Dieter Hildebrandt – Letzter Vorhang mit stehendem Applaus

Beginnen wir mit einem Zitat:

Die Politik ist ein Versuch der Politiker, zusammen mit dem Volk mit den Problemen fertig zu werden, die das Volk ohne die Politiker niemals gehabt hätte.

Welcher Fan bissiger politischer Satire kannte diesen Namen nicht? Mit der Lach- und Schießgesellschaft, den Notizen aus der Provinz und dem Scheibenwischer, verbinden wir Fernehgeschichte, Politik und „aufklärerische“ Geschichte Deutschlands über Jahrzehnte.

Dieter Hildebrandt hat immer versucht, Millionen von Zuschauern den politischen Alltag klar darzulegen, das politische Fenster zu putzen, das Klarheit braucht und deutliche Worte. Und er war dabei so deutlich, dass viele der Mächtigen, die er aufs Korn genommen hat, sich vermutlich schämten, wenn ihnen die Wahrheit trocken und ärgerlich auf den Abendbrottisch serviert wurde.

Wenn je ein Satiriker es geschafft hat, Zorn und Ärger vieler Wähler so zu verpacken, dass Politik sich getroffen fühlte, dann war er es. Und seine Sendungen, sie sind heute aktueller denn je, denn wenig hat sich am Verhalten derer geändert, die er kritisiert hat. Im Gegenteil. Sein Satz, Politik ist nur der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt, hat Gültigkeit seit er ihn sprach, ist heute aktueller denn je. Nein, er war nicht nur Satiriker, er war Wächter und stieß Wirtschaft und Politik auf jene Tatsachen, die niemand übersehen kann, die man aber allzu gerne nicht angesprochen wüsste, wenn man zu diesem Kreis gehört.

 

Dieter Hildebrandt, eine Würdigung

 

Ein Beispiel, sein feiner Nationalstolz, den er so gerne gesehen hätte, bei denen, die hier im Fußball unterwegs sind. Thema Nationalhymne, die nicht gesungen wird. Nein, er konnte nicht verstehen, dass man eben nicht stolz darauf sein kann, wenn man zum wirtschaftlichen Vorteil eingekauft wird. Und wenn wir beim Stolz sind, und immer öfter wird ja das Thema von Populisten auch aus Politik und Wirtschaft in den Mund genommen, ein Werksvertragsarbeiter kann eben nicht stolz darauf sein, dass er etwas geschafft hat, denn das Schaffen, das wird ihm verboten, per Gesetz, worauf also soll man stolz sein, wenn man den Stolz alleine auf die Staatsangehörigkeit beziehen kann?

Weder eingekaufte Fußballer können das, noch werden es jene Flüchtlinge sein können, die man als qualifizierten Facharbeitern jetzt gnädigst den Aufenthalt gewährt, weil der Werksarbeiter noch immer teurer ist, als man sich im Elend verkaufen kann. Der Stolz, der daraus erwächst, erwachsen muss, wenn man beschimpft wird, auch seitens gewisser Politiker, weil man eben aufstocken muss, nur geduldet ist, kann eben nicht jener gesunde sein, der erwächst, wenn man etwas aus eigener Kraft geschaffen hat, wenn man sich in einem fremden Land erwünscht fühlt.

Und darauf sollte man doch stolz sein, darauf sagen zu können, wir müssen niemanden kaufen, versklaven, wie in Katar oder hiesigen Fleischbetrieben so oft, wir sind stolz auf Deutschland, weil man hier menschenwürdig leben, etwas aufbauen, es aus eigener Kraft zu etwas bringen kann. Darauf, dass seitens wirtschaftlicher und politischer Eliten der Finger in Wunden gelegt wird, darauf war man stolz, doch das ist lange vorbei, weil sich diese Eliten einig darüber sind, dass nur Wachstum zählt, nicht aber das recht auf ein menschenwürdiges Leben für alle in Freiheit mit gleichen Rechten für alle Nationalitäten, Glaubensrichtungen und Lebensentwürfe.

Und man wundert sich über populistischen Nationalismus, der daraus entsteht, dass man alleine seinen Stolz an einer Staatsbürgerschaft festnageln kann, an nichts anderem jedoch?! Und nichts anderes wollte Dieter Hildebrandt sagen, als er jenen Satz aussprach: „ Es ist beruhigend festzustellen, dass die, die uns regieren, eigentlich gar kein Volk brauchen“. Richtig, das brauchen sie nur um alle vier Jahre zu beweisen, dass Demokratie, gleiche Rechte und Menschenwürde ja noch irgendwie existieren, auch wenn man ihre Bedeutungen so gerne zweckentfremdet, sie nicht mehr definieren mag, denn demokratisch ist aus ihrer Sicht, was hinter verschlossenen Türen von Politik und Lobbyisten ausgekungelt wird, allenfalls das …

 

Konservativ ist, wenn die Nation geistig in den Keller geht

 

Nein, Dieter Hildebrandt mit seinem Scheibenwischer war eine Instanz, vielleicht hätte man ohne ihn das, was Politik einem so verkaufen will, ansonsten gar nicht ertragen, doch so hatte man wenigsten die wenigen Verbündeten, die man als Publikum sah. Und das ist es ja, was stets hoffen lässt, wo heute selbst Menschen, die keinen Onlinezugang haben, nicht im Internet surfen, erfahren, da gibt es andere, die denken, wie ich.

Man kann nur erahnen, wie es für den politisch interessierten Zuschauer gewesen sein muss, als Dieter Hildebrandt den Scheibenwischer zum ersten Mal präsentierte, vor vielen Menschen in Zeiten, in denen man Kritik noch allenfalls verhalten und im Freundes- oder Familienkreis aussprach. Dieter Hildebrandt ist es nämlich auch zu verdanken, dass man begann öffentlich jene Dinge auszusprechen, die Politik verbockt hatte.

Und wie sehr Satire verkommen ist, das sieht man immer öfter, gerade für unter der Gürtellinie reicht dort die Qualität …

Nein, mit Dieter Hildebrandt geht eine Bastion gerechtfertigter Kritik, und wenn es demnächst von oben so richtig donnert, poltert und blitzt, dann ist es wahrscheinlich Hildebrandt, der unseren Eliten am liebsten den Kopf gehörig selber waschen würde oder weil er es da oben gerade bei jenen politischen und wirtschaftlichen Eliten tut, die vor ihm gegangen sind, möge er ihnen die Hölle heiß machen! …

Und ja, er wird sie alle da oben treffen, unsere Wirtschafts- und Politeliten, was glauben denn Sie, warum jeder von denen so erpicht darauf ist, irgendwann in den vatikan zu reisen? Was glauben Sie denn, für wen das Köfferchen Schäubles bestimmt war? Etwas Schwarzgeld von Lobbyisten auf ein Vatikankonto gelegt, und der Ablasshandel ist perfekt …

Und an der Häufigkeit der Besuche, kann man ablesen, wie viel Dreck da wer am Stecken hat. Und wenn es zu deftig wird, dann schaut so ein Ablasshändler ja derweil auch schon mal persönlich im Bundestag vorbei …

Und wenn ein „Politiker“ ein Staatsbegräbnis verdient hat, dann er. niemand sonst. Denn das war er, ein  „Politiker“ wie man ihn sich wünscht …

Schade, dass der letzte Vorhang gefallen ist, denn in vielen Familien fehlt jetzt ein Familienmitglied.  Ein Volkstrauertag irgendwie. Und stehender Applaus mischt sich mit tiefer Traurigkeit …

©denise-a. langner-urso