Der Spiegel und das halbe Titelbild

Schade, dass der Spiegel seinen Artikel nicht eine Woche später hat erscheinen lassen, zu dem das derzeitige Titelbild mit Angela Merkel erschienen ist, das für helle Aufregung sorgt, und das doch mehr als gerechtfertigt ist. Eine Woche später hätte nämlich die Chance bestanden, aus einem halbgaren Bild ein Gesamtkunstwerk zu machen, das die Situation, in die uns Angela Merkels Richtlinienkompetenz in den letzten Jahren geführt hat, noch viel besser hätte beschreiben können, denn dem Bild fehlt etwas, nämlich Uschi im Schützenpanzer, und die Kanzlerin hätte man auf einer rosa Wolke wie einen Guru im Schneidersitz über allem schwebend darstellen können.

Wie jetzt, Frau von der Leyen im Schützenpanzer? Jawohl, das fehlt, und wer aufmerksam die Medien verfolgt hat, der weiß auch warum, denn unsere Kriegsministerin will doch tatsächlich den Parlamentsvorbehalt für Kriegseinsätze aushebeln, indem sie eine Grundgesetzänderung anstrebt. Und wer es nicht glaubt, zum Artikel geht es hier. Und es ist nicht irgendein Blatt, es ist der Tagesspiegel, der darüber berichtet.

Und nur im Zusammenhang beider Artikel wird das Bild abgerundet, das unsere Nachbarn, und nicht ganz ungerechtfertigt, von uns haben, Nachbarn wie Griechenland. Und ja, ohne den dazugehörigen Artikel gelesen zu haben, ist das Urteil schnell gefällt, dann gibt es wütende Kommentare, doch wer nicht liest, der versteht nicht, bleibt dumm. Und dann bildet man sich keine Meinung sondern ein Vorurteil. So einfach ist das.

Die Bundeswehr, so denn Frau von der Leyen das Sagen hätte, soll einem europäischen Kommando unterstellt werden, dieser neuen europäischen Armee, und jetzt stellen wir uns dazu vor, die Ukraine würde demnächst in die EU und die Nato aufgenommen. Kann sich irgendjemand einen Bundeswehreinsatz unter Poroschenkos Kommando vorstellen? Deutsche Soldaten in der Ostukraine gegen Russland, und das auch noch ohne das Parlament befragen zu müssen?

Ganz ehrlich, das Titelbild, so in dieser Woche, das hat mir auch nicht gefallen, doch mit dem Artikel zur Neuausrichtung der Bundeswehr vom Tagesspiegel und unter Berücksichtigung, dass überhaupt auch nur ein Mitglied der Union, vielleicht ein Hinterbänkler, die Abschaffung der Mitbestimmung des Parlamentes bei zukünftigen Kriegseinsätzen fordern könnte, und dass aus der Bundesregierung, selbst aus der SPD dazu kein Widerspruch kommt, das lässt mich über das Titelbild des Spiegel neu nachdenken, verschafft eine völlig neue Perspektive dazu, wie man in der Union unter Angela Merkel das Land neu ausgerichtet hat, wie man es sich zukünftig vorstellt.

Und in diesem Zusammenhang passt das Bild mit Angela Merkel im Vordergrund dann eben doch wieder, hätte etwas anders, mit von der Leyen im Panzer zuzüglich, und eine Woche später samt Artikel zu den kruden Gedanken der Frau von der Leyen, tatsächlich das komplette Bild Deutschlands geliefert werden können, wie es sich demnächst darstellen dürfte. Und ja, wissend um das, was zuzüglich der Tagesspiegel schreibt, passt der Aufreger des Wochenendes dann eben doch wie die Faust aufs Auge, auch wenn man sieht, wie sehr die Beziehungen zu Russland derzeit strapaziert sind, wie sich das Verhältnis ständig verschlechtert. SO kalt war es zuletzt bei Bau der Berliner Mauer, so war es, als amerikanische Panzer in Berlin an die Grenze rollten … Wenn das das Ziel war, dann Danke aber auch. Erst eine Währung, die nicht gerade Frieden bringt, jetzt auch noch das.

Und kurz nachgedacht, wer sich aufregt, klar, das sind Muttis größte Fans, und Mutti ist unantastbar.

Und doch bleibt eins, Angela Merkel hat die Richtlinienkompetenz, das gehört zur Wahrheit, so wie es zu dieser gehört, dass Frau Merkel kein Stück dazu tut, unseren Nachbarn ihre durchaus verständlichen Ängste zu nehmen, durch ihr Handeln die Lage zu entschärfen, einzugreifen, wenn die Dinge in Europa so aus dem Lot geraten, wenn das Ansehen des Landes so sehr Schaden nimmt. Und dagegen und gegen den von von der Leyen angedachten Angriff auf das Parlament durch die Drohung mit der Großen Koalition das Grundgesetz ändern zu wollen, wozu die Lage ja durch die Mehrheiten mehr als komfortabel ist, macht Merkel die Raute. Klasse, ganz großes Theater!

Gut gemacht, Spiegel, leider eine Woche zu früh, und somit nur das halbe Bild und nicht die ganze Wahrheit, wohin uns das eingefügte Etwas im Anzug zu führen bereit ist, zu führen droht.

Und nein, dafür muss der Spiegel sich nicht rechtfertigen, ganz sicher nicht, nicht für die bittere Wahrheit, dafür ganz bestimmt nicht. Punkt.

©denise-a. langner-urso