Das Bundesverfassungsgericht und der Heilige Geist

Das Bundesverfassungsgericht tagt länger, als es Bundesregierung und Kläger erwartet haben, und das ist auch gut so, denn während Eilanträge die sofortige Beschlussfassung und Unterzeichnung von ESM und Fiskalpakt verzögern, bewegt sich etwas in der EU. Es gibt nämlich nichts, das alternativlos ist, so in Stein gemauert, wie es beide Völkerrechtsverträge sein sollen, das Leben, die Zeiten, verändern sich.

Die EU schaltet inzwischen auf Zeitverzögerung, entschleunigt, räumt Spanien mehr Zeit zur Sanierung des Haushaltes ein. Entschleunigung, so Märkten die Luft rauslassen, das ist angesagt, will man den sozialen Frieden Europas dauerhaft retten, Freiden bewahren, denn das war ja das Ziel der EU. Lebensverhältnisse anpassen,Wohlstand für die Völker, nicht das Gegenteil.

Zudem durfte das Bundesverfassungsgericht gerade erst das Wunder von Berlin unter Zutun des Heiligen Geistes hautnah miterleben. Da schreibt der Heilige Geis unsichtbarer Lobbyistent einen Gesetzestext kurzfristig um, und niemand hat ihn gelesen, kein Abgeordneter, den man zum Abnicken verdammt hat, ist in der Lage, die Tragweite dessen abzuschätzen, worüber er abstimmen soll. Das Verhalten am Beispiel des Meldegesetzes beweist, Abgeordnete machen allenfalls Dienst nach Vorschrift, das eigenständige Denken, die Einräumung von Bedenken gar, ist Hinterbänklern verboten.

Hätte auch nur eine Fraktion vorab noch einmal einen rechtskundigen Datenschützer die Vorlage ansehen lassen, er hätte vermutlich laut Hilfe geschrieen, doch nichts ist passiert. Nach dem Motto, wird schon stimmen, wird derweil Politik gemacht, durchgewunken. Fraktionsübergreifend.

Wer also hat den Text geändert, den niemand mehr ansah, und warum tat es niemand, auch die Frage wird das Bundesverfassungsgericht bewegen, und wenn es im Falle des Meldegesetzes passierte, welches Signal gibt das dann? Kennen die Abgeordneten überhaupt die ESM Verträge, wissen sie um den Inhalt des Textes zum Fiskalpakt?

In den Bundestag gehören Menschen, die Prioritäten setzen, und diese müssen heißen, zum Wohle des Volkes und für das Volk. Wer hingegen so deutlich wie Claudia Roth sein Desinteresse mitteilt, der macht sich lächerlich. Wer sagt, natürlich waren wir da, wobei ich nicht anwesend war, der entlarvt sich selbst, denn der politisch interessierte Zuschauer war anwesend, obwohl ein Fußballspiel lief, nur die Ränge waren leergefegt. Die Angeordneten hatten Eigeninteressen, es ging ihnen nicht um den Datenschutz zum Wohle der breiten Bevölkerung, sie bewiesen einmal mehr, dass es menschen gibt, denen das eigene Wohl, der Spaß wichtiger ist, als der Job, und dann gehört so jemand entlassen. Und es möge bitte auch niemand eine Krankmeldung vorlegen. Das Wohl der Bürger zählte einfach nicht in diesem Augenblick.

Wobei Roth sich fragen lassen muss, woher sie wissen will, wer denn wo war, an diesem denkwürdigen Abend. Oder stimmten da Unsichtbare grüne gegen ein Gesetz, die nur die Vorsitzende wegen fehlender Sensibilität für Geisterscheinungen nicht wahrnehmen konnte. Will uns Roth das etwa verklickern?

Was also ist wichtiger, das Eigeninteresse der Abgeordneten, denen man nach Wahlen hilflos ausgeliefert ist, oder der Auftrag des Volkes, die Wähler, die einen gewählt haben und Recht? Die Wähler kennen die Antwort, und zumindest muss über diesen Vorfall der Bundestag eine Aussprache abhalten, das schulden die Abgeordneten ihren Arbeitgebern, wenn sie schon nicht gewillt sind, nach diesem historischen Fauxpas nicht zurückzutreten, denn das kann der Wähler eigentlich fordern! Ganz oder gar nicht, 100% Einsatz für die Sache, das nämlich wird auch vom Wähler als Arbeitnehmer erwartet. Nicht mehr und nicht weniger!

Und genau deshalb hat das Verfassungsgericht als letzte Instanz zur Rechtswahrung im Namen des Volkes zu entscheiden, wie viel „Heiliger Geist“ vielleicht in ESM und Fiskalpakt stecken …

Und Herr Schäuble sollte sich Eines merken: Das Bundesverfassungsgericht ist nicht dazu da, marktkonforme Entscheidungen zu treffen, wenn Politik sich hetzen lässt, denn Eines sind Märkte ganz bestimmt nicht, demokratisch.

©denise-a. langner-urso