Tsipras versus Yahoo – „Sozial“ gegen radikal-neoliberal

Tsipras hat also seine Regierungsmannschaft vorgestellt, gleichzeitig schafft es der Konzern Yahoo 40 Milliarden am Fiskus vorbei zu schleusen, seine Aktionäre zu beglücken, und uns stellt sich die Frage, in welcher Art von Gesellschaft wir leben wollen. In einer, wo man die Ärmsten im Blich hat oder in einer, die die Aktionäre bedient, Reiche, die im Rahmen von Bankenrettungen von den Steuerzahlern gerettet wurden, und die vorher und danach und immer weiter Steuervermeidung bis zum Abwinken exerzieren.

Und diese Frage stelle ich mir, wenn ich an Griechenland denke. Und mich verwundert die tendentiöse Berichterstattung Tsipras betreffend, die ich für alles andere als neutral halte. Sicher ist die eingegangene Koalition nicht das gelbe vom Ei, im Gegenteil, aber auch bei uns haben Parteien oft nur eins im Sinn, Machterhalt, und da ist dann jeder gerne gesehen, der genau das garantiert. Sagt man nicht, nimmt man aber gerne in Kauf. Auch das ist ein Stück Wahrheit.

Und wer regt sich über die Steuervermeidungsstrategie von Yahoo auf?

Niemand!

Yahoo betreffend in keinem Artikel ein Seitenhieb, nirgendwo ein Kommentar zur Steuervermeidung und wie sich so etwas auf Infrastruktur, Bildungssystem und Co auswirkt, X Kommentare hingegen in Richtung Tsipras, welche Gefahr das birgt. Das finde ich schon einseitig.

Dass Tsipras hingegen im Staat 7 Ministerien weniger schafft, also am Staat selber beginnt zu sparen, das findet sich in einem Satz, derweil es anderen Medien der Aufreger des Tages und Untergang des Abendlandes gewesen zu sein scheint, dass Tsipras nicht seinen Amtseid auf die Bibel schwört. Unglaublich, er schwört auf Ehre und Gewissen. Und ja, Gewissen, das ist es, was bei Abstimmungen und Entscheidungen zählen sollte, nicht die Wiederwahl oder was die Partei von Gegenstimmen aus den eigenen Reihen hält.

Und natürlich ist es der Oberhammer, dass Tsipras aus der EU ausschert und sagt, es trägt die Sanktionen gegen Putin nicht mit. Kann es vielleicht sein, dass Tsipras dabei daran denkt, wie es der Bevölkerung in Putins Reich geht? Aber nein, man unterstellt Tsipras umgehend ein Putinfreund zu sein. Aber hat man ihn danach gefragt, ob er das ist? Könnte es nicht sein, dass hier einfach ein neuer Staatschef daran denkt, wer eigentlich tatsächlich am meisten unter den Sanktionen gegen Putin zu leiden hat, ein Mann, der sieht, wie sich das auf die Bevölkerung auswirkt, und wäre das tatsächlich so schlimm, dass ein Politiker an die Menschen, die Bürger denkt?

Auf Ehre und Gewissen

Wie ehrenhaft ist es eigentlich, wenn ein Vorgänger seinem demokratisch gewählten Nachfolger nicht gratuliert, wenn er im Gegenteil noch alles versucht, um seinem Nachfolger das Regieren möglichst schwer zu machen, denn offensichtlich wurde das griechische Volk ja noch um das von Steuermitteln bezahlte Klopapier und die Seife in den Amtsräumen bestohlen. Das ist ehrenvoll, darüber regen wir uns nicht auf?

Wir aber regen uns über alle Foren hinweg sehr wohl darüber auf, dass offensichtlich jedem Steuerzahler Deutschlands monatlich ein paar 100 Euro vom Konto abgebucht werden, nur damit sie umgehend auf dem Konto eines arbeitsscheuen Griechen landen …
Merkwürdig nur, dass ausgerechnet die Konten meiner kompletten Familie, aller meiner Bekannten und Freunde bisher verschont blieben.

Was hingegen sehr wohl geschehen ist, ist eine Bürgschaft für die Gewinne von quasi „Yahoolern“, also Großaktionären und Banken zu übernehmen, diese zu garantieren, sie am Leben zu erhalten, deren Verluste zu begrenzen, wenn wir es ehrlich betrachten. Nur über das Vorgehen von Yahoo regt sich niemand auf, kein Politiker, die Medien nicht, die EU-Politik nicht, die Bürger nicht, die Foristen, die über Tsipras sich aufregen nicht, so gut wie nicht. Toll, geniale Leistung.

Tsipras stellt für uns alle die Systemfrage

Und jetzt einmal Klattext: Welches System wollen wir eigentlich? Das von Yahoo, dass Konzerne gar keine Steuern mehr zahlen lässt, oder wollen wir nicht doch einfach einmal einem System Tsipras wenigstens erst einmal die Chance geben, vielleicht genau solche Konzerne zur Kasse zu bitten, solche kriminellen Politiker zur Mitverantwortung zu zwingen, die den Steuerzahler auch noch um Klopapier und Seife bescheißen?

Dass das auch hier einigen unserer Politiker nicht gefallen mag, die Interessen von Konzernen per Lobbyisten über die eigene Bevölkerung stellen, das dürfte klar sein, und doch, Tsipras hat eine Chance verdient, sonst muss Politik sich nicht wundern, wenn hier weiterhin Montag für Montag Pegida marschiert, denn hinter den Märschen steckt eine Menge mehr Unmut als nur die Angst vor der Islamisierung des Abendlandes. Es ist nur derzeit kein anderer als Rechte da,der vorweg geht, der die Interessen der Bürger, die um Rente und Arbeitsplätze bangen, auffängt. Und die SPD, die das einst tat, die hat längst bewiesen, dass auch ihr Herz tatsächlich mehr und mehr für Yahoo denn für die schwächsten Bevölkerungsteile schlägt.

Und jetzt kommt die Frage hinzu, ob Europa mit dem TTIP weiter in Richtung System Yahoo marschiert …

Ich habe meine Entscheidung getroffen und billige Tsipras einen Versuch zu, nachdem das System Yahoo versagt hat, das System Yahoo Sozialsysteme mehr schädigt, als es nützt. So einfach ist das. Wenn ein System versagt, Massen verarmen lässt, dann sollte man ein anderes zumindest ausprobieren. Denn nichts ist für die Ewigkeit, auch das System Tsipras nicht und in Demokratien gibt es immer die Möglichkeit zu wählen. Und das alleine zählt. Griechenland hat das System Yahoo abgewählt, vorerst …

Und das haben wir, die wir uns Demokraten nennen, verflucht nochmal zu akzeptieren. Und jetzt lehnen wir uns zurück und schauen, wohin uns und Griechenland, das führt. Und jetzt erst einmal Ruhe bitte!

Übrigens wurde auf der ersten Sitzung beschlossen:

Griechische Staatsbürgerschaft für alle Kinder von Migrant_innen, die in Griechenland geboren und aufgewachsen sind. Soviel zum Rechtsruck …

©denise-a. langner-urso