Hackathon – Auf der Suche nach Maß und Mitte

Der Hackathon der Bundesregierung ist eine geniale Idee, Bürger und Politik Hand in Hand gegen Corona, doch spätestens, spätestens am Samstag Abend wird klar, Politik und Mitte der Gesellschaft, sofern sie nicht verzweifelt schweigender Beobachter ist und die Extreme, die sich herauskristallisiert haben, und die Ränder bilden, das passt nicht zueinander.

Da passiert es dann, dass du als Normalbürger nicht weiß, wie man eine Glühbirne wechselt, um ein ganz einfaches Beispiel zu nehmen, dass jeder kennt, und es kommt ein Handwerker, der dir über Stunden elektrische Schaltkreise aufzeichnet und am Ende des Tages ist die Glühbirne noch immer kaputt, dafür aber unterschreibst du einen Vertrag der besagt, dass zuerst sämtliche elektrischen Leistungen deiner Wohnung neu verlegt, besser das Haus komplett neu gebaut werden muss.

So in etwa fühlt sich Hackathon an, Hackathon ist ungefähr wie Aufsatz am Thema vorbei und am Ende lieferst du nur eine Zusammenfassung ab, die mit dem Urprungsthema nichts mehr zu tun hat. Hackathon ist wie: Hausbesetzer in Berlin gegen Polizei. Irgendwie so.

Programmierer, die keine digital Natives sind, und Programmierung nur aus Studiensicht kennen, treffen auf Praktiker mit massiver Lebenserfahrung, die wissen wie man riesige Events organisiert, was es braucht, und versuchen das pralle Leben, das an der Basis läuft, in bunten Stylesheets Nerds die nie ein Vereinsleben außer am PC und in Raids kennengelernt haben, in Nullen und Einsen zu verwandeln um die Welt verstehen zu können.

Anders beschrieben: aus einer Aufgabe, die eigentlich am Abend des ersten Tages klar und deutlich vor dir liegt, die nur noch zusammengefasst gehört, um sie umzusetzen, und die aus knapp 2 Dina 4 Seiten besteht, über die sich alle klar und einig sind, werden durch Hinzufügen neuer Mitglieder zur Gruppe an Tag 2 zwei Aktenordner samt diverser elektrischer Schaltpläne, und spätestens vier Stunden vor Abgabefrist weißt du, der BER wird eventuell in 20 statt wäre er anderswo geplant worden, in 2 Jahren fertig.

Mitte der Gesellschaft samt Politik, das würde funktionieren, Ränder und Politik kann man knicken. So ungefähr läuft Hackathon, ein Auftrag 100 Meinungen. Man kann die Welt nicht programmieren, jedenfalls nicht so.

Programmer vs Praxis

Unsere eigentliche Aufgabe war: Wie schafft man es Kindern von sozial schwachen Familien Hardware mit Apps schnell zur Verfügung zu stellen, damit sie lernen können, und nicht noch weiter abgehängt werden, als ohnehin und die Aufgabe ist kaum anders, als bei einem Sommerfest schlichtweg Spender für die Wurst in zwei Sorten, vegetarisch und normal zu finden und dafür zu sorgen, dass diese pünktlich geliefert wird.

Nicht mehr, nicht weniger, und wer sich damit auskennt, wer auch weiß, welche Ansprechpartner es für Großevents braucht, für den ist es einfach, auch umzuswitchen und das auf andere notwendige Dinge umzudenken, wer weiß, wie Callcenter funktionieren, wie zuzüglich Politik funktioniert, wie dort Aktionsketten gehen, von A nach B, für den ist all das kein Problem, doch jetzt füge so einer Gruppe Programmierer zu und verlange, dies solle online und vernetzt passieren.

Spätestens jetzt passiert der Fehler, wenn nicht schon vorab durch einen Troll, den du ausschließen konntest, weil er meinte, nam könne doch in der jetzigen Situation in die vorhandene Aufgabe Senioren einbauen, die täglich die Schüler, die die Hardware brauchen anrufen, damit diese ihre Aufgaben machen und im Gegenzug dafür gibt es Einkaufshilfe.

Ok, erledigt sich von selbst, Ignore funktioniert in so einem Fall bestens. Was du allerdings nicht ignorieren kannst, sind Programmierer, die urplötzlich neu der Gruppe zugefügt werden, nachdem jemand zuvor bereits der Gruppe immer wieder erklärt hast, dass es jetzt nicht darauf ankommt, zu klären, wer die Software warten wird, und wie man die angedachte Spende zu versichern hat, ob sie zurückgegeben werden muss.

Nur, Spende ist Spende und ob jemand an der Essensausgabe aus Gründen der Versicherung nur Sportschuhe oder eben auch Schlappen tragen darf, das ist längst die Aufgabe anderer Organisatoren, aber was soll es, damit kann man leben, Erklärung reicht im normalen Leben, hier offensichtlich nicht, die Stylesheets werden von Minute zu Minute länger, jetzt wird erst mal eine Umfrage gestartet unter Lehrern, wie hoch der Bedarf muss, welche Probleme dort gesehen werden, und diskutiert, ob Eltern damit überhaupt einverstanden sind.

Sicherheit im Internet? Vergiss sie! Echt jetzt?

Mehrfach wird nun auf andere Programme umgeschaltet, kommen neue hinzu, werden Telefonkonferenzen gemacht, die einige aus der Fassung bringen, Mitglieder verlassen die Gruppe ohne sich zu verabschieden, was bleibt sich die Programmierer, neue kommen dazu, immer mehr Programme, vorhandene Browser top programmierter und gesicherter PCs verbieten Zugriffe, was Warnzeichen sein sollte, wenn man denn schon in sensiblen Bereichen arbeitet, und klar ist spätestens jetzt, warum ganze Gerichte lahmgelegt werden können, und wie es möglich ist, dass derart viele Bürger gehackt werden können und wie man weltweit Spuren von A nach B hinterlässt.

Es ist zum Haare raufen, es wundert einen gar nicht mehr, wie Erpresser, Unternehmen an Daten kommen, wenn die, die es besser als jeder andere wissen sollten, derart freizügig unterwegs sind und ihnen der eigene Datenspam offenbar derart egal ist, dass darüber überhaupt nicht nachgedacht wird, und dass gerade in dem Bereich die Meinung herrscht, Microsoft und Co hätten diese doch ohnehin längst.

Das ist ähnlich wie, ist zwar nen Virus unterwegs, aber was soll es, kann man eh nicht ändern. Sprich: man fasst sich nur noch an den Kopf, denn Virus ist Virus, gefährlich hier wie da, off- und online, Wurm ist Wurm, und wo Händewaschen derzeit offline gilt, hat Sicherheit im Netz eigentlich umso mehr zu gelten, denn beides gefährdet Infrastrukturen in gleichem Umfang.

Presse und Hackathonorganisatoren

Spätestens jetzt wird auch klar, warum Medienvertreter keinen Kontakt zu Hackathonmitgliedern aufnehmen sollten, doch wer einmal im normalen Leben organisatorisch gearbeitet hat, dem ist klar, wie wichtig guter Kontakt zur Presse ist, denn die fungiert für Projekte als Verbreiter. Klar wird auch, die Organisation hätte von Beginn an anders laufen müssen, von Beginn an hätten die Gruppen geschlossen arbeiten und betreut werden müssen.

Die Hackathon Organisatoren, nein, nicht die politischen, feiern sich derzeit im Internet auf Twitter und Co, doch ist bereits jetzt klar, schätzungsweise ein Drittel, wenn nicht die Hälfte der Teilnehmer ist längst nur noch stiller Beobachter, aus den 40.000 Teilnehmern sind bedeutend weniger geworden, und wie auch immer es dazu gekommen sein mag, dass ein winziges Licht wie mein Auftritt dort als Teilnehmerin mit MenschenZeitung zu den angeblichen echten Helden und auf Platz 3 der Twitterer landen könnte, wird mit für alle Zeiten ein Rätsel bleiben, denn in den ersten beiden Tagen, also Freitag zu Beginn und Samstag, hatte ich besseres zu tun, als zu twittern und habe irgendwie händeringend versucht, unsere Aufgabenstellung, die ich selber auch eingereicht habe, wobei, andere es vielleicht auch gleichzeitig getan haben, irgendwie auf Kurs und am Thema zu halten, bis mir eben klar wurde, Programmierer von heute und Digital Native mit massiver Lebenserfahrung von kompletter Organisation und Mitarbeiterschulung bis Aufbau erster Callcenter, mit Kenntnis aus Marketing, Kundenberatung, Verkauf, samt politischer Erfahrung, Kenntnissen von 15 Jahren in der Pflege und vielem mehr, also quasi amerikanischem Lebensstil ohne je in den USA gewesen zu sein, das passt nicht zueinander, das schließt sich komplett aus, da prallt Steinzeit auf Alien und Vernunft gegen Wände aus Besserwisserei und Fakenews, auf Überheblichkeit und Ellenbogen, auf Spaltung der Gesellschaft vom Feinsten, da wird mehr als ein Generationenkonflikt offensichtlich, da verzweifelt man, da tobt Irrsinn. Und da wird auch klar, warum man Medienvertreter als Beobachter ausschließen wollte, was einfach nur eins ist, Blasenbildung, die nicht beobachtet werden will und lieber ihr ganz eigenes Weltbild und die eigene Sicht der Dinge abgebildet sehen will. Und dafür fehlt mir dann jedes Verständnis, denn weniger Demokratieverständnis geht nicht.

Fazit nach „Halbhackathon-Teilnahme“

Denn mehr ist aus rein Nerven schonenden Gründen einfach nicht drin, die Luft ist raus, der Hype verflogen, zumindest, wenn man ehrlich ist, die Selbsthudelei der Akteure, auch wenn die Politik finden mag, dies sei eine geniale Idee gewesen. Mag anderswo so gewesen sein, hier ist das eher nicht der Fall, jedenfalls nicht so, wie es hier laufen sollte, nämlich wie anderswo. Wir sind aber eben nicht Letten oder Franzosen, Amerikaner.

Deutschland, Deutsche ticken komplizierter, verquerer, bürokratischer, sind Radfahrer, Befehlsempfänger, was uns in diesem Hackathon schwer auf die Füße fällt und eigentlich vielen Teilnehmern klar geworden sein müsste. Nur genau die waren nicht in Überzahl da, anwesend war derweil in Massen alles was Einzelgängertum gewöhnt ist, was Ellenbogen hat, der Besserwisser, der Gruppensprenger. Schade, und viele werden das auch negieren, anderen dürfte es egal sein, die sind zwar immer da, wenn es um Hilfe geht, werden aber immer wieder enttäuscht, wie sie oft auch politisch sich bereits nur noch still verhalten und zurückgezogen haben.

Tolle Idee der Politik, das stimmt, aber eben leider nicht bedacht, wen man aufeinander los lässt, und ob das speziell in diesem Land voller Latte trinkender, veganer, selbst herangezogener Einzelkämpfer, die gegen Bier trinkende Wurstliebhaber alter Zeit antreten sollen, das in dieser Form eine besonders gute Idee war, derweil in den USA etwa die Gesellschaft und Einzelkämpfer in solchen Notlagen tatsächlich in der Lage dazu sind, sich auf die Gemeinschaft einschwören zu können, zusammenzuraufen. Hier scheint das ausgeschlossen. Ja, es wird dabei Ergebnisse geben, vielleicht aber weniger als man sie anderweitig organisiert hätte erzielen können, und ja, es ist eine tolle Idee gewesen, die zeigt, dass Politik im Wandel ist, alles gut.

Vielleicht hat es auch an mir gelegen, dass ich denke, gewisse Gruppierungen können nicht gemeinsam arbeiten, passen nicht, vielleicht bin ich zu kritisch, aber ich glaube ganz einfach, man kann nicht Bürger die ansonsten im prallen Alltag und fest mit beiden Beinen im Gesellschaftsleben stehen, mit Nerds an einen Tisch setzen, die ansonsten zu normalen Events auch eher nichts beitragen und wenn sie erscheinen, mit abwesenden Augen auf Handys starren, Desinteresse aus ihnen strahlt, derweil sie verzweifelt versuchen, es zu verbergen und dennoch meinen, sie alleine hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen, auf engagierte Bürger und Politik loslassen und dann erwarten, dass daraus dauerhaft etwas wie Gemeinsamkeit entsteht.

Das hat Potential jede Gesellschaft zu sprengen und spalten und das passiert ja auch ständig, weshalb vielleicht genau deshalb beide Gruppen hätten komplett voneinander arbeiten müssen, denn Theorie und Praxis, Bürokratie und Mensch passen bereits in anderen Zeiten schon nicht wirklich zueinander, zu viel dauert zu lange, wird dadurch teurer, speziell dann, wenn gewisse Gruppen auf Politiker treffen, die ja aus dem Bereich der Bürger kommen, gemeint sind Berater, die dann jeden politischen Akteur am Nasenring durch jede Manege ziehen und ihm, um auf mein Glühbirnenbeispiel zu kommen, statt diese einfach zu wechseln, den kompletten Neubau eines Hauses unterschreiben lassen. Und genau da liegt der Fehler.

Es passt nicht, Realität geht anders

Mir hat es trotzdem viel Freude gemacht, fand die Idee sehr gut, vieles war lustig, weil es eben oft ausartete und zerfledderte, gut zu sehen, wie viel Engagement sein kann, wenn man will, wenn man lässt. Nur dann muss überlegt werden, wen man lassen will, darf nicht verquicken. Und nein, das hat nicht, rein nichts mit irgendwelchen Helden zu tun, das gehört sich so, das nennt sich gesellschaftlicher Zusammenhalt, wenn denn alle an einem Strang ziehen und nicht in verschiedene Richtungen streben und Recht haben wollen würden.

Zu lang, ich weiß, das war es jetzt auch, draußen lacht die Sonne, da sehe ich direkt Erfolge dessen, was ich angepflanzt habe. Ich verabschiede mich also aus der programmierten Nullen und Einsen Welt der Supernerds und überlasse freiwillig denen das Feld, die die Welt besser als ich in Pixel zerlegen, in x Programmen umsetzen, auf Stylesheets zeichnen und in Excel samt zehnter Ableitung berechnen, als quasi elektrische Schaltpläne skizzieren und als pdf zum Download speichern wollen.

Und keine Sorge, mit eventuellen Shitstorms komme ich hervorragend klar, und es wird viele andere Meinungen geben, dies hier ist meine persönliche Einzelmeinung zum Event. Ich war dann eben mal schweigend weg. Was mir noch auf den Senkel gin, die immer strahlenden, lachenden Gesichter, die anderen erzählen, wie toll sie doch alle sind, wie man sie aus Verkaufsvideos und aus der Verkaufspsychologie von Versicherungen und so fort kennt. Wer sich damit auskennt, dem geht das irgendwann auf sonstwas, es tut mir leid, das nervt unendlich.

Aber nochmal, es war eine tolle Idee, danke der Bundesregierung für diese Möglichkeit, ihr macht derzeit einen richtig tollen Job!

©denise-a. langner-urso