Nu(h)r die Bühne mit dem Stammtisch verwechselt

„Assad ist eine ausgewiesene Drecksau“ – nein, nicht ich habe das so formuliert, dieser Satz fiel vor ein paar Tagen auf einer Deutschen Bühne, wurde von der ARD ausgestrahlt als ein Millionenpublikum vor dem Fernseher saß. Spätestens an dieser Stelle stockte mir der Atem, doch auch schon vorher hatte ich alle Mühe, ja musste mich wie immer, wenn Nuhr eine öffentliche Bühne im Fernsehen geboten wird, regelrecht zwingen, nicht den Kanal zu wechseln. Alleine beim Namen Nuhr sträuben sich mir die Rückenhaare, schwillt der Kamm.

Und ich brauche dann etwas länger um das zu verdauen und um mir zu überlegen, wie man das jetzt beurteilen soll, was da so unkommentiert von allen anderen Medien toleriert, erlaubt, gebilligt wird.

Nuhr bezeichnet das, was er da öffentlich vorträgt als Satireshow, und trotzdem bin ich der Meinung, da steckt aber auch kein kleines Bisschen von Satire drin, das ist Pöbelei, wie man sie allenfalls nach ein paar zu viel schlechten Bieren in irgendeiner finsteren Kaschemme am Stammtisch ertragen könnte, wenn überhaupt. Und ich betrete erstens solche finsteren Einrichtungen nicht und zweitens, selbst dort sollte man sein Mundwerk im Zaume halten, selbst im Suff -meine Meinung-.

Das was da Nuhr und die ARD im Rahmen der Toleranzwoche dem Zuschauer als Satire verkaufen wollten, das hat aus meiner Sicht die Grenze zur Toleranz weit überschritten, und auch das Thema, das Nuhr seinem Auftritt als Titel verpasst hatte, auch das lautete ja Nuhr mit Respekt/ Nuhr über Toleranz.

Was ist Satire, wie weit darf sie gehen?

Was aber tat Nuhr dort auf der Bühne, was so völlig am Thema vorbei war, wie es meist bei Nuhr der Fall ist? Nuhr sagte nicht nur den ersten von mir zitierten Satz, Nuhr bezog sein Publikum ja auch direkt ein, als er es bat, einmal nach rechts und einmal nach links zu schauen, um sich anzusehen, wer da so neben einem sitzt, oft ja eben der Ehepartner. „ Igitt, wie du wieder aussiehst, so etwas hätte ich früher nie angeschaut, jetzt muss ich diese Hässlichkeit samt Falte ertragen“.

Ich als Zuschauer spüre fast körperlich, wie mühsam Nuhr seine eigene Intoleranz versteckt, welche Vorurteile er selber kaum verbergen kann, wie mühsam es für ihn zu sein scheint, sich damit abfinden zu müssen in einer aufgeklärten, toleranten Gesellschaft leben zu müssen. Guck dir den oder das mal an, das bricht auf, was nicht mehr gesehen wird, jene Selbstverständlichkeit Menschen so zu nehmen, wie sie sind, weil man eben nicht auf Äußerlichkeiten schauen sollte, weil es der Charakter ist, der zählt, die kleinen Liebenswürdigkeiten. Und die wirft Nuhr, vielleicht ohne es selber zu bemerken, seinem Publikum vor. Er hält den Zuschauern vor, tolerant zu sein und bewirkt damit genau das Gegenteil dessen, was er behauptet tun zu wollen. Und in meinen Augen ist Nuhr somit ein fühlbar intoleranter Mensch, was ihm vielleicht selber gar nicht bewusst ist, ihm niemand sagt, und er fühlt sich spürbar unwohl auf seiner Bühne, denn die angeblich gepredigte Toleranz, daran fehlt es ihm selbst, weshalb er sein Publikum subtil beschimpft, wie es denn wagen kann, mit dem oder der im Zuschauerraum zu erscheinen.

Gelebte Toleranz ist wenn man Unterschiede nicht mehr wahrnimmt, nicht hinterfragt. Doch genau das tut Nuhr ununterbrochen.

Nuhr forderte sein Publikum dazu auf, Menschen nach Äußerlichkeiten zu beurteilen und diese hätten sie wohl oder übel zu ertragen. Toleranz ist etwas völlig anderes, Natürlichkeit. Tolerante Menschen sehen jeden Menschen zuerst vorurteilsfrei, denen fällt überhaupt kein äußerliches Merkmal auf. Die sehen nicht, welche Farbe der Nachbar hat, was er trägt, wie er sich bewegt, die ertragen nichts, was man ihnen ins Bewusstsein rufen muss, für die ist ein Zusammenleben mit Menschen anderer Kulturen, und so weiter völlig normal.

Nuhr aber fordert gerade dazu auf, sich die Unterschiede vor Augen zu führen und fragt somit subtil, wenn du noch einmal entscheiden könntest, was würdest du dann tun, wäre eine andere Entscheidung nicht besser gewesen. Nuhr also verlangt, Toleranz zu überdenken. Ob ihm das bewusst ist, was er damit anrichtet, anrichten kann, die Frage allerdings, die muss Nuhr für sich selber beantworten. Und genau deshalb ist Nuhr für mich so eine Qual, und doch, das gehört einfach einmal kommentiert, beobachtet, hinterfragt. Was ist Satire, wie weit darf sie gehen?

Und was ist ein Vorbild?

Nuhr hat aus meiner Sicht nicht nur das Gegenteil von Toleranz gepredigt, Nuhr hat auch die Grenze von Satire überschritten und Vorbildfunktion hat dieser Satiriker allenfalls darin, aufzuzeigen, was Satire eben nicht ist: Stammtischpöbelei.

Nuhr aber geht auf der Bühne regelmäßig noch weiter. Er fordert nämlich auch Respekt und gewisse Umgangsformen, speziell von Jugendlichen, etwas, was er selber nicht zu gewähren bereit ist, Nuhr prangert die Gesellschaft und Familien an, wenn er aufzeigt, wie Jugendliche sprechen, sich bewegen, mit älteren Menschen oder anderen Kulturen, anderen „Geschlechtern“ umgehen. Nuhr fordert quasi regelmäßig Vorbild zu sein.

Doch kann jemand wie Nuhr Vorbild sein, der sich auf eine öffentliche Bühne stellt und dort vor einem Millionenpublikum „ungestraft“: „Assad ist eine ausgewiesene Drecksau“ sagen darf? Überschreitet dieser Satz nicht das, was Satire eigentlich ist?

©denise-a. langner-urso