Politik – Wenn Digitalisierung auf Funklochapps reduziert wird

Die Bundesregierung hätte eigentlich eine Menge zu tun, in jedem einzelnen Ministerium und wird durch den Bremsklotz Seehofer derart gebunden, dass sie, wenn es um die Zukunft geht, überhaupt nichts in Angriff nehmen kann, und das nicht erst seit hundert Tagen, sondern bereits seit der letzten kompletten Regierungsperiode, eher noch wesentlich länger, denn weder das Parlament mit seinen dort vertretenen Abgeordneten und da alle, die dorthin gewählt wurden, seit mehr als einer Dekade, haben all das, was Digitalisierung betrifft, überhaupt nicht verstanden. Niemand, ich nehme ausdrücklich niemanden aus. Ganz zu schweigen von der Mehrheit der eigenen Bevölkerung, denn immer, wenn es in diesem Land um Digitalisierung geht und ging, geht es vorwiegend und bis heute um Panikmache, Angst und um alle Gefahren, die in diesem Bereich drohen. Von Anfang an bis heute. Auch das muss endlich einmal gesagt werden. Es geht nie, oder äußerst selten um deren Chancen, es geht höchstens um angeblich drohende Arbeitsplatzverluste, was überhaupt nicht der Wahrheit entspricht, wenn man sich damit einmal näher befassen würde. Ich empfehle jedem von uns und allen voran einmal nur einen Blick in eine Dokumentation, die bei ZDF Info in der ZDF Mediathek abrufbar ist, und die den Grobtitel Cybercrime trägt, denn an keiner Stelle wird besser beschrieben, wie sehr das Thema bereits verschlafen wurde, wie es verkannt wurde und wird.

Was will man aber auch von einem Land erwarten, in dem Helikoptereltern derart über ihren Kindern kreisen, dass diese bis zur dritten Schulklasse nur begleitet einen 1,5 Kilometer langen Weg durch eine sehr ruhige Wohngegend laufen dürfen, wie es erst vor kurzem in einem dritten Programm berichtet wurde? Nichts, seien wir ehrlich …

In der genannten Doku wird berichtet, wie händeringend bereits heute Großunternehmen wir Thyssen Krupp nach Spezialisten im Bereich Cyberabwehr suchen, wie andere Staaten wie die USA und Israel damit umgehen, wie alltäglich dort mit allem umgegangen wird, was mit Computern und dem Internet zu tun hat, wie dort in Schulen Pflichtfächer bereits in der Grundschule entstanden sind, seit es diese Technik überhaupt gibt, welche brillianten Jobmöglichkeiten sich für derart auskennende Schüler ergeben, welche Verdienstmöglichkeiten, und auch, dass alleine in Deutschland in diesem Bereich der Cyberabwehr irgendwo zwischen 2,5 – 5,0 Millionen Arbeitskräfte fehlen werden, und die werden ja bereits heute mehr als händeringend gesucht. Und das ist nur ein einziger Bereich!

Das Problem Computer und Internet, samt allem was damit zu tun hat, wird bis heute total verkannt, wird sträflich vernachlässigt, verteufelt. Stattdessen geht es um was? Um Steuern auf Unternehmen, in denen angeblich nur noch Computer stehen und damit verbundene Ängste. Sagt mal, liebe Politiker und Bürger, gehts noch? Mein allererster PC schwebte mir zufällig ins Haus, da war an heutige Möglichkeiten überhaupt nicht zu denken. Jemand der umzog, stellte ihn ab und meinte, das Ding könne ich behalten, er würde sich in der Heimat, Italien, ein anderes Gerät zulegen. Das Ding stand im Keller, fertig aufgebaut und der Bildschirm flimmerte gewaltig. Irgendwelche Tabellen gab es, irgendwelche Schreibprogramme, und ich wusste überhaupt nicht, was ich damit sollte. Komische Pappteile lagen dabei, die man in einen Schlitz stecken konnte, und das einzige was ich gesehen hatte, war eine Art Tennisspiel mit Strichen. Keine Ahnung, ob das Ding überhaupt online gehen konnte, aber ich fand es spannend, und auch wie man die Pappdinger nutzen konnte, fand ich blitzschnell raus. Immer mehr merkwürdige Spiele gab es da, und irgendwann war da auch was, was man runter laden und installieren konnte. Bis das Ding plötzlich nüscht mehr machte -putt.

Also herumtelefoniert, mit einem guten alten Telefonbuch irgendjemanden gesucht, der sich auskennt, und die Kiste dorthin gebracht. Sah aus wir auf einem Schrottplatz in der kleinen Kellerwerkstatt in diesem ganz stinknormalen Einfamilienhaus, und dort sah ich, was man wie und wo herumschrauben, austauschen und installieren kann. Spannender gings nicht, obwohl ich Frau war. Fortan war ich selber ununterbrochen irgendwie am basteln, ein neuer Computer jagte den näch ten, die Altteile, sofern irgendwie funktionsfähig, bekam mein damals 11 jähriger Sohn, der einen Freund hatte, der ebenfalls mit solchen Dingern bastelte. Ausprobiert wurde was auf den Markt kam. Und wir waren mit einem Modem rasant schnell online, sobald das ging. Ich kann nicht mehr sagen, wie viele Computer durch die Hände von meinem Sohn und mir gegangen sind, es wurde ununterbrochen um- und aufgerüstet, sein Freund jedenfalls schrieb bereits mit irgendwas um die 13 Jahre sein erstes eigenes Computerspiel und verkaufte es, und als das erste WoW aufkam, zockten wir wie die Blöden. Ein Spiel jagte das nächste, Webseite musste sein, online plötzlich die Möglichkeit für mich Gedichte zu schreiben, ganze Bücher, all das samt Bildern, und die malten meine Kinder, zu veröffentlichen und so ging es immer rasanter. Hinzu kam das erste sauteure „Kofferhandy“, auch in dem Bereich jagte ein Teil das andere, Altteile wurden gewinnbringend verkauft. Kannst dir heute gar nicht mehr vorstellen.

Und heute? Kennt sich jeder in meiner Familie fast besser aus, mein Sohn hat in dem Umfeld studiert, ebenso sein Freund, beide werden wohl immer irgendwo recht gut verdienen, und sei es auf selbstständiger Basis. Derweil staunten wir über die Panik, die sich ausbreitete, über Computersucht, über die damit verbundenen Gefahren und das Unwissen und können es bis heute nicht fassen, wenn mal wieder berichtet wird, mit welch veralteter Software teilweise gearbeitet wird, wie wenig heute schon Menschen über Viren, Würmer und Co und vergessene Updates informiert sind, wie erschrocken sie sind, wenn sie mal wieder auf Links in Mails geklickt haben, wie erstaunt die eigene Regierung ist, wenn sie gehackt wird durch Mittel, die einem, wenn er sich etwas mit der Materie befasst, einfach nicht passieren könnten. Und dann wird mal wieder über Digitalisierung von Schulen gefaselt, im Vordergrund aber stehen bei allen Diskussionen mehr die damit verbundenen Gefahren. Auf der anderen Seite schwafelt eine Politikerin von der Anschaffung von Burkinis, damit jeder am Schwimmunterricht teilnehmen kann, derweil die Dame viel mehr von der ganz selbstverständlichen Neuanschaffung von Tablets für jeden Schulanfänger in bestens vernetzten Schulen reden müsste.

Kein einziger Bereich ist heute mehr ohne diese Technik vorstellbar, kein einziger Arbeitsplatz kommt ohne sie aus, keiner. Nicht einmal im Privatleben irgendein Ort, an dem nicht mindestens ein hochmodernes Gerät stünde, welches internetfähig, zumindest ohne Programmierung per Computer auskommen würde. Und doch herrscht hier die Angst vor, wir hätten in der Zukunft plötzlich keine Arbeitsplätze mehr zu vergeben. Wie wäre es denn mal mit nachdenken? Nö, da haben Kohlekumpel angst, sie dürfen morgen keinen Kohlestaub mehr einatmen. Sorry, aber es gab mal was, das nannte sich Fort- und Weiterbildung. Und die geht sogar von daheim, die funktioniert online wie offline, man muss nur wollen, in der digitalisierten Welt gibt es die Hölle offener Jobs.

Ups, ich glaube ich ducke mich an der Stelle lieber weg und höre auf, bringt ja doch nicht, wenn nicht einmal Politiker vorhanden sind, die dieses Umfeld verstehen, und stattdessen lieber versuchen, all das, was das Internet an Chancen bietet, zu regulieren, weil bereits zu Beginn dieses Zeitalters alles verpennt wurde, was möglich gewesen wäre. Das beste Beispiel ist die DSGVO …

Sorry, aber ihr habt es alle nicht verstanden, und wer Angst hat, braucht halt Gesetze und Verbote und muss sich auf irgendwelche Springer-Lobbyisten verlassen, wer es nicht verstanden hat, warnt bis heute und spricht von Sucht und Gefahr. Tut mir leid, aber so wird das nichts. Und dass man der eigenen Bevölkerung bis heute nicht auf dem Weg in dieses Zeitalter geholfen hat, ist unverzeihlich, sonst würden unsere Kinder und Enkel längst vernetzt lernen, wären wesentlich weniger Menschen skeptisch, würden weniger auf Betrug und Co reinfallen.

Und wenn ich mir in dem Zusammenhang anschaue, in wessen Ministerium die Verantwortung seit 100 Tagen liegt, und womit man sich da befasst, könnte ich rund um die Uhr kotzen. Kein Staat kann dauerhaft existieren, wenn er meint, er müsse nur eben mal nationale Grenzen schützen, dann werde alles gut. Gut wird es dann, wenn es Politiker gibt, die wissen, wie die technisierte Welt funktioniert und dafür sorgen, dass das Land vor Cyberangriffen geschützt werden muss, und dass in allen damit verbundenen Bereichen Arbeitsplätze wie Heu umher liegen und die heutige Kohle online, bei Soft und Hardware und digital zu schürfen ist. Nirgendwo sonst.

Es reicht! Ich glaube, wir brauchen gut gebildete Amerikaner, Israelis und Inder in Regierungsverantwortung, statt einem bayrischen Hinterwäldler namens Seehofer, der sich vermutlich erst von einem Praktikanten erklären lassen muss, wie man einen Computer, ein Tablet, Handy oder Laptop überhaupt einschaltet. Alle Menschen, die dieser Heimatminister hier abwehren will, sind vermutlich, wenn es um Technologie und Zukunft geht, besser gebildet und ausgebildet, als er und unsere Kinder, wenn sie die Schule verlassen. Wir und unsere Unternehmen werden uns mit dieser Regierung noch schwer umschauen, wohin all das führt. Nur eins ist klar, in eine bessere Zukunft ganz sicher nicht …

Jedesmal, wenn ich heute Deutschland und Technologiestandort in einem Satz höre, kriege ich mich vor Lachen nicht mehr ein.

Aber gut, Garagen und was man in diesen tun kann sind halt nicht so unser Ding, es sei denn, es gibt was, was neidische Nachbarn gerne verbieten würden. Isso. Bei uns wird Zweckentfremdung geschrieen, wenn du in der eigenen Garage deine Nagelfeile verlierst, oder dir einfach einfällen lassen willst, wie du in einer Einfamilienhaussiedlung mit vielen anderen Eigentümern nur das Garagentor anders lackieren willst, als die anderen.

Ein heutiger moderner Standort braucht vor allen Dingen eins, radikal weniger Bürokratie und wesentlich mehr Freiheit und Förderung für jeden einzelnen Bürger, statt Angst vor diesen.

©denise-a. langner-urso