Immer wieder wird über den Sinn und Unsinn sozialer Netzwerke diskutiert, und langsam kristallisiert sich heraus, das Ding braucht einen anderen Namen, der dem entspricht, wofür sie eigentlich stehen, denn sie sind viel, aber ganz sicher nicht sozial.
Die kleinste soziale Einheit, die ihren Namen zu Recht trägt, das ist die Familie, später kommt die Kindertagesstätte, die Schulklasse, der Verein, der eigentliche Freundeskreis, in dem jedes Mitglied eine ganz besondere Berechtigung hat hinzu.
Mit dem Internet sind Netzwerke entstanden, die hingegen ihren Namen völlig zu Unrecht tragen, denn zu dem, was wir sozial nennen gehört auch der persönliche Kontakt, die Mimik und Gestik des Gegenüber. Darüber definiert sich das, was man überhaupt sozial nennen kann.
Dass soziale Netzwerke den persönlichen Kontakt nicht ersetzen können, das führt uns derzeit niemand besser vor Augen, als die Piratenpartei. Was bringt schon das Liquid Feedback, dass zwar zu mehr Zusammenarbeit führen soll, zu neuen Ideen, mehr Klarheit und Offenheit, wenn die anonymen Menschen dahinter im wahren Leben sich nicht riechen können, wenn sie aufeinander treffen? Bei den Piraten wird das besonders klar. Treffen die Akteure aufeinander, dann entlarvt die Mimik, die Gestik in Sekundenbruchteilen ganz schnell jenen Akteur, den man bisher nur aus schriftlichen Mitteilungen kannte. Das Gehirn, den Instinkt kann man nicht betrügen. Spätestens dann, wenn Person A Person B persönlich trifft, erkennt man schnell den Windbeutel. Hinter der Körpersprache kann sich niemand verstecken.
Wären Parteien anonym regierbar, aus dem Netz sozusagen, kann viel verborgen werden, was für die Einschätzung der Person unabdingbar ist, für den Aufbau einer Beziehung, die Zusammenarbeit, ein Team. Auch bei normalen Gruppen, bei der Arbeit, in der Schule ist das so. Wäre es so simpel, könnten Unternehmen ihre Bewerber nur über völlig anonyme Verfahren auswählen. Was aber, wenn jener vorgibt zu sein, was er eben nicht ist? Im so genannten Sozialen Netzwerk kann Mann zu Frau und Erwachsener zum Kind werden, Betrüger sind so gut wie nicht zu enttarnen, selbst Fotos können gefakt sein. Im echten Zusammentreffen geht all das eher nicht, bis auf wenige Ausnahmen, versteht sich, denn Hochstapler wird es immer geben.
Natürlich sind Soziale Netzwerke wichtig, sollten aber eher den nahmen Working Network tragen, denn dieser Name wird ihnen gerechter und beschreibt besser, was sie eigentlich sind. Arbeiten verschiedene Firmenteile an einer Aufgabe in unterschiedlichen Städten, sind sie unabdingbar, können zum Erfolg des Projektes beitragen, aber den persönlichen Kontakt ersetzen sie nicht, hinzu kommen Videokonferenz, Skype,Teamspeak.
Was die Piraten ausmacht, so zeigt sich aber das Versagen der Netzwerke, des Internets, wenn man persönlich aufeinander trifft, dann wird schnell klar, Politik ist Schwerstarbeit, man muss Kompromisse finden. Beleidigungen finden um Gegner auszuschalten im Vieraugenkampf um Posten statt, weniger aber im Netz, denn dort sind sie längst nicht so schwerwiegend, wie im Angriff auf die Person, die Demütigung vor einer Gruppe.
Aber auch anderweitig versagt das Internet. Schauen wir uns einmal den immer wieder totgesagten Buchmarkt an. Bücher werden nicht weniger gelesen, jedenfalls noch nicht. Es geht nichts darüber, Seiten umblättern zu können, per Eselsohr zu markieren, statt ein Display zu verfetten, quasi eine Lupe bemühen zu müssen. Buch bleibt Buch, egal, ob es um den Geruch geht oder um das Cover.
Sehr oft trifft man jemanden, der ein Buch bei sich trägt, dessen Einband schon verführerisch ist. Schnell kommt man ins Gespräch, fragt man, was der Mensch gerade liest. Das Buch als soziale Basis. Wer aber kommt schon auf den Gedanken, jemanden zu fragen, der etwa ein Handy oder ein Kindle, ein anderes Medium studiert, dass Bücher beinhaltet zu fragen, ob er gerade und was er liest? Wohl kaum jemand, schließlich kann es sich auch um einfaches Surfen oder darum handeln, dass gerade eine Mail geschrieben wird. Hier siegt der Anstand den anderen nicht zu belästigen, zu stören, verhindert soziale Kontakte, führt sogar das Buch vielleicht noch weiter zur Vereinsamung einer immer mehr sich in virtuelle Welten zurückziehenden Ellenbogengesellschaft, die nicht mehr oder weniger kommunikativ und teamfähig ist.
Auch bei den Telefon- und Branchenbüchern ist das der Fall, wesentlich schneller fündig wird man noch immer im Papierwälzer, der ja in Regionen derweil schon durch spezielle Mini-Hefte ersetzt ist, die samt Karte Handwerksbetriebe und Ärzte, Apotheken ect. aufweisen. Zudem macht man sich vom Betrieb lieber vor Ort ein Bild, anstatt sich auf anonyme und sehr oft verfälschte Netzempfehlungen zu verlassen.
Hinzu kommt ein weiteres Problem im Internet, eher selten halten Branchenbücher, was der Name verspricht, meist landet man bei Visitenkartenwüsten, die noch dazu sehr bedienungsunfreundlich sind. Regional aber bieten Städte und Gemeinden Branchenbücher im Netz an, die so übersichtlich sind, dass es eine wahre Freude ist, sich ihrer zu bedienen, man muss sie nur kennen. Oft sind diese jedoch über die Informationsseite der Gemeinde oder des Kreises verfügbar, und man merkt ihnen an, dass dort wie in unserem Beispiel am Branchenbuch für Deutschland (als Anschrift unter: Das Branchenbuch branchen-info.net zu finden), das vielleicht nur wenige bisher für sich entdeckt haben, sich Experten richtig den Kopf zerbrochen haben, wie so etwas bedienerfreundlich und übersichtlich zu gestalten ist. In solchen Fällen kann getrost auf das gute alte Buch verzichtet werden.
Was aber bleibt als Fazit? Mediale Welten können soziale Netzwerke nicht ersetzen, denn erst in der Realität werden Beziehungen (welcher Art auf immer) zur bewährungsprobe, nur dort kann Politik letztendlich stattfinden, wo Menschen miteinander reden, sich riechen können, Kompromisse erarbeiten können. Computer werden keine Politiker und Politiker keine Maschinen. Und das gilt überall, in der Familie, wo die gute Mutter auch eher selten ersetzt werden kann, im Freundeskreis, wo man bemerkt, wenn ein Kumpel fehlt, im Job, wo ein Team eben auf jeden Einzelnen angewiesen ist.
Echte „Soziale Netzwerke“ entstehen nur dort, wo das Leben tobt, in dem, was wir als unsere Umgebung, die Aussenwelt, was wir als die Gesellschaft bezeichnen und sonst gar nicht. Soziale Netzwerke können nur eins wirklich, Unternehmen helfen, wie Medien, um Nachrichten schnell zu verbreiten oder dienen Unternehmensbereichen, die weit auseinander liegen zum schnellen, günstigen und einfachen Datenaustausch. Das ist es, das war es, nicht mehr! Und deshalb nennt sie auch endlich bei ihrem richtigen Namen: Working Networks …
©denise-a. langner-urso