Vermeintliche „Volksmeinung“ in Foren – Und was tun die Politik und wir? …

Es ist ruhig geworden in den Zeitungen, wie es immer ruhig wird, wenn es scheinbar keine großen Themen gibt, obwohl diese vorhanden sind,wie zu der Zeit, als die Causa Wulff auf der Tagesordnung stand. Momentan aber sind Zeitungen eher zu einem Sammelsurium verschiedenster Themen geworden, eher Nachrichtenticker, denn kein Thema scheint so brisant zu sein, so zu interessieren, wie eben der damalige Bundespräsident. Es gibt kein Empörungsthema, das den Deutschen interessiert.

Die Deutschen sinds zufrieden, der Präsident ist ersetzt, und dass der neue Amtsinhaber ein U-Boot ist, abgetaucht und ebenso auf Schleichfahrt, das scheint ihnen gerade recht. War doch der alte Präsident einer, der den Deutschen an die Nieren ging, weil da eben jeder Bundesbürger das anerzogene: Das tut man nicht, das gehört sich nicht-kleinbürgerliche Empörverhalten bespielen konnte.

Oder sagen wir es anders, die Deutschen sind lethargisch immer dann, wenn sie nicht selbst betroffen sind, wenn ihr eigener scheinbar so guter Ruf nicht beschädigt wird, wenn alles in geordneten Bahnen verläuft, wie es sich gehört. Wenn sie zur gewohnten Zeit in ihrer Firma antanzen können, wenn am Abend Pantoffeln, Bier und das Essen auf dem Tisch stehen, Fußball und Tagesschau wie gewohnt berichten, dass die Arbeitsmarktzahlen bombig sind, das Wetter stimmt und eine Meisterschaft ansteht, dann stimmt ihre kleinbürgerliche Welt, zumal dann, wenn ohnehin bald die Urlaubszeit winkt. Nichts wird dann noch zum Aufreger, dann muss wohl auch die Politik einen guten Job machen, wird politisches geschehen abgehakt, denn direkt betroffen ist man schließlich nicht.

So wohl ist es auch zu erklären, dass Menschenrechtsverletzungen den Deutschen eher wenig interessieren, ihm geht es ja gut, wenn er das Elend anderswo betrachtet, und auch hier greift wieder die gute Erziehung, wegschauen, man mischt sich nicht ein. Das haben die Deutschen verinnerlicht, jeder kümmert sich um sich selbst, auch wenn nebenan aus der Wohnung Jammern und Schreie zu hören sind, die eines Kindes, die einer Frau, hinter der Wohnungstür geht einen nichts etwas an, das ist Privatsache.

So verfährt der Deutsche auch dann, wenn es um die Nachbarn der EU geht, um solche, die Nachbarn sind, selbst wenn die auf einem anderen Kontinent leben, denn die Welt ist ja nun einmal begrenzt. Was außerhalb der deutschen Wand passiert, das tangiert nicht, da kann man nichts machen, die Aufgabe haben andere, die Politik, Diplomaten, ect., Mama und Papa quasi. Man legt sich ins gemachte Bettchen, zieht die Decke über den Kopf und versucht die Welt zu vergessen, einzuschlafen.

Und doch gibt es Themen, die die Menschen interessieren sollten, die aber die Deutschen allenfalls dann interessieren, wenn ein F1 Rennen oder ein Fußballevent nicht stattzufinden drohen, wenn der Deutsche in seiner Freizeit davon tangiert wird. Da wären Bahrain, die Ukraine, der verdeckt brodelnde Rechtsruck diverser Staaten und vieles mehr. Dem Deutschen hingegen ists egal, er liegt ja bequem und satt.

Der 1. Mai hat jene Bettverstecker ja auch nicht interessiert, den Gewerkschaften laufen die Anhänger weg wie den Parteien, aber man hat gegrillt, mit Freunden und Nachbarn, hatte einen freien Tag, der eigentlich nicht zur Zeit passt, genauso ein Arbeitstag sein könnte, denn außer zur eigenen Nabelschau benutzen ihn gerade einmal die immer gleichen Rufer in der Wüste, die anderen liegen auf der faulen Haut, völlig sinnentleert. Eigentlich könnte man diesen Feiertag streichen, wissen die Menschen mit ihm ohnehin nicht mehr anzufangen, als eben zu feiern, dass sie einen zusätzlichen freien Tag haben. Ein paar hunderttausende protestieren zwar, die Stellvertreter der Griller, aber sie werden immer weniger, und wozu soll man seinen eigenen Allerwertesten überhaupt bewegen, wenn es andere ohnehin tun, einem quasi die Stellvertreterstimme geben. Nur man ist zufrieden, man hat ja einen Job und verdient seinen Ruhetag, zumal, wenn das Wetter mitspielt …

Und dann schaut man ob es denn wahrlich keine Themen gibt, die eigentlich jeden Menschen aufrütteln müssten, wenn er nicht bierbäuchig und deutscher Herkunft ist, und natürlich gibt es sie, man findet sie reichlich, ist die Eurokrise doch längst nicht vorbei, sind die Probleme nicht weniger geworden. Man schaut also in die Foren der Tagespresse und wundert sich, wer dort so unterwegs ist, und ob man dort vielleicht die Volksmeinung findet, wenn sie kaum jemand am 1. Mai äußert, es den Deutschen wahrlich gut zu gehen scheint, wenn die Umfragewerte der Parteien quasi gleich bleiben, sich allenfalls um einen Punkt von hier nach da verschieben und umgekehrt.

Und man ist erstaunt, was in den Foren so übrigbleibt, wenn die wegfallen, die vorübergehend auch ihre Stimme erhoben haben, als es um den Altpräsidenten ging, eben weil sich gewisse Dinge einfach nicht gehören, weil man sie nicht tut, und wenn dann nur, wenn man nette Nachbarn hat, die zu den Wegduckern, Weghörern und Sehern gehören. Aber das ist vergangen, Deutschland hat ja einen, der schweigt, sich auch duckt, das Bild vom netten Deutschen nicht beschädigt, und gut ist es, das war wichtig, mehr nicht, die Welt ist in Ordnung, das Selbstbild stimmt.

Aber unter der deutschen Decke da stinkt es gewaltig, nur sagt man das eben nicht, denn dass nichts stimmt, das spiegeln die Foren wider, jetzt um die befreit, die den schönen Schein für wichtiger halten, als Tatsachen.

In den Foren nämlich tummeln sich die Restbestände, jene, auf die die Politik hektisch reagiert, meist, wenn es zu spät ist, jene, die sich betroffen fühlen, ob sie es sind, dazu später und der meist bräunliche Kaffeesatz, der beständig und zu jedem Thema die nationale Keule schwingt und Parteien empfiehlt, die als extrem aber unwählbar gelten, nach dem Motto, jene Parteien hätten die Lösung für die Deutschen, weil anschließend das Land bereinigt würde. Es ist stets der selbe Satz, darum wähle ich …, frei nach dem Motto, steter Tropfen höhlt den Stein.

Soweit zu denen, die da werben, wo sich eine scheinbar von allem betroffene Klientel trifft, die ständig Urlaub zu haben scheint. Dem ist aber nicht so, denn bei genauerem Hinsehen entpuppen sich diese Zeitgenossen eher als schwer vermittelbare, meist eigenverschuldete Langzeitarbeitslose, wie zuletzt ein Forist meinte, und das ungefähr so formulierte: Stets, wenn ich Zeit habe, nach dem Dienst die Meinungen zum Thema zu lesen, finde ich dieselben Poster und das auch noch über Wochen. Wer soviel Zeit im Forum verbringt, sich zu jedem Thema über Wochen äußern kann, ganztags diskutiert um nur beständig irgendwann Migranten als Verursacher allen Übels auszumachen und dann Partei … zur Wahl zu empfehlen, der kann nur arbeitslos sein, hätte er Arbeit, schwurbelte er hier nicht herum. In der Zeit könnte man auch 10 Bewerbungen schreiben.

Die anschließende Antwort spare ich mir lieber, nur soviel sei gesagt, der Forist hat genau den wunden Punkt getroffen. Und dann genügt auch ein Blick auf die Uhrzeit. Ernsthafte Foristen, die über ein Thema diskutieren, sie trifft man nach den üblichen Arbeitszeiten, ab und an zu gängigen Pausenzeiten, dann, wenn ein Beitrag über ein Handy eingereicht wird, oft erscheinen deren Kommentare erst am Folgetag, weil zu dieser Zeit große Medien die Foren bereits geschlossen haben.

Und wer also tummelt sich da, während andere einer geregelten Arbeit nachgehen? Richtig, jene, die nicht wirklich engagiert ihr Leben in die eigene Hand nehmen, jene, die eben nicht leicht zu vermitteln sind, auch, weil sie über Jahre hinweg gelernt haben, gewisse Dinge zu umgehen, sprich Arbeit, und die den Fehler dafür nicht bei sich sondern bei anderen suchen, denn es lebt sich bequem, auch mit Hartz IV, speziell in einer Stadt wie Berlin.

Dabei sind dann jene, die sich als „aktive Arbeitslose“ bezeichnen, in Foren so nennen, und man fragt sich verwundert, welche Aktivitäten sie wohl meinen. Ständig dieselben Litaneien zu formulieren? Sie verpassen im Gegenteil Initiativen, die sich so nennen in einen denkbar schlechten Ruf, sprich Menschen, die arbeitslos (vorübergehend) sind, dennoch aber sich engagieren, sei es eben kurzfristig, indem sie aufstocken und nur einen Minijob ausüben, oder indem sie sich sozial engagieren, beraten, an Tafeln stehen ect.

Aber schauen wir einmal an, wie man Foristen enttarnt, denn das ist eine Leichtigkeit. Sobald angemeldet, gibt es das Profil, an dem man erkennt, wie häufig jemand postet, wann, was. Ernstzunehmende Foristen verweisen entweder auf eigene Seiten oder die Arbeitgeberseite, sofern sie nicht selbst Arbeitgeber, selbstständig sind. Andere hingegen verweisen auf einschlägige Webseiten, Foren, ihre Beiträge ändern sich selten, oft ist es nur jener Satz, darum wähle ich…

Am besten kann man Foristen einschätzen, wenn man selbst Erfahrungen als Forenbetreiber hat, Kommentare auf seiner eigenen Domain zulässt. Selbstdarsteller, die ihr eigenes angeblich so schweres Schicksal beklagen, posten nämlich in der Hoffnung, irgendein Redakteur springt darauf an, gleich die komplette Anschrift samt Telefonnummer und seitenlange Briefe. Dabei handelt es sich entweder um Trolle oder Menschen, die zu nichts anderem Zeit haben, als alle möglichen Gerichte Deutschlands zu beschäftigen, weil sie sich ungerecht behandelt fühlen, stets aber mit ihren Klagen scheitern.

Menschen, die ihr Leben lang am gleichen Ort verweilten und Arbeitslosigkeit beklagen, oft unverheiratet oder mit gescheiterter Beziehung, alleinstehend also, zum Umzug durchaus in der Lage, und doch bewegen sie sich keinen Millimeter, es sei denn zum heimischen Arzt oder vor das nächste Gericht.

Eigeninitiative gibt es nicht wirklich, irgendeine Aufgabe möge einem gefälligst auf dem Sofa über die Fettleber laufen, einen aber bitte nicht dazu bewegen, es jemals verlassen zu müssen zu ungünstigen Uhrzeiten oder gar mit einem anderen Fortbewegungsmittel als per Pedes, sprich, um die Ecke sollte der Arbeitgeber schon seine Niederlassung bauen, wenn er denn schon Wert auf einen Mitarbeiter legt. Zu Fuß, das geht gar nicht, und mit Bus oder Bahn, da wird der Anfahrtsweg zur Zumutung, naja, ab 2000 Euro, so oft die Ansage in Foren, da lohnt es sich dann schon mal, sich vorzustellen, netto, versteht sich. …

Andere beklagen derweil, sie seinen qualifizierte Ingenieure, denen Billiglöhner aus dem Ausland den Job wegnehmen, schreiben direkt Redakteure an, fügen ihren Werdegang bei, Klagen über Klagen, weil hier ein Hartz IV Satz zu niedrig, dort eine Krankheit nicht anerkannt und fügen zusätzlich diverse Ablehnungen von Arbeitgebern bei.

Wer so gut wie zu 100% von Krankheiten betroffen ist, von allen denkbaren Allergien, über Arthrosen, Herzerkrankungen, Migräne ect., was erwartet der denn von Arbeitgebern? Dazu die Langzeitarbeitslosigkeit und kein einziger Ansatz, auch nur jemals in einem so genannten Minijob gearbeitet zu haben oder in einem Halbtagsjob. Ist er nicht selbst schuld an seiner Misere, nimmt so jemandem wirklich ein anderer den Arbeitsplatz weg?

Diese Foristen mit ihrem Populismus, die gegen jeden wettern, der ihnen vermutlich den Job nimmt, hingegen werden unterschätzt, und das sollte aufmerksamer beobachtet werden, denn nichts verbreitet sich schneller als braunes Gedankengut. Auch ein Migrant wird schließlich nicht wegen seiner schönen Augen oder bedauernswerten Biographie, die aussagt, er habe ein anderes Heimatland, eingestellt, sondern deshalb, weil er pünktlich seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt, ohne bei jedem Wetterwechsel einen Migräneanfall zu simulieren und nach drei Tagen am Burnout zu leiden, um es einmal auch populistisch und provokant zu formulieren.

Das anwachsende populistische Gedankengut in den Foren sollte die Politik auf den Plan rufen, erst recht auch jene Menschen, die sich bequem einigeln, weil sie scheinbar nicht betroffen sind. Und unter gar keinen Umständen sollte man daran die Volksmeinung zu erkennen glauben, denn das ist sie nicht.

Dankbar hingegen muss man jenen Medien sein, die eben zu gewissen Themen keine Kommentare zulassen, obwohl man dort doch die Entwicklung nach rechts beobachten kann, nur sprengt es eben auch den Rahmen jeder Redaktion, wenn sie mehr rechtes Gedankengut nach Hinweisen löschen muss, als dass am eigentlichen Thema diskutiert würde. Und natürlich sprengt es auch die Redaktion, vorab jeden Kommentar zu prüfen.

Natürlich gibt es „Brandworte“, auf die Medien umgehend reagieren , nur werden diese derweil immer häufiger verschlüsselt, sei es, indem der braune Forist Buchstaben durch Punkte oder andere Buchstaben ersetzt, oder dadurch, dass er sie gezielt umschreibt.

Und hinzu kommt natürlich ein Problem, zensiert die presse zu stark, ist sie links, wobei man sich fragt, was heute nicht als links tituliert wird, denn Zensur rechten Gedankengutes führt unweigerlich immer häufiger zu Hasstiraden gegen derweil selbst Blätter wie die Welt, die nun ganz gewiss nicht als linkes Medium verschrien ist.

Das Problem ist für Medien der Kampf um die Leser, sind die Klickzahlen im Internet. Das aber darf nicht davon abhalten, sich gewisser Foristen zu entledigen, sie zu sperren, damit sie wenigstens so ihre Meinung nicht verbreiten können, und genau deshalb sollte die Politik Foren einmal genauer unter die Lupe nehmen, ganz einfach um zu erfahren, wie der braune Mob agiert, wie raffiniert, wie groß die Gefahr schon ist.

Und es wird auch Zeit, dass die bequemen Deutschen eben doch ab und an gängige Zeitschriften im Netz aufsuchen, anstatt die Couch zu belagern und sich von einem denkbar schlechten Fernsehen berieseln zu lassen. Der beste Krimi tobt nämlich im Netz, und hier kann man zeigen, wo man wirklich steht, damit die Foren endlich wieder zu gesunden Diskussionen genutzt werden, die Denkansätze beinhalten, sondern auch, um populistischem Gedankengut ebenso entgegenzutreten, wie bei Demonstrationen gegen Neonaziaufmärsche, denn man rottet sich im Netz zusammen, was viel gefährlicher ist.

Und dann, wenn wirklich Diskussionen stattfinden, die politische Themen umfassen, wenn mehr ernstzunehmende Meinungen als Populismus die Foren durchwabern, dann kann man auch sagen, im Netz liest man die Volksmeinung. Ansonsten kann man nur konstatieren, das was Wahlumfragen die stagnieren aussagen, was die Nichtteilnahme an Veranstaltungen am ersten Mai zeigt, bedeutet, Deutschland geht es gut, und die Menschen sind mit ihren Lebensverhältnissen eigentlich ganz zufrieden und stehen zu dem, was die Bundesregierung unter der Bundeskanzlerin Merkel tut, denn sonst würden sie wie bei der Causa Wulff umher flattern und krakeelen und die Foren und Straßen beherrschen.

Es ist nicht alleine Aufgabe der medien, aufmerksam Foren zu beäugen, es ist unser aller Aufgabe, Populismus und rechtes Gedankengut zu flaggen, sprich zu melden, wenn es uns auffällt, denn es gehört entfernt. Und da wo es formuliert wird, unmerklich aber doch als solches zu erkennen, da sollte jeder Leser diskutieren, denn solche Trolle enttarnen sich schnell, werden aggressiv, beleidigend. Das mag mühsam ausschauen, sollte aber oberste Pflicht sein, und sehr schnell geben solche User dann auf oder werden so ausfallend, dass sie gemeldet werden können, denn sie sind selbst dann nicht zu überzeugen, wenn man handfeste Fakten serviert, das kommt bei ihnen an wie ein persönlicher Angriff, dann fehlt schnell das notwendige Wissen, dann eben wird nicht mehr argumentiert, dann wird die Keule ausgepackt, man fühlt sich in seiner Ehre angegriffen.

Aber es scheint ein mühsamer Weg. Nein, es gibt keinen demokratischen Frühling in Deutschland, keinne Aufbruch kein Mitmachen-Wollen, keinen Änderungswunsch, keinen Protestsommer, denn Deutsche schauen lieber weg, wenn sie selbst nicht betroffen sind, Arbeit vorhanden ist, eben alles irgendwie stimmig zu sein scheint, dann werden die Mahner schnell weniger, auch wenn Probleme wachsen. Hauptsache, die Feiertage sind sonnig, das Bierchen kühl, ein Ball rollt irgendwo, niemand benimmt sich daneben, tut was man nicht tut, was sich nicht gehört, beschädigt nicht die „Deutsche Familie“, dann stimmt das Weltbild, dann lebt man im Paradies, und dann schließt man die Augen und denkt nur noch: „Nach uns die Sintflut …!“

©denise-a. langner-urso

Lesenswert dazu auch-Der Spiegel  Deutsche SozialpolitikDer Hartz-IV-Irrtum (Eine Kolumne von Jan Fleischhauer)