Coronabeschränkungen – Was fehlte

Ich bin in Berlin geboren, in einer Stadt, in der ansonsten das pralle Leben tobt, und zu Beginn der Beschränkungen fand ich es auch schön, dass außer den Nachbarn die Welt um mich herum leiser wurde, Das war irgendwie wie Urlaub, nur eben auch völlig anders. Morgens fehlte mir der aufflammende Straßenlärm der Autos, in denen die Menschen zur Arbeit fahren, abends das Aufheulen manch irrer Motorradfahrer, es war einfach nur noch beängstigend still nach einiger Zeit.

Mir fehlte auch der Fluglärm, der zeigte, da fliegt jemand weg oder kommt an, und ich muss ehrlich sagen, all das gehört für mich zu einer lebendigen Stadt, denn wenn dem nicht so wäre, könnte ich auch im Sanatorium leben oder mich gleich irgendwo auf dem Land in einem Seniorenheim verkriechen.

Wobei, wenn ich mitbekomme, und ich habe dort lange gearbeitet, dass sich dort an Technik nichts getan hat, dann will ich da mein Lebensende unter gar keinen Umständen verbringen. Ich finde es absurd im Alter irgendwo nachmittags uralte Lieder singen zu sollen, Kaffeekränzchen abzuhalten, zu basteln oder gar Brettspiele machen zu müssen, mein Leben findet zu großen Teilen online statt, und online bedeutet für mich zeitlos über alle Ländergrenzen hinweg.

Ich will im Alter mich nicht an bestimmte Essenszeiten halten müssen, mich nicht ins Bett stecken lassen, wenn ich gegen Mitternacht Kaffee trinken will, dann will ich ihn mir kochen, in mein Zimmer schlurfen und einen Raid weit nach Mitternacht starten können, denn ich bin über 18 und erwachsen, und wenn ich erst früh um 8 Uhr früh ins Bett fallen will, dann ist das mein Ding, und wenn ich mein Mittag erst gegen 17 Uhr essen will und aufs Frühstück verzichten will, dann hat das im Alter auch keiner mir anders abzuverlangen. Ich will und werde mich solchen Regeln nicht unterwerfen, ich bin schließlich kein Kindergartenkind, ich muss gar nichts, aus, Basta, Punkt, Ende.

Wie also stellt man sich jetzt das zukünftige Leben in der Stadt vor? Totenstill und ohne das was Stadt erst zur Stadt macht? Na danke aber auch, das will ich nicht, weil all das, was ich oben beschrieben habe, der Auto- und Flugverkehrslärm, zum Stadtleben gehört, wie die Faust aufs Auge, und dazu gehört eben ein anderer Lärmpegel als auf dem Land.

Und wie stellt man sich also zukünftig Einrichtungen für ältere Menschen vor? So mit Stuhlkreis und sing mal fein mit? Mit festen Essenszeiten? Ich sage jetzt schon, ihr könnt mich alle mal, das ist kein Leben, das ist Zwang. Wenn ich mitbekomme, wie schlecht noch immer das Land digital aufgestellt ist, bei Schulen angefangen, dann schüttelt es mich, die ich ja lebhaft mitbekomme, dass derart viele Nachbarn vor PCs hocken und ganz selbstverständlich online shoppen und spielen.

Lasst euch gefälligst einfallen, wie eine Generation von Onlinern den Lebensabend verbringen soll, so wie es derzeit in Senioreneinrichtungen läuft, jedenfalls ganz bestimmt nicht, sondern anders, nämlich selbstbestimmt und online bis in die Puppen, wenn es denn schon sein muss, aber bestimmt nicht untergebracht wie Kinder und rundum betreut, nur weil man meint, Menschen meiner Generation müssten ununterbrochen beschäftigt und fremdbespaßt werden, samt Ab- oder Anmeldung wie bei Papa und Mama. Und ich denke, ich bin demnächst mit meinem Sturkopf nicht allein, macht euch auf was gefasst, das wird nicht leicht.

Ich will Stadt genießen wie Stadt zu sein hat, laut und voller Leben und will im Alter zocken was das Zeug hält, egal wann, egal wie lange, also fangt demnächst endlich einmal damit an, Senioreneinrichtungen zukunftsgerecht für die, die das so wollen, auszustatten und einzurichten, und dazu gehört schnelles Internet für Gamer-PCs in jedes Zimmer, dazu gehören alle festen Zeiten über den Jordan. Zeit wird es …

Ach, und so ganz nebenbei frage ich mich ununterbrochen, warum Leute eigentlich vom Land in die Stadt ziehen, wenn sie dann so leben wollen, wie auf dem Land und mit dieser nervenaufreibenden Dauerstille, der man nur entfliehen kann, wenn man eben in eine pulsierende Großstadt zieht. Stille kann man im Urlaub haben oder wenn man tot ist, mehr als genug.

©denise-a. langner-urso