Türkischer Zensurversuch in Deutschland

 

Hin und wieder erfahren wir vom Einfluß, den der türkische Präsident versucht auf seine Landsleute zu nehmen, wenn er zum Staatsbesuch kommt oder im Wahlkampf ist. Jetzt hat es einen eher unbemerkten Versuch gegeben, auf ein Theater Einfluss zu nehmen, dazu hier eine Pressemitteilung, in der wir einige Links zu weiteren Informationen gesetzt haben, damit unsere Leser sich ein besseres Bild machen können. Außer den weiteren Verlinkungen haben wir hingegen nichts verändert. In jedem Falle aber sollte man solche Versuche ansprechen, denn ein solcher versuch geht zu weit. Es geht um Literatur und um das Theater, um Kunst in historischem Zusammenhang, um Aufarbeitung von Geschichte, und da sollte Politik außen vor bleiben. Es kam übrigens auch zu Demonstrationen. Wer Putin kritisiert, der muss auch hier kritisieren und die Stimme erheben. Die Kanzlerin sollte dazu ein paar Worte sagen.

PRESSEMITTEILUNG:

Erst schaltet der türkische Ministerpräsident im eigenen Land das soziale Netzwerk Twitter ab, dann schickt er seinen Generalkonsul los, das deutsche Theater zu zensieren.

Zwei Ereignisse, die zwar nicht im Zusammenhang stehen, die für den Armenisch-Akademischen Verein 1860 e.V. (AAV) aber alarmierende Anzeichen sind, dass die Türkei sich mehr und mehr von den Werten westlicher Kultur entfernt und ganz offensichtlich die Annäherung an Europa endgültig aufgegeben hat.

Mit massiven Protesten hat die türkische Regierung versucht, die Konstanzer Premiere des „Märchens vom letzten Gedanken“ nach dem preisgekrönten Roman von Edgar Hilsenrath zu torpedieren. Das Theater hat sich in seinen Planungen nicht beirren lassen, woraufhin der türkische Generalkonsul in Karlsruhe verlangte, den Theaterbesuchern zumindest die türkische Sicht der Dinge nahe zu bringen. Wie aber soll man, fragt der AAV, deutschen Theaterbesuchern erklären, dass die Leugnung eines unvorstellbaren Menschheitsverbrechens, nämlich des türkischen Völkermords an den Armeniern, die Position eines zivilisierten und auf vielerlei Weise mit dem Westen verbundenen Staates sein kann?

Zensur zu Hause und eine Kampagne gegen die Freiheit der Kunst in Deutschland: Das ist, so der AAV, das Bild, das die Türkei zur Zeit den
staunenden Beobachtern bietet. Indem Ankara versucht, ein Theaterstück über den Völkermord von 1915 zu hintertreiben, beweist die türkische Regierung einmal mehr ihren Unwillen, sich der eigenen Geschichte zu stellen und endlich einen Einstieg in eine längst überfällige Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit in die Wege zu leiten.

Der AAV weist darauf hin, dass Deutschland diesen schmerzhaften Weg gegangen und damit seine Position in der Welt hat finden können:

„Geschichte steht nicht nur in den Büchern, sie geschieht in unseren Köpfen. Wer die Geschichte leugnet, verliert die Zukunft.

©Pressemitteilung: AAV

©Vortext: denise-a. langner-urso