Deutschland: Politiker sind Volksvertreter – ach wirklich?

Sie sollten es eigentlich sein, aber aus dem Alter, wo man an Schneewittchen und die sieben Zwerge glaubt, sind die Bürger längst heraus. Die Kommentare zur Causa Wulff beweisen das, und sie werden mit jedem hingeworfenen Brotkrümel das Haus Wulff betreffend schärfer.

Aber auch in den Reihen der Politik mehren sich die Zweifel am Verhalten Wulffs, das nie wirklich gradlinig und aufrichtig war, so, wie man es eigentlich von Volksvertretern, die ja auch immer gewisse Vorbilder sein sollten, erwarten dürfte.

Wie ein roter Faden ziehen sich durch dessen Politkarriere die Merkwürdigkeiten und die engen Kontakte zu mehr oder weniger ehrwürdigen Herrschaften der Wirtschaft.

Im Handelsblatt heisst es jetzt, der Vorwurf der Untreue müsse geprüft werden. Das lassen wir einmal unkommentiert stehen, denn wer das tun soll und zwar unabhängig, wenn schon die weisungsgebundene Staatsanwaltschaft in der Causa Wulff keinen Anfangsverdacht sieht, das wird vermutlich ein Rätsel bleiben.

Wichtig aber ist jener Abschnitt des Artikels, der besagt, und hier zitiere ich:

Wenn ein Politiker so wichtig für die Zukunft der Geldinstitute sei wie Wulff in seiner früheren Position als CDU-Beauftragter für die Reform der Landesbanken, dann sollten sowohl dieser Politiker als auch die Bank sich hüten, für einen Kredit Sonderkonditionen zu vereinbaren. „Das hat ein G’schmäckle“, kritisierte Blind. Die Bürger bekämen den Eindruck, dass Spitzenpolitiker sich bedienten und dass da etwas faul sei. Dies sei ein verheerendes Signal. Politiker seien Diener der Demokratie. „Es darf nicht sein, dass jemand durch seinen Amtsbonus privat profitiert“. Wenn eine Bank von allen Kunden so wenig Zinsen verlangte wie von Wulff, dann wäre sie bald pleite. „Die Bank darf so etwas einfach nicht machen“.

Damit ist eigentlich alles gesagt, stellte sich nicht dem Betrachter die Frage, ob Volksvertreter wirklich noch das Volk vertreten, oder ob sie nicht längst zu Interessenvertretern mutiert sind, eigener interessen an vorderster Front, dann die bestimmter Klientelen und dann die der eigenen Parteiinteressen.

Wann aber haben wir zuletzt wirklich Volksvertreter erleben dürfen, die diesen Namen wirklich verdienen?

Und wann eigentlich gab es im Bundestag eine wahrhaftige Opposition, die erkenntlich war in ihrer Funktion und auch so wahrgenommen wurde? In dieser Regierungsperiode jedenfalls nicht, sogar die Partei Die Linke ist zu Merkels helfender rechter Hand geworden.

Die Bundeskanzlerin, sie schweigt sich aus, sitzt die Angelegenheit Wulff aus, wie sie so vieles aussitzt. …

Dieser Bundespräsident wird nie und nimmer freiwillig das Feld räumen, soviel scheint sicher, und die Opposition wird zum Totalausfall, will man sich doch die Chance einer großen Koalition in 2013 nicht bereits heute versauen, die Chance wenigstens mitzuregieren.

Dabei gäbe es wohl ein Mittel, das Wulffsche Trauerspiel zu beenden, beschädigt es doch mit jedem Tag mehr den Glauben an und in aufrechte Politiker und Volksvertreter, in Politik und daran, man wähle einen Menschen, auf dass er einen verträte und nicht sich selbst und Klientelen, dass er gar zum Wohle des Volkes handele.

Das Mittel, das die Väter des Grundgesetzes geschaffen haben, steht geschrieben im Artikel 61 GG.

Dort heisst es im Grundgesetz unter V. Der Bundespräsident im

Artikel 61

 

(1) Der Bundestag oder der Bundesrat können den Bundespräsidenten wegen vorsätzlicher Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht anklagen. Der Antrag auf Erhebung der Anklage muss von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Bundestages oder einem Viertel der Stimmen des Bundesrates gestellt werden. Der Beschluss auf Erhebung der Anklage bedarf der Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages oder von zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates. Die Anklage wird von einem Beauftragten der anklagenden Körperschaft vertreten.

(2) Stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass der Bundespräsident einer vorsätzlichen Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes schuldig ist, so kann es ihn des Amtes für verlustig erklären. Durch einstweilige Anordnung kann es nach der Erhebung der Anklage bestimmen, dass er an der Ausübung seines Amtes verhindert ist.

Wenigstens prüfen sollten nun Volksvertreter, die so genannt werden wollen, ob nicht doch davon etwas auf den Bundespräsidenten zutrifft, ob er denn im Rahmen aller Gesetze im Amte gehandelt und sich verhalten hat, wie jemand, dem die Ehre gebührt, dieses Amt inne zu haben, ob er das Amt noch normal ausüben kann und ob seine privaten Angelegenheiten und die täglichen Vorwürfe ihn nicht an dessen normaler Ausübung behindern, ihn zumindest einschränken, dann hätte man zumindest der Bevölkerung einmal bewiesen, dass einem die Meinung der Menschen nicht ganz am Allerwertesten vorbei geht. Wäre es nicht wichtig, dass bis zur kompletten Klärung jemand kommissarisch das Amt leitet?

Zumindest aber sollte es zum Verhalten des Bundespräsidenten eine aktuelle Stunde im Bundestag geben. Soviel wird der Souverän ja wohl noch erwarten dürfen, oder ist das etwa zu viel verlangt? Fürchten unsere Abgesandten gar, sich selbst zu entlarven, in ihrem Egoismus, können sie nicht einfach einmal wie Volksvertreter auftreten, kann nicht einmal in all dem Chaos die Opposition beweisen, dass es auch anders geht, Opposition sein statt Wasserträger aus reiner Sesselkleberei?

Das Volk hat ein Recht darauf, schließlich ist das Volk ja der Arbeitgeber, oder etwa nicht? … Oder wurde sie bereits abgeschafft, die Volkssouveränität? …

Und als Zusammenfassung kann man sagen, alles in Butter, Wulff verklagt Blogger,Bundesregierung schönt Arbeitslosenstatistik, es gibt Zweifel am Wahlrecht, Seehofer will zu Guttenberg zurück und Merkel findet, „Deutschland geht es gut“. Soviel politische Dummheit war selten, aber macht nur weiter so … wenigstens ist die politische Welt der Bundeskanzlerin ja im Lot, und was Merkelchen gut findet, finden die Wähler sicher auch ganz toll – oder?

 

©denise-a. langner-urso