen scheinen.

Aber ist das wirklich so? Ist es erfrischend modern, wenn ich aussehe wie die Nachbarin, die selbe Frisur, das gleiche Kleid trage, nur beides in vielleicht anderen Farbnuancen? Nein, ist es nicht, ein paar Bildchen und Filme machen keinen Unterschied, keinen Charakter. Das ist Einheitssoße, bei der der User irgendwann abschaltet, weil einmal lesen, ein Klick reicht, je nachdem, ob er eben zwei Bilder mehr, etwas mehr Farbe wünscht.

Sie fressen sich selber, und irgendwann bleibt der Leser weg. Es ist ja, traurig aber wahr, derweil erfrischend, BZ und Cicero zu vergleichen, vielleicht noch etwas NZZ, dazu die New York Times zu lesen, da hat man alles, inclusive dem, was der Boulevard ist, den man anderswo einfach nicht zuzüglich sehen will, nicht jedenfalls in den Medien, die eins Leuchttürme waren.

Die Kanzlerlimousine wird in einen allenfalls Bagatellunfall verwickelt und sämtliche Medien überschlagen sich, darüber zu schreiben. Wozu? Weil eventuell ein Politiker einen Schreck bekommen hat?

Sorry, die Medien sind nicht mehr ganz dicht, Leser sind keine hyperaktiven Börsenjunkies, die in Sekunden irgend etwas kaufen oder verticken müssen. Leser wollen das, was wirklich wichtig ist, gut recherchierte, allenfalls anschließend kommentierte Wichtigkeiten, nicht Nichtigkeiten und Spekulationen, wer wann wo was wird, ist oder vielleicht war. Wer seine Leser so informiert, der verliert sie, denn was wie tickt, das erfährt man eben bei Twitter, und Shitstorms kann man, sofern sie wirklich wichtig sind, auch dann kommentieren, wenn der Sturm abgeflaut ist, samt Analyse.

Gegenwehr der Leserschaft

Und ja, liebe Leser, ihr habt es in der Hand, ob Medium A sich irgendwann wieder von B unterscheidet. Vergleicht einfach einmal im Internet die, die zu einem Verlag gehören, ihr stellt schnell fest, da finden sich drei oder vier Onlineauftritte, alle mit Bezahlschranke.

Ihr zahlt für vielleicht 60 Artikel um ein Medium zu lesen? Lest einfach 20 Artikel je Auftritt und belohnt nicht einen Verlag dafür, dass im Internet bei einem ihm ebenfalls zugehörigen Onlineblättchen an anderer Stelle dasselbe steht, wofür ihr bei A bereits abkassiert werdet. Wozu? Es ist doch euer Geld. Da muss man eben mal schauen, was sich gleicht, wofür die Hauptseite meist reicht und man bekommt mehr für weniger oder Null, bis sie begreifen, wofür man früher eine einzige Zeitung abonniert hat, nämlich für den Unterschied!

Der Leser will keinen sekündlichen in allen Medien gleichen Twitteranalysekommentar vermischt mit „He said She said Guessing und Geblubber, der Leser will Informationen samt Hintergründen ordentlich aufbereitet, die wirklich wichtig sind und die der eigenen Meinungsbildung dienen.

Ob eine Frau Angela Merkel nun ihren Kugelschreiber in einer Menschenmasse verloren hat, wodurch sich Unionsfans Hals über Kopf in eine Suchaktion nach einem Fanartikel stürzen, interessiert – Entschuldigung – kein Schwein. Allenfalls wenn sie den Kopf verliert, könnte das eventuell eine Meldung wert sein.

Und eine Bitte an die Onlinemedien, bevor die Tickerei noch schlimmer wird, fragt einen „Internetarzt“ oder Apotheker, wie man die medialen Tics wieder abstellt, ihr seid derweil so gut wie alle unerträglich gleich banal. Und das ist keinen müden Cent wert.

©denise-a. langner-urso/not sponsored