Marcel Reich-Ranicki – Buchstaben zu Literatur

Es gibt Menschen, vor denen kann man sich gar nicht tief genug verbeugen, ihnen gar nicht ausreichend danken. Zu diesen Menschen gehörte Marcel Reich-Ranicki, und enn in einem Menschen Buchstaben, Worte und Bilder leben können, dann war das bei ihm der Fall.

Seine Kritiken sind unvergesslich, es gab kaum spannendere Unterhaltung, die so viel lehrte, wie Diskussionsrunden mit diesem klugen Kopf, der so unendlich viel gesehen, so viel Schmerz erlebt hat, und dem es gelang, all das auch noch ganzen Generationen von Lesern begreifbar zu machen.

Marcel Reich-Ranicki war ein lauter Denker, einer, der eine Kinoleinwand in ein Buch zaubern konnte. Niemand konnte Geschichte bildlicher darstellen, sie besser beschreiben und begreiflicher machen als er. Wir haben ihm viel zu verdanken, nicht nur freie und unabhängige Zeitung, nein, wir verdanken ihm auch eine Sprache, wie nur er sie vermitteln konnte. Marcel Reich-Ranicki war die Deutsche Sprachlosigkeit während der Diktatur, die doch ihr Flüstern fand und war das neue Verständnis von Sprache nach dem Weltkrieg.

Wenn die Literatur überhaupt neu aufleben konnte, wenn es überhaupt wieder Medien geben durfte, nachdem Worte so mißbraucht worden waren, dann durch ihn. Marcel Reich-Ranicki, man kann sich nicht tief genug verbeugen.

Deutschland erlebt einen riesigen Verlust, denn mit ihm starb ein Stück Kultur, literarisch gesehen sicherlich auch das Qualitätssiegel, das nur dieser Mensch ihr verpassen konnte. Marcel Reich-Ranicki, man muss sich vor ihm verneigen, da er uns daran erinnerte, wie es ist, verzeihen zu können, was unverzeihlich ist. Marcel Reich-Ranicki war gelebte Versöhnung, eine menschliche Brücke im Neuanfang. Deutschland hat ihm unendlich viel zu verdanken.

Marcel-Reich-Ranicki war die Stimme Deutschlands nach dem Krieg, gab dem Schweigen den Schrei, Gesichtern Namen und ihr Echo darf nie verhallen …

©denise-a. langner-urso