Bunga! Bunga!- oder „Komm, Mädchen, Du willst es doch auch!“

 

Wettermann Jörg Kachelmann ist freigesprochen worden. Heute um 9 Uhr fiel das Urteil zu seinen Gunsten aus. Es war, wie einige Medien berichteten, kein Freispruch erster Klasse. Aber es war ein Freispruch vor einem ordentlichen deutschen Gericht. Nachtreten verbietet sich. Kachelmann hat das Gericht als freier und nicht einer Vergewaltigung verurteilter Mann verlassen.

Nachtreten verbietet sich aber auch gegen die Frau, die den ganzen Medienhype um Kachelmann erst möglich gemacht hat. Ist sie Opfer oder ist sie es nicht? Vermutlich wird die ganze Wahrheit nie mehr ans Tageslicht kommen. Und so hat dieses Mannheimer Gerichtsurteil Fakten geschaffen. Die rechtliche Aufarbeitung ist beendet und das Leben geht weiter. Wir haben es alle anzuerkennen, auch im Sinne beider Hauptbeteiligten dieses Mammutprozesses. Gewonnen hat vermutlich keiner der beiden.

Sex in den oberen Etagen

Kachelmann war monatelang in den Blättern. Er war es aber nicht allein. Italiens Super-Hero und Präsident Silvio Berlusconi, der Träger von immerwährend schwarzem Haar, bestimmt in seinem Land, und darüber hinaus, weiter die Schlagzeilen. „Bunga, Bunga!“, verbindet man mit ihm. Netten Alt-Männer-Sex mit frühreifen Lolitas, die gegen bares ihr Wahres verkaufen. Ihm wird seitens der italienischen Justiz Sex mit minderjährigen Prostituierten und Amtsmissbrauch vorgeworfen. Die zur Tatzeit 17-jährige Prostituierte erfüllte sich damit sicher den Traum vieler junger Mädchen: Sex mit einem lüsternen alten Mann, der locker ihr Großvater sein könnte. Und ausserdem scheint sie mit dem Berufsziel „Hure“ groß geworden zu sein, sollte man insgesamt ironischerweise meinen, wenn man die vielen Sensationsstorys über diese junge Frau liest.

Wie soll denn ein alter Lüstling auch schon gegen die Reize einer sehr jungen Frau ankommen? Verführt durch eine superjunge Sirene streicht er die Segel und gibt sich ihr hin. Und dafür soll er angeklagt werden? Er, Berlusconi, die Inkarnation der feuchten Träume vieler Männer, die unter dem fortschreitenden Verfall ihres eigenen Äusseren sich zwanghaft dem jungen zuwenden.

Und noch ein Fall geht durch die Weltpresse. Frankreichs Präsidenten-Ex-Kandidat Dominique Strauss-Kahn. Der Noch-Chef der Weltbank weilte in einem luxuriösen Hotel in Manhattan. Ein ebenfalls älterer Herr, der stets betont, welch gute Ehe er führt, soll doch tatsächlich ein Zimmermädchen sexuell genötigt haben. Skandal! Das Zimmermädchen, zudem noch eine schwarze Einwanderin, gab an, durch Strauss-Kahn zum Sex gezwungen worden sein. In Amerika eine schwere Straftat, was auch einem welterfahrenen Mann wie Strauss-Kahn bewusst sein sollte. So ging es ihm dann, wie jedem beschuldigten Sexualstraftäter. Vorgeführt in Handschellen, unrasiert und derangiert, vor einer New Yorker Richterin. Für viele, zumeisst männliche, Kommentatoren ein unerträglicher Anblick. Für die Amerikaner alltäglich. Das amerikanische Rechtssystem macht keine Unterschiede zwischen arm und reich, mächtig oder ohnmächtig oder fragwürdiger Prominenz. Viele witterten sogar eine Intrige gegen Strauss-Kahn, dem so mächtigen prominenten Franzosen. Aber auch das hielt die New-Yorker Richterin nicht davon ab, ihm erst einmal ein paar Tage in einer Einzelzelle auf Staatskosten der USA zu verordnen. Derzeit verweilt er mit einer elektronischen Fussfessel in einer New-Yorker Wohnung. Die darf er zum Prozessbeginn verlassen.

Mächtige und prominente Männer scheinen manchmal ein Problem zu haben. Der eigenen Bodenhaftung verlustig geworden, denken sie offensichtlich, jeder Mensch würden ihnen bedingungslos erliegen. Die Ernüchterung folgt dann schnell auf dem Fuss. Und manche von diesen meinen vermutlich, sich dann eben ihre Gelüste mit Gewalt stillen zu dürfen. Stehen sie dann vor ihren Richtern, zerfallen sie zu Angeklagten und scheinen die Welt nicht mehr zu verstehen.

Sexuelle Gewalt gegen Frauen ist kein Kavaliersdelikt

Sexuelle Gewalt gegen Frauen ist ein schweres Verbrechen, es ist kein „Kavaliersdelikt“ und es ist auch keine Tat, die manche Männer meinen verklären zu müssen. Hier spielt sich kein Sex im herkömmlichen Sinne ab. Es ist die pure Gewalt eines testosterongesteuerten Triebtäters. Gleich, ob Staatsmann, Banker, Wirtschaftsboss oder in anderer Weise prominent. Aber gerade die, die sich als wichtig und mächtig betrachten, sollen auch den Anspruch erheben dürfen, dass gegen sie mit aller Härte der Gesetze vorgegangen wird. Wenn sie schon viele Sonderansprüche haben, sollte ihnen dieses auch nicht verwehrt bleiben.

Vergewaltigte Frauen leiden oft ihr ganzes Leben unter diesem Verbrechen. Die Aussage, „sie hat doch nichts gesagt!“, zeigt nur, wie der Täter im nach hinein sein Opfer ein zweites Mal demütigt. Die Gewalt, die diesen Frauen angetan wurde, führt oftmals auch dazu, dass die Opfer zur zeit der Tat stumm waren (-Stumm vor Schreck und Angst-), oder aber einfach nur wollen, dass diese Gewalt endlich aufhört und der Täter unter einem widerlichen Stöhnen von ihnen ablässt.

Für viele vergewaltigte Frauen ist dann vieles nichts mehr wie vorher. Sie zahlen ein Leben lang für eine solche Tat, während der Täter vielfach nach ein paar Jahren freikommt. Viele dieser Frauen, die Opfer eines sexuellen Übergriffs wurden, bringen diese Tat nicht zur Anzeige, aus Scham oder auch aus Angst vor dem Täter. Die öffentliche Berichterstattung über die aktuellen prominenten Fälle dient auch nicht dazu, solchen geschädigten Frauen Mut zur Anzeige zur machen. Über die Täter wird ausführlich berichtet, die Opfer, wie im Falle des US-Zimmermädchens, müssen untertauchen.

Sexualstraftäter sind Verbrecher. Als solche müssen sie sich auch der Justiz stellen. Es spielt dabei keine Rolle, welche Funktion sie dabei inne haben oder hatten. Erweist sich deren Unschuld, so haben sie das Recht auf volle Wiedergutmachung. Erweist es sich nicht, müssen sie bestraft werden.

Sexualstraftaten können auch Ausdruck seelischer Erkrankungen sein. Dann gehören sie in forensisch-psychiatrische Hände.

Alice, nerv weiter!

Manche Männer sagen und schreiben, Alice Schwarzer wäre nervig, wenn es um dieses Thema und andere frauenpolitische Fragen geht. Ja, das ist sie. Sie nervt, und wie sie das manchmal tut!

Aber ich hoffe, dass Alice noch mehr nervt und diesen Männern noch mehr auf ihre platten Füsse tritt! Denn solang es die Meinung gibt „Mädchen, Du willst es doch auch?!“, brauchen wir viele Alice Schwarzer’s. Und zwar solche, die den deutschen Herrenrunden immer wieder in den Hintern treten. Frauenrechte in Deutschland sind auch dann erst erreicht, wenn es landläufige Überzeugung ist, dass Gewalt gegen Frauen, zur Befriedigung des Mannes, kein Pappenstiel ist. Es ist eines der schlimmsten Verbrechen die ein Menschen einem anderen Menschen antun kann.

Ich hoffe sehr, dass die entsprechenden Gerichte, die über Strauss-Kahn oder auch Silvio Berlusconi zu richten und zu befinden haben, weise Urteile fällen und das es am Ende keine Gentlemen’s Agreement gibt, wie dies oft in diesen Kreisen der Fall ist. Sollten beide Schuld auf sich geladen haben, gehören sie bestraft. Und das empfindlich! Denn egal, was sie sind, Gentlemens ganz sicher nicht!

Für Kachelmann gilt das alles nicht mehr. Sein Fall wurde heute durch seinen Freispruch beendet. Aber es bleibt zu hoffen, dass die durch diesen Fall angestossene Debatte weiter geht und weiter ernsthaft, auch kontrovers, geführt wird. Aber so lang die verharmlosenden Worte des Berlusconi -„Bunga, Bunga!“- noch bei einigen „Herren“ weiterhin für breites Schmunzeln sorgen, habe ich so meine Zweifel.