Bremen – Wo Nichtwähler die Wahl gewannen

Und es werden weitere Wahlen dieser Art folgen.

Die Parteien feiern ihren grandiosen Wahlsieg trotz massiver Abkehr der Wähler von der Politik, und man könnte ja sagen, den Wählern waren an diesem Wahltag die eigenen Mütter eben wichtiger, es war ja schließlich Muttertag.

Doch damit darf sich niemand herausreden, denn Bremen mit seiner unglaublich hohen Arbeitslosigkeit beweist allenfalls das: eine Politik, von der sich immer mehr Menschen nicht mehr vertreten, mitgenommen, beachtet fühlen, ist keine. Denn Politik ist kein Selbstzweck zum Amtserhalt, Politik bedeutet, sich um die Menschen zu kümmern, das Volk zu vertreten. Doch irgendwie scheint das Volk sich eher getreten als vertreten zu fühlen, und wie es in den Wald hinein schallt, so schallt es irgendwann auch wieder aus ihm heraus.

Aber kommen wir einmal zur sogenannten „Lügenpresse“, denn was tut die an diesem Abend? Sie schwafelt, beachtet zwar die FDP, ignoriert aber auch das Wahlergebnis der Partei Die Linke. Die AFD hingegen, mit dieser Partei wird früher gesprochen, weil Menschen, die sich lautstark als Wutbürger sammeln, für die Altparteien vermutlich viel gefährlicher sind als die, die es leiser tun. Und doch sollte man beiden Parteien die gleiche Aufmerksamkeit schenken, denn beide sind zumindest noch dazu in der Lage, das abzufedern, jenen Wählerverlust, den die Altparteien wie SPD und CDU sich selber zuzuschreiben haben.

Und das ist äußerst demokratisch. Denn zumindest haben sich da eben doch nicht noch mehr abgewendet, sie geben eben nur anderen Parteien ihre Stimme. Und jetzt stellen wir uns nur einen einzigen Augenblick lang vor, was passiert wäre, hätte es beide Parteien nicht gegeben, wären nicht Menschen da, die diesen Weg suchen, den Weg eben zu versuchen, andere Politikwege zu gehen. Niemand hätte diese Wähler an die Urne gebracht, der Verlust wäre noch sehr viel deutlicher gewesen. Aus diesem Blickwinkel sollte man das vielleicht auch einmal betrachten, was viele jetzt nicht sehen wollen. AFD und Die Linke haben gemeinsam in etwa 15 % der Wähler einfangen können, die ansonsten vielleicht überhaupt nicht gewählt hätten.

Auch Demokratie hat eben mehr Seiten als nur eine. Man kann eigentlich an diesem Tag den Altparteien nur sagen, wenn man jene 50% betrachtet, die gar nicht erst kamen und dann die 15% hinzu rechnet, die „unbequeme“ Parteien wählten, sich damit zu befassen, dass da irgendwo in Bremen 65% eben nicht CDU und SPD wählen wollten und dass damit das Ende der Fahnenstange ja auch noch nicht ausgereizt ist, denn Die Grünen und die FDP mit ihren Wählern, die Streuen ja auch noch Sand ins Getriebe. Auch diese beiden Parteien haben gemeinsam noch einmal an die 20% der Gesamtwähler gekostet. Und was wie ein Wahlsieg für CDU und SPD ausschauen mag, das ist nichts anderes als grandioser Selbstbetrug!

Ist es eigentlich demokratisch, wenn man anhand obiger Zahlen sich anmaßt regieren zu wollen? Wie groß ist denn die Legitimation? Sicher, es wurde gewählt, die Mehrheit aber liegt doch wohl eher bei 50,5% Nichtwählern. Womit wird beim Problem sind, denn natürlich muss man eine Frage auch stellen dürfen, an diesem desaströsen Abend und Beispiel, und die lautet: Was passier eigentlich, wenn irgendwann tatsächlich nur noch 1% zur Wahl gehen und man anschließend behauptet, man sei ja demokratisch gewählt wurde, und wenn man daraus den Schluss zieht, dann regieren wir eben über die anderen 99%?

Und ja, demokratisch gesehen haben 50,5% mit den Füßen abgestimmt. Und dort ist heute die eigentliche Mehrheit! Nichtwähler haben die heutige Wahl gewonnen, einen anderen Wahlsieger gibt es tatsächlich nicht. Und es sollte eigentlich niemand damit um die Ecke kommen und jetzt behaupten, diese 50,5% interessierten sich nicht für Politik. Im Gegenteil, sonst hätten sie nicht abgestimmt, wie sie es taten, nämlich mit dem Verweigern ihrer Stimmen.

Es lebe die Ignoranz derer, die nur wählen lassen, damit sie ihre eigenen Sitze nicht verlieren.

©denise-a. langner-urso