Nach Quelle Neckermann – das Sterben der Internetriesen

Neckermann ist der zweite große Internet-Versandhändler nach Quelle, der Insolvenz anmelden musste. Partner des Unternehmens wie die Deutsche Post bewerten die Neckermann-Insolvenz als weniger dramatisch gegenüber der Quelle-Insolvenz vor drei Jahren. Man beobachte die Entwicklung bei den Versand-Riesen allerdings sehr aufmerksam, sagte der Finanzvorstand der Post Larry Rosen am 20.07.2012 in Bonn.

Insolvenzen vergleichbar?

Mit Neckermann musste das zweite der großen, traditionsreichen Versandhäuser auf dem deutschen und europäischen Markt die Segel streichen, eine pauschale Gleichsetzung zu ziehen könnte allerdings zu kurz greifen. Quelle (wieder unter www.quelle.de) war 2009 gemeinsam mit Karstadt und dem Mutterkonzern beider Unternehmen Arcandor in die Insolvenz gegangen. Die Ursachen waren mehr bei Karstadt und Arcandor als bei Quelle zu suchen, während Neckermann zwar ebenfalls zunächst Bestandteil von Arcandor war, dann aber 2006 an den Finanzinvestor Sun Capital verkauft und von diesem fallen gelassen wurde.

Neckermann (www.neckermann.de) hatte seit etwa 2007 voll auf das Internetgeschäft gesetzt. Seit 2008 wurde in der Schweiz kein Katalog mehr vertrieben, Ende 2008 geriet der Konzern in eine Führungskrise. Die Chefs Martin Lenz, Torsten Waack und Bernhard Dopf baten den Aufsichtsrat um Entlassung, zuvor war ein Management-Buy-out gescheitert, mit dem die Geschäftsführung die Kapitalmehrheit des Versandhändlers übernehmen wollte.

Die Arcandor-Insolvenz berührte Neckermann freilich nicht, Sun Capital war Mehrheitseigner des Unternehmens, Arcandor nur noch Mitgesellschafter. Der Fokus auf den Internethandel wuchs noch, seit etwa 2009 kamen 80 Prozent des Umsatzes und 90 Prozent der Neukunden über das Netz. Sun Capital hatte auf diese Strategie gesetzt und sich verrechnet. Die Übernahme war nämlich ohne Geld erfolgt, Sun Capital hatte mit Neckermann ein defizitäres Unternehmen inklusive Schulden erworben und auf einen Turn-around gesetzt, nach welchem verkauft werden sollte. Das hatte einfach nicht schnell genug funktioniert.

Strategien im Online-Handel

Wenn es eine Parallele zwischen Quelle und Neckermann gibt, dann sind es möglicherweise die Schwierigkeiten großer Traditionsunternehmen, im schnellen und flexiblen Internethandel schnell genug zu bestehen. Was in der Öffentlichkeit wenig kommuniziert wird, ist die Tatsache, dass von den vielen existierenden Online-Shops sehr viele defizitär sind. Pauschale Zahlen werden kaum veröffentlicht, zu unterschiedlich sind die einzelnen Strukturen. Es gibt durchaus erfolgreiche Online-Händler, die mit dem Internetauftritt ein kleines stationäres Geschäft ergänzen, dessen Strukturen inklusive Lager einmal bestehen. Hier kann ein Online-Shop, wenn er einmal eingerichtet ist, eine sinnvolle und profitable Ergänzung darstellen. Es gibt aber auch völlig neu errichtete Online-Shops mit sehr innovativen Geschäftsmodellen, von denen einige erfolgreich sind, andere nicht. Was höchst komplex erscheint, ist der Übergang von sehr großen, über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen wie bei Quelle und Neckermann zu dem flinken Verkauf im Internet. Hier ist oft sehr rasches Entscheiden gefragt, das Konzernen wie Quelle und Neckermann schwerfallen mag.

Was bleibt übrig?

Nach Quelle und Neckermann bleiben weitere große Versandhäuser im Netz übrig, in welchen der Kunde immer noch fündig wird. Von der Klamotte, über Technik bis hin zum Gartenhäuschen und dem neuen Sofa sind die Online-Schaufenster gefüllt. Eines dieser Traditionsunternehmen ist OTTO. Nachdem der Gründer Werner Otto gestorben ist ging der Milliardenkonzern, mit über 50 000 Beschäftigten weltweit, an sein Kinder über und wird nun bereits in der dritten Generation erfolgreich geführt.

Kleiner Tipp am Rande

Otto-Fans und Online-Shopper können mit einem Gutschein das Unternehmen unterstützen und mit Ersparnis einkaufen. Drücken wir OTTO die Daumen, dass es weiterhin bestehen bleibt und nicht dem schlechten Vorbild von Neckermann und Quelle folgen muss.

©denise-a. langner-urso