Pferdefleischskandal – Skandal dekadenten Luxus

©Marianne J.  / pixelio.de

©Marianne J. / pixelio.de

„Unser täglich Fleisch gib uns heute“, das ist das Gebet, das die westliche Welt betet. Nicht mehr unser täglich Brot gib uns heute. Das Recht, täglich ein fettes Stück Fleisch zu essen, ist bei uns quasi zu einem Menschenrecht geworden. Und genau das ist das Problem. Wäre dieses Fleisch irgendwo anders in der Welt aufgetaucht, verarbeitet in den Abfällen, die wir über Kontinente hinweg an die Ärmsten liefern, womit wir ihnen oft noch die eigene Hühnerfarm und das Einkommen zerstören, es wäre allenfalls eine Kurznotiz wert gewesen. Aber jetzt sind europäische Verbraucher betroffen und es hat den Anschein, als sei ein Lieferant so hinterhältig und wolle die gesamte Bevölkerung mit einem tödlichen Virus auslöschen.

In den Foren melden sich zu jedem Artikel dazu zuerst die Trolle, die Provokateure, die wie im Forum eines Computerspiels für Kleinkinder „Erster nach Bluepost“ schreien und die Forderung stellen „Her damit, wo gibt es das zu kaufen?“ – Ekelhaft!

Nicht das Fleisch selbst ist ist das Problem, unser Sozialverhalten und Anspruchsdenken ist das Problem, es ist das Problem einer dekadenten, gierigen Gesellschaft, die alle Dinge billig, für jeden und sofort zur Verfügung gestellt wissen will. Muss jeder Kunde 5 Minuten vor Ladenschluss noch sämtliche Sorten an Fleisch und Wurst vorfinden? Und wenn etwas nicht da ist, mit welchem Recht eigentlich pöbelt er dann den Verkäufer an? Hat wirklich jeder Mensch das Recht täglich sein Fleisch erwerben zu können zu Preisen, die so niedrig sind, dass man dafür ein solches Produkt eigentlich, wenn es denn natürlich gewachsen sein soll, gar nicht kaufen kann?

Man stelle sich Zeiten vor, in denen der Mensch noch auf die Jagd gehen musste. Jetzt hat er ein Stück Fleisch erlegt. Muss er dies wirklich mit einer anderen Gruppe teilen, die an diesem Tag kein Jagdglück hatte, die nicht auf die Jagd ging, weil sie lieber an einer Hütte arbeitete und nur ein paar Gemüsesorten fand? So aber führen wir uns derzeit auf, wir treiben den Sozialstaat auf die Spitze, blähen ihn immer weiter auf. Reicht denn das Gemüse an diesem Tag nicht? Ein Sozialstaat ist schön und gut, derweil aber erinnert mich all das an das Kindermärchen Die Grille und die Ameise.Natürlich stellt niemand den Sozialstaat in Frage, aber wofür hat dieser zu sorgen? Reicht nicht das tägliche Brot?

Und wer weiter in die Geschichte schaut, der sieht auch, Jahrhunderte war Fleisch ein Luxusgut. Fleisch gab es, wenn überhaupt, an Feiertagen. So war das auch bei uns, und das ist kein Jahrhundert her. Jeder erinnert sich an den Sonntagsbraten, der seinen Namen zu Recht hatte. Heute haben wir den Tagesbraten …

Unsere Großeltern übrigens haben Pferdefleisch gegessen, viele haben ja mindestens einen Weltkrieg erlebt. Da wurde gegessen, was auf den Teller kam, was man gerade sich leisten konnte. Und heute? Die Wurst ist doch Standard zum täglichen Brot. Und wir wundern uns über diesen Skandal? Der Skandal daran ist doch eher der, dass wir gar nicht mehr fragen, wie diese Pferde wohl geschunden wurden, nirgendwo habe ich diese Frage gelesen! Unser Fleisch ist uns nichts mehr wert, der Produzent, das Tier auch nicht.

Ich habe noch mit einer Milchkanne mitten in Berlin Milch gekauft, frisch vom Bauern. Ich habe noch Schafen unsere Kartoffelschalen gebracht und beim Schweineschlachten als Kind zugesehen, beim anschließenden Wurstmachen geholfen, und ich bin gerade knapp über 50 Jahre alt! Und heutige Kinder? Die glauben doch, die Milch kommt aus der Tüte, sofern ihnen die Eltern das nicht erklären. Traurig ist das .Ich habe gesehen, wie Schweinefutter gemacht wird, mit alten Äpfeln, Kartoffeln und Broten. Der Salat kam frisch aus dem Garten, die grünen Bohnen, der Kohl, die Kartoffeln. …

Und heute? Wochenlang regt sich eine Gesellschaft über Pferdefleischanteile auf, weil das Tier zum Haustier geworden ist und pöbelt sonst in den Foren gegen Muslime, die eben kein Schweinefleisch essen. Dabei ist das genau das selbe, wie das, was wir gerade mit dem Pferdefleisch erleben. Und das ist der Skandal, und, dass niemand fragt, wie diese Tiere gelitten haben mögen, wie viele gebrochene Knochen sie hatten, ob sie tausende von Kilometern transportiert wurden, quer über einen Kontinent, ob sie dabei dursten mussten.

Natürlich ist es skandalös, wenn wir nicht wissen, was auf unseren Tellern kandet, die falsche Deklaration. Aber ist es normal, dass wir uns auf der einen Seite aufregen, wenn tonnenweise Lebensmittel auf dem Müll landen, derweil hier „nur“ falsch gekennzeichnet aber doch verarbeitet wurde? Und wäre es kein „gedoptes“ Fleisch, wäre der Skandal ebenso groß? Was also bleibt, falsche Kennzeichnung? Und wie viele hätten es wohl dennoch genossen bei richtiger Auszeichnung? Regen wir uns nicht wirklich auf über „Luxus“, den wir fordern? Wie wir die geschmacklose Tomate fordern, sofern sie nicht genetisch verändert wurde selbst dann, wenn gar keine Tomatenzeit ist? Und diese möglichst zum Schleuderpreis und adhoc verfügbar?.

Wenn wir sonst keine Probleme haben, außer unserer völligen gesellschaftlichen Dekadenz und Ignoranz, dann haben wir wirklich kein Problem. Wir haben allenfalls ein massives Luxusproblem und das ist der eigentliche Skandal!Wir haben kein Problem bei der Lebensmittelkontrolle, wir haben ein massiv falsches Verständnis von einer sozialen Gesellschaft, wir haben ein Luxuskontrollproblem!

©denise-a. langner-urso