Siemens – Stellenabbau, der kein wirklicher ist

Man muss schon diverse Quellen durchforsten, um feststellen zu können, ob ein Stellenabbau wirklich ein Stellenabbau oder ob er nur Verlagerung von Stellen an für einen Arbeitgeber besseren Standort bedeutet, weil zum Beispiel Sozialkosten und Löhne an anderen Orten günstiger sind, weil dort auf Arbeitnehmerschutz nicht so genau geachtet werden muss, weil die Arbeitszeiten dört länger, der Urlaub kürzer ist, sprich, ob Arbeitnehmerrechte dem Gewinnziel von Aktionären nicht diametral widersprechen, auch durch Steuerpolitik. Denn das ist oft die bittere Wahrheit: ein Standort wird gewechselt, weil Aktionäre befriedigt werden sollen.

Siemens, dort fallen ja derzeit angeblich massiv Stellen weg, auch in Deutschland, doch vergleicht man Berichte, so stellt man urplötzlich fest. Hallo, ups, die Stellen werden ja nur verlagert …

Deutschland rennt der Zukunft nach

In Deutschland gilt der Mindestlohn, und natürlich wird kein Arbeitgeber dieser Bundesregierung direkt ins Gesicht sagen, Deutschland ist uns zu bürokratisch, demnächst ohnehin zu teuer, und übrigens neue Technologien betreffend derweil tatsächlich zu rückständig, und übrigens, es mangelt auch gewaltig an Grundwissen bei Schulabgängern und also neuen Auszubildenden im Bereich der Bedienung neuer Medien.

Man lässt es den Standort auf andere Weise spüren, was alles schief läuft, man muss nicht zum X-ten Mal sagen, wo Investitionen fehlen, wo Nachholbedarf besteht. Irgendwann hat man sich den Mund so fusselig geredet, dass es reicht, zumal wenn man seitens der Industrie und Wirtschaft begreift, die, die neue Generationen zuerst erziehen, die Eltern nämlich, ziehen ohnehin nicht mit, weil Kunst- und Musikunterricht eben aus deren Sicht einen höheren Bildungsstandard vermitteln als der Umgang mit neuen Medien. Da kann Industrie noch so viele Computer und Tablets an Schulen spenden wollen, es fehlen die Anschlüsse, es fehlen die Lehrer, es existiert Widerstand in der Elternschaft gegen solchen Unterricht, denn das Vorurteil, Kinder würden am Computer alleine das Zocken erlernen, das ist in Deutschland viel zu tief verankert.

Mindestlohn, schlechte Bildung, hohe Steuern, lebensferne Bürokratie

Deutschland hat Nachholbedarf in vielerlei Hinsicht, daher der Ruf nach Fachkräften, doch welche Fachkräfte gemeint sind, nämlich solche, die beim Schulabgang halbwegs fit sind im Umgang mit neuen Medien, und denen man nicht erst mühsam beibringen muss, dass DSL nicht Deutsches Siegel für Landwirtschaft bedeutet, das will die konservative Gesellschaft einfach nicht wahrhaben. Irgendwann ist man des Redens müde, werden Verluste gemacht, wenn man nicht handelt, der geeignete Nachwuchs nicht gefunden werden kann und wenn zudem der nachzubildende Löhne erhalten Soll, die in so einer Situation jedem Fass den Boden ausschlagen. Kein Unternehmen ist schließlich dafür verantwortlich, Schulabgänger erst mühsam nach schulen zu müssen in dem, was in anderen Staaten vorhanden ist, und dafür bräuchte es vermutlich ein zuzügliches Lehrjahr. Auch das gehört endlich einmal gesagt.

Siemens also baut Stellen ab, und zumindest ein Medium berichtet auch in einem Artikel darüber, dass diese Stellen nicht gestrichen sondern schlichtweg dahin verlagert werden, wo entweder die Arbeitnehmer besser geschult, die Steuersituation günstiger, die Arbeitnehmer billiger sind. Wobei sicher man hätte Stellen in Deutschland hätte halten können, wenn Deutschland nicht in sämtlichen Punkten schlechter stünde als andere Mitgliedsstaaten der EU.

In der Berliner Zeitung heißt es in ihrem Artikel: Personalabbau Siemens lässt die Katze aus dem Sack

Teile der Buchhaltung gehen nach Tschechien, Teile der IT nach Indien und 80 Augsburger Stellen nach Großbritannien.

Indien, die IT, nachvollziehbar. Buchhaltung: Tschechien, neuer Mindestlohn, weniger Bürokratie als durch dessen Einführung, und warum ein Geschäftsteil nach Großbritannien geht, das dürfen sie sich gerne selber beantworten, man schaue sich nur andere Großkonzerne und die unterschiedlichen Steuersysteme der Länder an …

Deutschland: egoistischer Hemmschuh

Wenn es Europa nicht gelingt, ein einheitliches, zukunftsgerichtetes Bildungssystem zu schaffen, dann gute Nacht, und dazu gehört eben auch, dass Kenntnisse in Linux Programmierung und Co mehr wert sind, mehr Kapital bringen, als Wissen um Monet und Renoir oder Mozart, dass die EU ein einheitliches Steuersystem braucht, dass Sozialsysteme, Rentensystem und Lohnsystem einheitlich geregelt werden müssten. Aber davon ist die EU weiter entfernt als je zuvor, und Deutschland in seinem Konservativismus muss sich die Frage stellen, ob es Europa alleine als Geldvermehrungsmaschinerie oder als echtes Bündnis nutzen will, dass allen nützt und nicht nur einem Staat Vorteile und Überschüsse bringen soll, denn genau danach sieht es aus, Deutschland missbraucht die EU zu eigenen Zwecken, zum eigenen Vorteil, und wenn jemand nicht in diesen Laden gehört, dann Deutschland. Und das sollten die anderen EU Staaten Deutschland endlich ins Gesicht sagen …

Die Wahrheit schmeckt bitter

Und den Medien sei gesagt, es ist ihre Aufgabe das den Lesern und der Bundesregierung um die Ohren zu brettern denn immer schneller verlagern Konzerne das was ihnen vernünftig erscheint dahin, wo sich für ihre Einzelsparten bessere Voraussetzungen finden. Und sie werden weiter abwandern, dahin, wo politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich mehr Verstand herrscht, wo man sich nicht konservativ zurück zieht aus Angst vor der Zukunft, der man längst hinterher rennt. Deutschland will führen? Ja wohin denn bitte? In die Vergangenheit? Deutschland, das bis heute seine Vordenker solange auslacht, bis das erdachte Produkt serienreif und als Massenware aus China importiert wird? Dieses Deutschland, wo die Gesamtgesellschaft lieber Häuser zu Tode isoliert, bis der Schimmel wuchert, statt nachhaltig, ökologisch und ökonomisch sinnvoll zu bauen, dieses Deutschland will tatsächlich Europa führen? Sorry, aber ein Land, das dicke Mauern baut und das immer massiver, und alleine in extrem egoistischer, selbstbezogener Gewinnsucht, dem sollte man die Führung Europas lieber nicht überlassen …

Zukunft kostet Geld, und das will Deutschland nicht ausgeben, das beweist die Schwarze Null Schäubles täglich! Und Zukunft kostet Anstrengung und Aufklärung, aber die hatten wir ja bereits, die Zeit der Aufklärung, und die fordern wir allenfalls noch von rückständigen Islamisten, von Anstrengung einmal ganz zu schweigen, da sind gewisse zukunftsverhindernde, rückwärtsgerichtete Arbeitnehmerrechte vor, die sich für diesen selber als Falle erweisen, nicht nur in Deutschland …

©denise-a. langner-urso