Den Piraten ist das Entern gelungen, und die deutsche Politik sollte das sehr ernst nehmen, denn junge gebildete Berliner haben dem eingerosteten Politschiff eine schwere Breitseite verpasst. Gebildete junge Menschen wollen nicht, dass Politik hinter verschlossenen Türen kungelt. Junge Menschen wollen auch nicht, dass man ohne sie zu fragen ihre Zukunft verzockt.
Die Stärke der CDU hingegen beweist, die Menschen sind durch die zunehmende Verrohung anderer Gesellschaftsschichten verunsichert, fühlen sich unsicher auf den Straßen der Stadt.
Diese beiden Gruppen heißt es nun davon zu überzeugen, dass man beide Probleme, den massiven Demokratieverlust einerseits und die Entsorgung von Solidarität und Mitgefühl andererseits im Auge hat und anzugehen sie bereit ist.
Man hat eine alternde Gesellschaft, an der und an deren dementen Zukunftsvisionen die junge nachwachsende Bevölkerung quasi verzweifelt. Man steht vor einem massiven Generationskonflikt.
Berlin hat schon immer Zeichen gesetzt, aufgezeigt, wohin der zukünftige Weg führt, das war so, als sich die Grünen auf den Weg machten und die Alternative Liste, das ist jetzt wieder so.
Junge denkende Menschen wollten sich nicht von ihren Großeltern regieren lassen, sie fordern ihr natürliches Recht ein, selbst ihren Platz in der Bevölkerung zu suchen, das Recht auf Teilhabe auch am politischen Prozess.
Speziell an der sogenannten Elefantenrunde beweist sich, die verkrusteten Medien haben die Zeichen nicht gesehen, arrogant führt man Debatten zu Europapolitik, so als habe Berlin nicht gewählt, so als hätten die Piraten nicht eben einen Raketenstart in die Zukunft hingelegt. Diese Arroganz ist fatal.
Wer so mit den Wählern und einer jungen Partei umgeht, der beweist einmal mehr, wie wenig man im Alter bereit ist, sich zu ändern, wie miefig die Politelite ist, wie verschroben die öffentlich rechtlichen, wie konservativ. Man denkt in Schubladen.
Der regierende Bürgermeister hingegen wäre gut beraten, wenn er auch mit den Piraten spricht, die seit heute keine Kraft mehr sind, die man einfach nicht beachten, an den Rand schieben, ignorieren kann. Wer sich für die Jugend und ihre berechtigten Sorgen und Forderungen interessiert, wer mit ihr spricht, der bleibt jung und interessant.
Wer allerdings speziell heute den schnellen Wandel nicht hinbekommt, denn wir leben ja nun einmal in einer Zeit, in der die Dinge eben an modernen Medien und im Internet entschieden werden, wer einer gebildeten Jugend den Zugang zur Mitbestimmung verwehrt, der hat von vornherein verloren, wer ihnen begegnet mit Heimlichtuereien, wie in den 60ern des letzten Jahrhunderts, in denen in einer verklemmten Gesellschaft nicht über Sex nicht gesprochen wurde, der wird einer Revolution gegenüberstehen, nicht auf der Straße sondern ausgehend von den neuen Medien, vom Internet.
Die Politik muss jetzt das Gespräch suchen, transparenter werden, ehrlicher und demokratischer.
Der Abend heute hat bewiesen, die Bürger Berlins interessieren die Altparteien nicht, die Sorgen der Menschen, einzig die Vertreterin der Grünen hat das bemerkt, denn ein CSUler saß zwar am Tisch, ein Vertreter der Piraten aber war schlicht nicht anwesend, eben weil es nur um eines geht, auch an diesem Abend, um den Euro, und Kapital und Märkte, nicht aber um jene, für die Politik gemacht werden muss, für Menschen mit Existenzangst in Niedriglöhnen, in Arbeitslosigkeit, die Altersarmut fürchten. Wenn die SPD/CSU,CDU und FDP Eliten so weitermachen, sich so ignorant an einem Wahlabend verhalten, wenn sie über Europa diskutieren und über eine Münze anstatt über soziale Fragen einer Stadt, über deren marode Straßen und Integrationsprobleme und unsichere öffentliche Verkehrsmittel, sie nicht sich auseinandersetzen mit der hohen Arbeitslosigkeit der Stadt und den hier herrschenden schlechten Bildungschancen, wenn sie nicht reden über Schulen, die mehr Ruinen sind als Gebäude, dafür aber in Zeiten, in denen Berlin hochverschuldet dasteht, Autobahnen planen, dann ist ihnen allen wirklich nicht mehr zu helfen, denn sie faseln an den alltäglichen Problemen der Bevölkerung vorbei, und dafür wurden sie eben nicht gewählt. Politik hat für den Menschen dazusein, zu seinem Wohl und nicht für kaltes Metall!
Das ZDF blieb wenigstens dabei, und diskutierte samt CSU, derweil die ARD ihrem dementen CDU-Publikum die Lindenstraße präsentierte. Soviel also zum Interesse an jungen und jung gebliebenen, gebildeten Wählern und zum Auftrag, öffentlich rechtlich zur Bildung und Information beizutragen. Aber, wir kennen derweil das Niveau, und es wundert vermutlich niemanden der gezwungen sein wird wegzuschalten, wenn man in Bälde dem Papst den Kanal ganztags überlässt. Sowas nennt sich jetzt Generationengerechtigkeit und Trennung von Staat und Kirche.
Und so lautet die bittere Erkenntnis eines an sich historischen Abends:
Die Polit- und Medieneltern haben den Bürgerkindern am Abendbrottisch mehr als deutlich und lautstark verkündet: „Solange ihr die Füße unter unseren Tisch steckt…!“ und dann fiel die Schlafzimmertür zu und über Sex durfte wieder nicht gesprochen werden.
©denise-a. langner-urso