Helmut Kohl – Die Freiheit der anderen

Wenn dieses Land dem verstorbenen Altkanzler eins zu verdanken hat, dann die Gewissheit, dass die Freiheit vieler anderer teuer erkauft wurde, mit der Beschränkung der eigenen Freiheit. Erkauft mit eigener Unfreiheit, mit Anfeindung, mit dem Verlust persönlichen Glücks. Erkauft damit, dass dieser Mensch auf der einen Seite zwar im Rampenlicht stand, dass man sich aber kaum vorstellen kann, dass im persönlichen Umfeld und darin, wie dieser Mann nach seiner Amtszeit lebte, er tatsächlich Zufriedenheit, Freiheit und Glück gefunden haben kann. Kohl war durch und durch diszipliniert, auch auf Kosten der eigenen Gesundheit.

Ganz anders hingegen Helmut Schmidt, der gerne gesehener Ratgeber und Wegbegleiter war, auch für die Menschen, die er regiert hat, auch für folgende Generationen. Kohl hingegen lebte zurückgezogen, der Kontakt zu den eigenen Kindern ging gegen Null. Hat dieser Preis sich gelohnt?

Nun, die Frage werden wir nicht beantwortet bekommen, und doch muss man dankbar sein, dass es Menschen gibt, die ihr Leben der Gesellschaft so komplett zur Verfügung stellen, dass daraus am Ende zumindest ein Abschluss erfolgt, ein Resultat, wie eben die Einheit eines Staates, zumindest für einen Moment, für eine kurze Zeit, die den Höhepunkt an jenem denkwürdigen Tag vor dem Reichstag in Berlin fand.

Ja, das ist eine große Lebensleistung, das hat voller Konzentration des Lebens auf ein Ziel hin bedeutet. Und doch waren da viele andere im Hintergrund, die nicht im Rampenlicht standen, ohne die das nicht möglich gewesen wäre, und auch daran sollte man denken, und es waren zuerst einmal jene Menschen, die in einem abgeschotteten System den Mut hatten zu rufen: Wir sind das Volk. Und es waren denkbar günstige Zeiten zu denen dieser Ruf erfolgte. Und nie waren diese Worte wahrer.

Unsere Aufgabe ist es, uns daran zu erinnern, den Weg zu sehen, den wir seit dieser zeit gegangen sind, uns das Land einmal anzuschauen, mit offenen Augen, uns zu verinnerlichen, wie es war, bevor und als dieser Ruf über die Mauer schallte. Und zu dieser Zeit gab es einen Machtmenschen an politisch wichtiger Schaltstelle. Stand einer zur Verfügung, der bereits weiter dachte als viele andere. Der an ein ebenso eng miteinander verbundenes Europa dachte. Kohl hat den Schlussstrich unter das Lebenswerk Willy Brandts vollendet, es zum Abschluß gebracht, denn ohne dessen Kniefall ist der weitere Weg kaum vorstellbar.

Und wenn man ehrlich schaut, dann stellt man fest, ja, es sind im Verhältnis blühende Landschaften, zumindest aus wirtschaftlicher Sicht, die gemeinsam geschaffen wurden. Doch Landschaft alleine genügt nicht, all das muss erhalten und gepflegt werden, irgendwann will der gemeine Bürger auch profitieren, wenn es um gute Renten geht, um verbesserte Gesundheitsversorgung, im Bildungssystem, und überall dort gibt es massive Mängel. bei all der derzeitigen Erinnerung an den, an die, die sie mit ihren Unterschriften erst ermöglicht haben, diese Vereinigung, und darauf zu achten, dass niemand diese wieder zerstört, das ist die Aufgabe von uns allen. Und daran sollte man an diesem Tag denken. Die Trauer überlasse ich jenen, die ihn besser kannten, die ihm, Helmut Kohl, persönlich näher waren. Ja, ich bin dankbar für die damals guten historischen Voraussetzungen, die damals als Grundstein gelegt wurden, und dafür, dass Kohl diese zu nutzen wusste. Nicht mehr, nicht weniger. Und am Ende lasse ich ihn nochmals für sich selber sprechen

©denise-a. langner-urso