Alles wird pauschalisiert, und wo bleibt die Wahrheit?

Die Deutschen wollen Vollkornbrot, so titelt der Tagesspiegel heute. Genial, Deutsche kann ich dann wohl nicht sein, ich nämlich mag Vollkornbrot nicht. Vor ein paar Tagen schrieb ein Forsit im selben Blatt: Berlin wollte einen Flughafen, ähm nö, irgendwie hatten wir zwei Flughäfen und ob ich nicht einen neuen Flughafen woanders will als quasi vor meiner Haustür, das hat mich niemand gefragt.

In der Ukraine, noch so ein Beispiel, da wird für mehr Nähe zur EU demonstriert und plötzlich sagt man, das sei die Mehrheit, heißt es derweil, die Ukrainer wollten das. Sorry, sehe ich anders, es sei denn, da hätten irgendwann alle Ukrainer, und so groß ist der Maidan nun auch wieder nicht, nämlich an die 46 Mio, protestiert.

Das ständige Pauschalisieren, es geht mir gegen den Strich! Niemand nämlich kennt die Wahrheit, was ist die Mehrheit, wer sind die Ukrainer, wer ist Berlin, wer sind die Deutschen, die Vollkornbrot wollen? Und woher will man das wissen, wenn man nicht vorab eine Volksbefragung macht?

Und noch absurder wird es nach Wahlen. Der Wähler hat entschieden, heißt es dann häufig. Nö, hat er nicht, mir wurde was ganz anderes zur Verdauung vorgesetzt, als das was ich entschieden habe, dass hier regieren soll. Und ganz arg getroffen fühlen müssen sich doch jetzt jene Wähler der SPD, auf deren Wahlzettel, wie auf meinem auch, nicht die Frage stand, welchen Kanzler, welche Kanzlerin, welche Koalitionsmöglichkeit er denn bevorzugen würde und ob überhaupt eine Koalition für ihn in Frage käme. Völlig überheblich also jetzt zu sagen, der Wähler habe x,y,z gewollt. Niemand weiß nämlich ohne 100% ige Volksbefragung, wo denn eine Mehrheit sich eventuell gefunden hätte. Klar ist nur, eine ungenaue Mehrheit der Wähler, die zur Urne gingen, und deren Partei es über die 5% Hürde schaffte, hat unter Umständen sich damit einverstanden erklärt, dass seine Stimme so gewertet wird, wie geschehen. Aber selbst das wird man nie genau wissen. Da müsste man dann wirklich nochmal nachfragen …

Woher will man also wissen, dass ich Vollkornbrot mag, wenn man mich nicht fragt? Ich finde solche Aussagen ganz schön überheblich. Im Zusammenhang mit dem Artikel und dem, der da spricht ohnehin, ich nämlich kann Subway nicht ab. Woher also will der Angesprochene wissen, was ich essen will? An eine Volksbefragung kann ich mich jedenfalls in dem Zusammenhang nicht erinnern. Oder wollte er sagen, er geht davon aus, dass die Menschen, die da essen, Vollkornbrot mögen? Kann es auch nicht wissen, vielleicht fehlt einfach vielen Leuten nur die Zeit und so isst man, was gerade im Angebot ist und was schnell geht.

Ich mag Pauschalisierungen nicht, es gibt nicht die Deutschen, die Russen, es mag Mehrheiten geben, aber man sollte vor seinen Aussagen dann auch prüfen, wo diese denn liegen und davon schreiben, dass eine Mehrheit sich für gewisse Dinge ausspricht, es aber eben eine Minderheit gibt, die genau das nicht tut, das wäre nämlich näher an der Wahrheit, und zu erfragen gilt es das doch bitte auch vorab.

Und nochmal, sofern mein Pass noch gültig ist, hier spricht eine Deutsche, die kein Vollkornbrot mag, Basta, so wie ich viele andere Dinge nicht mag, die man mir ständig nachsagt. Und es ärgert mich noch mehr, wenn ich ständig aus der Presse und aus anderen Medien erfahre, was ich will, obwohl ich selber das noch gar nicht weiß. Nö, ich bin ein Individuum, und das mag oft genau das Gegenteil dessen, was es mögen soll, zumindest laut Presse und Unternehmen.

Ich bin nicht Alle, ich bin vielleicht hin und wieder bei den Vielen, oft aber auch bei den Wenigen. Ich bin keine Pauschale und will so auch nicht behandelt werden, nirgendwo! Und demnächst besuche ich mal Subway und lasse mir bei denen mein selbst mitgebrachtes Weißbrot oder Brötchen belegen, damit die sehen, dass es mich auch noch gibt und dass auch manche Deutsche nicht immer das mögen wollen, was die Werbung und die Wirtschaft gerne hätten, dass sie mögen. …

Darauf schmiere ich mir jetzt ein dickes Nichtvollkornbrot mit Marmelade und ohne Salat! Und ja, stimmt, Vieles wird pauschalisiert, nicht Alles – Tschuldigung.

©denise-a. langner-urso