Derzeit passiert in diesem Land etwas sehr Bedenkliches, was nicht nur Kopfzerbrechen bereiten sondern auch Handlung auslösen muss, wir sind nämlich auf bestem Weg all das zu zertrümmern, was eine Gesellschaft zusammenhält. Dabei geht es auch um die Frage von Schuld, Sühne und Rückkehr in eine Gesellschaft, um die Frage davon, was Verantwortung eigentlich ist und was es bedeutet, wenn niemand mehr Verantwortung für sein Handeln übernehmen will, weil es ja viel bequemer ist, eigenes Versagen anderen in die Schuhe zu schieben und warum es in diesem Land scheinbar jedem so unendlich schwer fällt, Verantwortung für sich selber und andere zu übernehmen. Und wenn man niemand anderen mehr ausmachen kann, dann schiebt man eben die Schuld für eigenes Versagen letztlich der Politik im Allgemeinen, die man natürlich auch so nicht gewählt hat, in die Schuhe.
Dafür sollen einige Beispiele stehen, die in den letzten Tagen und Wochen Diskussionen auslösten:
Einmal ist es Bundesinnenminister Thomas de Maiziere, der die vielleicht wichtigsten Sätze der letzten Jahre sagt: Die deutschen IS-Kämpfer sind der deutsche Teil des Konflikts in Nahost, sagt Innenminister de Maizière. „Wir tragen für ihre Radikalisierung Verantwortung.“ Und es geht weiter mit den Worten „Es sind unsere Söhne und Töchter, ein Großteil wurde hier geboren. Sie sind in unsere Schulen gegangen, in unsere Moscheen, in unsere Sportvereine. Wir tragen für deren Radikalisierung Verantwortung“.
Der Minister sagte weiter: „Deutschland habe die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, dafür zu sorgen, dass der Terror nicht aus Deutschland in die Welt getragen wird“. Nie waren wenige Sätze wahrer, denn jeder, der in einer Gesellschaft lebt, trägt auch immer dafür Verantwortung, wie diese sich nach innen und außen darstellt, kann etwas dazu beitragen, dass sie funktioniert, durch Engagement, Hinsehen, Helfen, Steuern zahlen. Das sind jene Dinge, die Staat erst entstehen lassen.
Niemand ist eine Insel, oder doch?
Dieser Staat aber bröckelt, weil Deutschland nur noch aus Egoisten und Menschen zu bestehen scheint, die nur noch sich selbst, niemanden sonst als Mittelpunkt der Welt sehen, das Motto zu gelten: Jeder ist sich selbst der Nächste und nach mir die Sintflut. In diesem Land ist es längst an der Tagesordnung wegzusehen, wenn man meint, man sei ja selber nicht betroffen, zu glauben der, der geprügelt wird, dem es schlecht geht, habe selber Schuld an dem, was ihm passiert.
Niemand hat jedoch stets alleine Schuld an etwas, dazu gehört immer ein gewisses Umfeld, das man akzeptiert, hinnimmt, niemand trägt völlig alleine Verantwortung, denn niemand ist eine Insel und alleine auf diesem Planeten. Auch an dem, was nur in den eigenen vier Wänden passiert, ist man nie alleine Schuld, es sei denn, man lebe da alleine, es existierten keine anderen Faktoren wie eine Einrichtung, Wasser, Strom, und so weiter. Und selbst wenn man mit sich völlig alleine wäre, so hätte man Verantwortung, trüge Schuld an dem, wie man damit und mit sich selber klarkommt oder auch nicht.
Ich trete mal aus der Gesellschaft aus
Und aus einer Gesellschaft kann man nicht einfach austreten, sich einer anderen anschließen und tut man es doch, so ist man für das mit verantwortlich, was in der neuen Gesellschaft geschieht. Einige und ja, immer mehr Menschen scheinen sich für den absoluten Nabel der Welt zu halten, um den sich alles andere zu drehen, nach dem sich jeder andere zu richten hat. Wie sehr hier Gesellschaft nicht mehr verstanden wird, das zeigt die Diskussion, die sich zu dem Tagesspiegel-Artikel:
IS-Kämpfer Maizière: Dschihadisten sind unsere Kinder
enwickelt:
Das sind nicht meine Kinder,
so geht es los, und gleich die erste Antwort lautet:
Meine Kinder
auch nicht. Und wenn meine Kids die IS als normal sähen, wären sie nicht mehr meine Kinder.
Die Politik ist schuld, die Gesellschaft, aber ich doch nicht …
Genial, lieber Forist! Wer trägt denn die Verantwortung für die Erziehung? Sie! Und wenn Sie dieser nicht nachkommen, dann passiert es eben, dass ihr Kind rebelliert. Einmal zu oft gesagt, den „Ausländer“ den bringst du mir nicht nach Hause, mit den Schmuddelkindern spielt man nicht, ständig den solange Du Hammer rausgeholt, das Kind abgebügelt mit Basta wenn es fragte, zur Unselbstständigkeit erzogen, eigenes Denken unerwünscht, und schon haben Sie den Salat. Irgendwann macht das Kind eben genau das, was es nie durfte, sollte, probiert aus, was angeblich so böse ist, und derzeit endet das eben im schlimmsten Fall bei ISIS. Und dann kommen Sie und sagen: Das ist nicht mein Kind. Wirklich Klasse. Wessen Kind ist es denn bitte dann? Ach ja, schiebt man es eben der Mutter in die Schuhe, und wenn die sich den Schuh nicht anzieht, dann eben der Gesellschaft. So einfach zieht man sich also heute aus der Verantwortung.
Die hier angeblich so nette christliche Gesellschaft sollte eigentlich von Schuld und Sühne, von Wiederaufnahme in die Gesellschaft, die selbst Mördern nach Verbüßung ihrer Haftstrafe zuteil wird, etwas gehört haben. Aber auch die steht allenfalls auf dem Papier, so einen will man auch nicht nebenan haben. Und doch ist auch der Teil der Gesellschaft, in der er geformt wurde.
Auch Pfarrer verwehren Vergebung, welche Verlogenheit
Erzähle mir noch einmal jemand etwas von Christentum, Vergebung, christlichen Werten, wenn die nicht einmal der christliche Bundespräsident gewähren will, ein Kirchenvertreter. Da nämlich zeigt sich, was es mit unseren Werten wirklich auf sich hat. Nichts als Heiße Lift, wenn es um das eigene Ego die eigene Partei, den eigenen Sessel geht, und dieser Bundespräsident will ja noch eine Runde weiter Bundespräsident sein.
Das Nächste Beispiel ist nämlich der Aufreger um eine rot-rot-grüne Regierung in Thüringen. Das sieht der Bundespräsident mit Besorgnis. Dazu sage ich eins, nach dem zweiten Weltkrieg handhabte die Union das Thema Aufarbeitung anders, da war es plötzlich Wurst, welche Altnazis in der Union unterkrochen, da hatte die Union keine Skrupel, das Land zu regieren, da kreischte nicht eine panische SPD: wir lassen uns nicht von Schmuddelkindern regieren, koalieren nicht mit der CDU, da war alles recht, Hauptsache, man erhielt Macht.
Aber es geht ja anderen an den Kragen, der Linkspartei und da prügelt man gemeinsam drauf und die Partei und ihre Mitglieder, die sollen plötzlich eben nie mehr in dieser Gesellschaft als hoffähig gelten, selbst dann nicht, wenn sie auf Knien darum bitten würden, alleine nach ehemaligen Stasiangehörigen in den eigenen Reihen, danach schaut man erneut in der Union und SPD nicht.
Pfui, was für eine Verlogenheit. Ich sage es einmal deutlich, würde man jeden aussortieren, der irgendwann einen Nazi oder einen Stasimitarbeiter in der Familie gehabt hätte, dieses Land hätte weder eine CDU noch eine CSU noch eine SPD, es würde diesen Staat überhaupt nicht geben, es würde auch diese Bundesregierung nicht geben!
Aus kollektiver Schuld entsteht Verantwortung zu lernen und nie zu vergessen
Es anders und besser zu machen, zu mahnen, gemeinsame Wege zu finden damit umzugehen.
Das einzige was zu zählen hat, das ist, gewisse politische Vorgänge gehören wieder und wieder aufgearbeitet, dürfen nicht vergessen werden, gehören zur Bildung in die Schulen, weil aus Verantwortungslosigkeit eben immer auch Schuld entsteht und aus dieser Verantwortung für zukünftige Generationen, damit diese nicht erneut Schuld auf sich laden.
Was kann denn ein heute 18 jähriges Mitglied der Linkspartei dafür, was seine Vorfahren taten, was kann ein 18 jähriges Mitglied der CDU dafür, wie man in der Union mit Altnazis umging, sie in ihren Reihen duldete? Nichts, aber es besteht eben die Verantwortung aus der gesellschaftlichen Gesamtschuld Schlüsse zu ziehen, es anders, besser zu machen, daran zu denken, zu lehren, was passiert, wenn. Ansonsten schließt sich die Gesellschaft ja gegenseitig von allem und jedem aus, weil jeder irgend woran Schuld hat und niemand mehr dafür Verantwortung übernehmen muss, weil es sie getrost anderen in die Schuhe schieben kann.
Und genau an diesem Punkt scheinen wir angelangt, dieses Land besteht aus sich gegenseitig voneinander abgrenzenden Inseln, ist nicht mehr gesellschaftsfähig. Und es steht die Frage im Raum: Wo ist das Wir, wo die Gesellschaft geblieben, warum ging sie verloren und wann? …
©denise-a. langner-urso