Die Deutsche Parabel

War das schön, als er sich noch vor dem Piranhabecken die Nase plattdrückte, als das Aquarium so neu war, wie es nur neu sein konnte! Aber das Becken, ist längst uninteressant, verdreckt und stinkt.

Der Besitzer befand die Fische irgendwann als zu langweilig, auch, weil sie sie irgendwann dick und behäbig wurden, sich zwar ab und zu bissen, dann aber wieder in trauter Einigkeit still standen, und viel Arbeit macht es ja auch, so ein Aquarium.

Da muss man ständig die Wasserqualität beachten, dann lösen sich Fische in Nichts auf, die von anderen gefressen werden, die Scheiben setzen Algen an. Zu viel Arbeit, befand der Mann, und wollte der Schar keine neuen Fische hinzufügen.

Das Becken es gefiel nicht mehr, wurde uninteressant und so blieben schließlich nur 4 Tiere zurück, die allenfalls dem Nachbarn leidtaten, und der sie hin und wieder fütterte, mit etwas Frischfleisch, alle paar Tage, wenn er zu Besuch kam.

Die Arbeit hingegen, das Wasser zu wechseln, frisches hinzuzugeben oder gar die Scheiben zu putzen, damit man etwas sah, die war auch ihm zuviel.

Die Fische wurden unlustig, bewegten sich allenfalls noch ab und an, wenn es hin und wieder alle paar Tage etwas zum Fressen gab, ansonsten aber schwammen sie einträchtig in einer Richtung, von rechts nach links oder umgekehrt, und nur wenn einer aus der Reihe scheren wollte, dann jagten sie gemeinsam hinter ihm her, bis er schließlich wieder irgendwo im Fischschwarm mit ihnen schwamm.

Das Becken derweil undurchsichtig aber interessierte den Besitzer immer weniger, und so gab ihm der Nachbar eines schönen Tages den Rat, er solle doch einmal jenen jungen Mann kommen lassen, der ihm gerade ein neues becken eingerichtet hatte. Er habe dadurch selbst die Freude am Aquarium entdeckt.

Gesagt, getan. Der junge Mann schaute etwas erschreckt, ob der Algenpest im undurchsichtigen becken, dann wandte er sich zu dem älteren herrn und sagte nur: „ Ich helfe Ihnen, gleich morgen am Sonntag, und Sie werden sehen, sogar Sie gewinnen die Freude am Aquarium wieder.“

Am Morgen des folgenden Tages stand der junge Mann pünktlich um 9 Uhr im Wohnzimmer, setzte die mürrischen Piranas samt ihrer stinkenden Brühe in einen eigens dafür mitgebrachten Behälter und begann dann das Becken zu leeren.

„Sie tun doch den alten Fischen aber nichts?“ , sagte der ältere Herr, der nun doch ein paar Skrupel bekam, worauf der junge Mann nur meinte, er solle sich nicht sorgen, die Altfische würde er schon unterbringen, das sei das geringste Problem, und der Fischfreund war zufrieden.

Kurze Zeit darauf, das alte Becken war fast leer, entdeckte der junge Mann in einer Höhle, die im trüben Nass den Blicken verborgen geblieben war, ein paar kleine Fischchen, die dort der Übermacht der Raubfische entgangen war. „Pfiffige kleine Kerlchen“ sagten beide im Chor und waren sich einig, das muss belohnt werden, diese mutigen Kerlchen sollten ihr Heim auch später behalten.

Es muss so gegen 18 Uhr gewesen sein, da funkelte und blitzte das neu eingerichtete Aquarium so, als sei es niemals verdreckt gewesen und jetzt hielten anstatt der unbeweglichen vier Piranhas vier wunderschöne junge Kampffische samt ihren Weibchen dort Einzug, wo noch am Morgen behäbig fette Fische in stinkender Brühe geschwebt hatten.

„ Mein Gott,“ sagte der alte Herr, „Sie sind wirklich genial, junger Mann, die machen ja richtig Spass, die neuen Kerlchen, die kämpfen ja miteinander und sind nicht so langweilig wie die grauen abgestumpften Altfische die immer im Schwarm hintereinander schwammen und sich höchstens ab und an ein Stückchen abnagten!

Sie hatten wirklich Recht, daran werde ich Freude haben! Und hoffentlich länger als an denen, die Sie jetzt ihrem Gnadenbrot oder neuen Besitzern zuführen werden.

Und wissen Sie noch etwas? Eigentlich ist es mir jetzt auch egal, wenn Sie die grauen langweiligen Altfische zu Fischfutter verarbeiten!“

So schön also kann ein ganz „gewöhnlicher“ Sonntag sein …

©denise-a. langner-urso