Geschichte – Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann das Heute nicht verstehen

 

Geschichte zu haben, und die hat ja nun einmal jeder von uns, bedeutet nicht, für all das die Schuld zu haben, was in tausenden Jahren passiert ist, es bedeutet nur, Verantwortung dafür zu haben, dass das eigene Kind nicht so erzogen wird, dass es auf die Idee kommt, Hexen verbrennen zu müssen, oder ähnliche Dinge, die unendlich viele Menschleben gekostet haben, die in der Geschichte passiert sind, zu wiederholen. Wer sich den Schuh der Schuld meint anziehen zu müssen, der hat rein gar nichts verstanden. Geschichte zu verstehen bedeutet auch zu begreifen, wann es an der Zeit ist, zu bestimmten Vorgängen „Nein“ sagen zu dürfen und sogar müssen. Nicht mehr und nicht weniger. Und welche Chance Geschichte bietet zu erkennen, wenn jemand sie alleine für sich so deuten will, dass sie nur ihm zum Machterhalt dienen, ansonsten aber keine Rolle spielen darf.

Es gibt Dinge, da ähneln sich einige Menschen aller Kulturen und verschiedener Nationen mehr als gedacht, nämlich darin, am liebsten sich niemals mit Geschichte auseinandersetzen zu müssen. Weder mit der des eigenen Staates, noch mit Geschichte überhaupt. Doch wer die Geschichte der Welt nicht versteht, ihre Zusammenhänge, die immer politisch, ökonomisch, wirtschaftlich und auch sozial sind, der kann die heutigen Zusammenhänge nicht verstehen, der kann nicht begreifen, warum a und b sich nicht verstehen, warum es unterschiedliche politische Meinungen gibt. Und welche Auswirkungen das hat, das sieht man, wenn Herr Tillich jetzt die Reißleine zieht und Geschichtsunterricht unabwählbar machen will. Gut so. Ich habe nie verstanden, weshalb Geschichte abwählbar sein sollte …

Gut so, denn nicht nur in der Türkei, nein auch in Deutschland entstehen Strukturen, die für Menschen, die dieses Fach nicht einfach abwählen konnten, eher unverständlich, unbegreiflich, unfassbar sind, um es einmal so zu bezeichnen. Man kann Geschichte, für unwichtig befinden, man kann sie gar ganz umschreiben oder verbieten, deswegen ist sie aber lange noch nicht nicht passiert. Und viele Fragen lassen sich eben erst beantworten, wenn man sich mit ihr einmal befassen musste. Man kann die wirtschaftlichen Zusammenhänge und die heutige Politik nicht verstehen, wenn man gewisse Zusammenhänge nicht kennt. Oder sagen wir mal: sowas kommt von sowas.

Es gibt keine Geschichtslosigkeit

In beiden Staaten, in Deutschland und der Türkei gibt es offensichtlich massive Defizite, wenn es um Geschichte geht, sei es, weil man sie schulisch als unwichtig empfindet, sei es, weil sie gewissen Herrschaften einfach so nicht in den Kram passt, wie sie passiert ist. Und doch ist sie da, das was geschah ist passiert, auch wenn man noch so oft versucht, es zu ignorieren. DIe Weltkriege aber und was dafür geschah, betrafen so gut wie die komplette Welt, und deshalb ergibt sich daraus auch eine Verantwortung aller ehemals Beteiligten dafür, dass gewisse Dinge nicht erneut passieren, gewisse Sprache nicht genutzt wird, gemeinsame Verbrechen zu gemeinsamer Verantwortung führen, dass Völkermorde nicht erneut geschehen, dass einzelne Menschengruppen, und seien es nur Andersdenkende oder Menschen, die anders, oft auch gleichgeschlechtlich leben wollen, nicht verfolgt werden, dass medien frei und unabhängig berichten, und Hilfsorganisationen ungehindert helfen dürfen, dass Zivilisten zu verschonen und nicht als Schutzschilde genutzt, gar ausgehungert werden dürfen. Geschichte lehrt uns Unrecht gegenüber Menschen zu erkennen und sich dagegen zu wehren. Das lehrt Geschichte, und das ist auch gut so.

Wer seine oder überhaupt Geschichte gelernt, sich damit befasst hat, der versteht, warum man sich in modernen, aufgeschlossenen Gesellschaften, in denen Wissenschaft vor fantastischen, eher selten realistischen Kirchenbüchern und Gesetzen steht, darüber aufregt, wenn jemand Genetik für politische Zwecke oder gar Aussagen benutzt, der begreift, dass Wissenschaft die Welt in all ihren Zusammenhängen erklärt und nicht irgendwelche Texte, die in anderen Zeiten Angst schüren sollten, um einigen wenigen auserwählten Eliten einen Herrschaftsanspruch zu garantieren, denen zudem die jeweilige Gesetzgebung jedweden Spielraum lies, und die sich selber eher selten an das hielten, was normalen Menschen, die weder lesen noch schreiben konnten, verboten war. Und solange diese Herrscher ihre Kirchenväter reichlich bedienten, solange war meist auch die eigene Macht garantiert.

Wer versucht Geschichte zu beugen oder leugnen, ist gefährlich

Nur wer Geschichte versteht, der versteht auch, wann und warum dieses Gefüge zu Bruch ging, warum danach Staaten kirchliche Einflüsse aus dem politischen Leben immer weiter heraus drängten, wie es zur Bildung von Parteien und Gewerkschaften kam, dazu, dass Schulpflicht eingeführt wurde, dass Frauen Männern immer gleichgestellter wurden, bis dieses alte System von Kirchenfürsten, Kaisern und Königen endlich abgelöst war. Und wer die jüngste Geschichte dieser Welt kennt, wer begreift, dass eben die komplette Welt in zwei grauenvollen Weltkriegen sich bekämpfte, wegen unsinniger Beistandspakte, nur der versteht, warum zu viel Pakt andererseits auch schaden kann, und wer verstanden hat, wie ein gewisser Herr die ganze Welt umbilden und dafür eine eigene Rasse züchten und alle anderen Menschen vernichten wollte, nur der versteht, warum moderne aufgeschlossene Staaten Aussetzer die an diesen Krieg erinnern wie sie derzeit auch bei uns immer wieder passieren, nicht hinnehmen wollen. Wer die Geschichte der Welt einmal gründlich gelernt hat, wer gelernt hat, was gewisse Bücher vermögen, wenn sie in falsche Hände geraten, und wenn der, der sie hat, sich nur die jeweils passenden Rosinen herauspickt, sie gar noch ins Hier und Jetzt versucht zu transferieren, und so zu interpretieren, dass sie einzig einem selbst dienen und Macht garantieren, gar ganze Menschengruppen und Kulturen gänzlich ausgrenzen, ja beseitigen wollen, dann spätestens droht die Gefahr, dass es erneut zu Völkermord und Krieg kommt, einfach, weil jemand Geschichte nicht gelernt hat, oder sie ignoriert, weil er ohne sie stärker zu sein scheint, als mit ihr. Wer Bücher missinterpretieren und Gesetzbücher umschreiben muss um sich an der macht zu halten, der hat gar nichts verstanden, den wird über kurz oder lang Geschichte hinwegfegen.

Bildung fängt mit Geschichte an. Mit der Frage, woher man kam

Moderne Gesellschaften aber sollten sich lieber mit Menschen auseinandersetzen, die aus Geschichte zu lernen fähig sind und sie nicht nach Belieben verbiegen wollen. Nur mit solchen Zeitgenossen ist nämlich Zukunft möglich, mit den anderen nur ein Weg rückwärts. Und dahin will wohl kaum jemand, außer vielleicht eben ein paar merkwürdige Gesellen, die meinen, Kirchenbücher, in denen Kain sich auf froschähnliche Weise vermehrt, um die heutige Masse an Menschen entstehen zu lassen, seien der letzte Hit der Wissenschaft. …

Und andere Bücher, die uns nichts als eine einzig mögliche Wahrheit eines Herrschers aus uralter Zeit verkaufen wollen, scheinen auch nicht besser zu sein.

Da vertraue ich lieber modernen Wissenschaften und modernen Gesellschaften und pfeife auf alle, denen Geschichte am Arsch vorbei geht, nicht nur in diesem Land, wobei mir jene Menschen leid tun, die aus Machtgründen gewisser Irrer sich gar nicht erst bilden können oder dürfen, und zwar so umfassend wie möglich. Und es tun mir die leid, die nichts anderes erfahren dürfen, außer kirchliche Werke auswendig lernen und so interpretieren zu können, wie es dem wirren Machthaber beliebt.

Lesen bildet, und als nächstes gehört das Geschichtsbuch in spannender Form in jedwede Kinderhand. Gibt ja mehr als genug davon. Nur abwählbar darf Geschichte nicht sein, weil sie eben nicht abwählbar ist. Und das schreibe man sich bitte hier und auch in anderen Staaten groß auf die Fahne, sofern dort überhaupt neben dem übergroßen Herrscherporträt noch Platz dafür bleibt, und wenn dort nicht schon dessen eigenes umgeschriebenes Geschichtsbuch unsichtbar prangt, wenn sie verstehen, was ich damit meine.

Ganz ehrlich, ich frage mich immer öfter, wie gaga Menschen sein dürfen, die sich um politische Ämter bewerben. Ach was solls. Ich hoffe, ihr habt verstanden, was ich ausdrücken wollte.

©denise-a. langner-urso