Ein Journalist schlägt sich offiziell auf die Seite einer Bewegung und gibt dadurch auf, was einen guten Journalisten ausmacht, die Objektivität. Wo aber verlaufen die Grenzen? Medien lassen sich meist einer gewissen Schule, einer Richtung zuweisen. Doch Glenn Greenwald geht einen Schritt weiter, er verbündet sich, verbreitet Aufrufe. Medien tun das auch, Aufrufe verbreiten, wenn sie zum Beispiel die Wähler wieder und wieder auf Wahlen hinweisen, also, wo ist der Unterschied?
Ja, es gibt den kleinen Unterschied, den der Neutralität und eben Einseitigkeit voneinander abgrenzt, denn gewisse Medienaufrufe geschehen unter anderen Vorzeichen, als Glenn Greenwald sie setzt. Aufrufe in Medien rufen nicht eine Gruppe zum Handeln auf, sondern mehrere. Deutlich ist das bei Ermahnungen zur Wahl zu gehen, und ob weiter rechts oder links angesiedelt, wird jeweils auch an die Opposition appelliert. Und genau hier bricht Glenn Greenwald mit den für Medien gültigen Gesetzen. Er wendet sich an eine Gruppe, vergisst die Gegenseite vollends.
Die Frage, die jetzt im Raum steht heißt also, wie geht man mit so jemandem um? Auch die Gegenseite hat ja ein Recht darauf gehört zu werden, denn jede Medaille hat immer zwei Seiten.
Und dann ist das auch noch Snowden. Snowden gibt gewissen Medien Interviews in einer Länge, die Zweifel an der Neutralität aufkommen lassen. Snowden hat der Öffentlichkeit einen Dienst erwiesen, das Kommentieren dessen allerdings, das sollte anderen vorbehalten sein. Auch die rechtfertigung warum was geschah, das muss jetzt zuerst von der angegriffenen Seite, der US regierung nämlich erfolgen, die sich beharrlich verweigert.
Zuzügliche Erklärungen, diese wären jetzt angebracht, Erläuterungen zu den Veröffentlichungen, vielleicht wirklich vor einer Untersuchungskommission, nicht aber Selbstbelobigung über Stunden in einem Medium, ohne dass überhaupt eine Diskussion mit dem Angeklagten stattfinden kann. Hier also auch wieder Aufgabe der Neutralität.
Und ja, Snowden hat ein Problem, und dieses heißt Putin. Seine Aufenthaltserlaubnis in Russland ist nämlich begrenzt, Putin aber gerade dabei, der Welt beweisen zu wollen, was er für ein bedächtiger Präsident ist. Und wenn es Putins Ansehen dient, dann könnte sich das Blatt recht schnell gegen Snowden wenden, der doch quasi versprochen hatte, aus dem Exil heraus nicht weiter zu veröffentlichen, was den USA nachhaltig schadet. Solche Interviews aber brechen genau damit.
Nun mag man sagen, Putin billigt Snowdens Verhalten, weil derzeit gerade Tauwetter angesagt ist, weil sich Staatschef demokratisch und menschenfreundlich erweisen möchte, zeigen will, wie viel Meinungsfreiheit möglich ist. Doch Snowden sitzt auf glühenden Kohlen, rücken doch die olympischen Spiele immer näher. Und wer garantiert eigentlich, dass Snowden nicht demnächst das Abschiedsgeschenk für Obama wird, sollte er zu den Spielen anreisen? Ob Glenn Greenwald und Snowden das bedacht haben? Dass es vielleicht nur eine Frage des Preises ist, für beide Seiten? Schließlich sind beide an wirtschaftlichen Fortschritten interessiert.
Oder ist es ganz anders? Kalkuliert man, beide Seiten, die USA und Russland an den Pranger zu stellen? Dann könnte der Versuch gewaltig nach hinten losgehen, ist es doch der Öffentlichkeit offensichtlich völlig egal, wie gläsern sie ist. Denn der Aufschrei, käme es zur Auslieferung, dürfte sich in Grenzen halten. Und warum soll Putin sich an eine mündliche Zusage halten, wenn Snowden es nicht tut?
Und Glenn Greenwald? Der hat sich derweil längst einer anderen Sache verschrieben als dem Journalismus, dem Kampf um Wahrheit und Aufklärung, er führt seinen ganz eigenen privaten Kampf, warum auch immer, und der eigentlichen Sache eher abträglich. Schade, somit verraten gleich beide ihr Ideal, nämlich indem sie die ihnen zugestandenen Freiheiten ins Endlose dehnen allein zum eigenen Vorteil, im Licht der Öffentlichkeit zu stehen, der so nicht von Dauer sein dürfte, denn solche Helden wollen die Menschen nicht, sie erwarten von ihren Helden Selbstlosigkeit und genau damit ist es seit ein paar Tagen bei beiden Akteuren vorbei …
©denise-a. langner-urso