Die um Ablass bei Brot für die Welt betteln

Hunger oder nur Appetit? Brot für die Welt !?

Wenn wir sagen, wir haben Hunger, weil unser Wohlstandsmagen gerade mal nicht vollgestopft ist, so wissen wir genaugenommen gar nicht was wir so unverschämt falsch behaupten. Allenfalls haben wir schon wieder Appetit oder gemeiner ausgedrückt schon wieder Fresslust und können uns der oralen Befriedigung unvernünftig nicht enthalten.

Die Völlerei, eine der sieben Hauptsünden, findet ihren Niederschlag in der Taille. Der Busen quillt über und der Dingens platz die Hosennähte. Beim Reindrücken der gut belegten Frühstückssemmeln lesen wir in der Morgenzeitung den Artikel “Brot für die Welt“, beklagen heuchlerisch große Misere, nehmen uns vor bei Gelegenheit 5 Euro an die Welthungerhilfe zu spenden, stoßen genüsslich auf, damit sich der ausgiebige Morgenmampf setzt und noch etwas Platz wird für den nächsten Schub.

Diese Dekadenz wird von der Ironie begleitet, den Kollateralschaden mit unsinnigen Maßnahmen zu bekämpfen, von der Anwendung immer neu kreierten Diäten, wie sie vielversprechend und verlogen in Herz-Schmerz-Schnulz-Blättchen oder der BLÖD, in schön bebilderten Anzeigen quasi oktroyiert werden, bis hin zur neuerdings absurden Einführung von Magensonden über die Nase zum Feinkostpansen, um diesen mit einer Spezialflüssigkeit zu beruhigen und den Appetit zu verderben.

Darüber gibt es einen Fernsehbericht. Dicke Matronen werden mit einem Nasenschlauch und Umhängebeutel, gefüllt mit dem liquiden Wundermittel abgelichtet, wie sie sich so anreizend schick im häuslichem Familienkreis bewegen und dem Göttergatten alle Lust nehmen.

Auf die Straße können sie sich mit der Ausstaffierung nicht wagen und die meisten lassen alsbald von der schizophrenen Tortour ab, obwohl sie dem Arzt und Wunderheiler für diese Maskenbildung 300 Euro bezahlt haben. Ratz-fatz geht es danach in die verbrecherisch verführende Eisdiele und dort bestellen sie sich einen Maxibecher mit einer Bischofsmütze Sahne. Es gibt Schließlich XXL-Überweiten zu kaufen.

Richtiger Hunger tut weh. Mein Vater war lange genug in russischer Gefangenschaft und wusste davon zu berichten. Oft genug hat er in dieser erbärmlichen Zeit in einer verrosteten Konservendose Löwenzahn und Brennnesseln, auf dem Weg von der Lagerbaracke zur Schwerstarbeit in die Schiffswerft nach Odessa am Schwarzen Meer, gesammelt.

Mit Wasser aufgegossen und klein gestampft, hatte er so eine vitaminreiche Nahrungsmittel-Ergänzung zu dem derben, mit Sägemehl versetzten Brot, das in unzureichenden Portionen zugeteilt wurde.

Wenn wir uns an so etwas erinnern, es kann dies sicher nur die Kriegs- und Nachkriegsgeneration, so verstehen wir nicht, dass wir hier in unserem reichen Land die Hälfte aller produzierten Lebensmittel aus Überfluss wieder vernichten, bestenfalls Kompost oder Biokraftstoff daraus machen.

Welch Frevel, wo soviel Menschen in den armen Ländern verhungern.

In der Taz las ich einen Artikel mit der Überschrift: „Esst mehr Abfälle“.

15 Millionen Tonnen an Lebensmittel landen angeblich jährlich bei uns auf dem Müll. Man kann sich diesen Riesenhaufen an zu viel gekauften und nicht verbrauchten Esswaren gar nicht vorstellen.

Den antiken Wander-Bergprediger, weilte er noch unter uns, würde der helle Zorn ergreifen und er würde wie einst bei den Wucherern im Tempel ordentlich dazwischen hauen. Doch siehe, der Geist der Bergpredigt scheint sich auf eine gewisse Weise wiederbelebt zu haben.

So ist in dem Artikel von einer ins Leben gerufene Internetplattform die Rede, auf der man zu viel eingekaufte, frische Lebensmittel zur Abholung anbieten kann.

Wie weit Hunger Menschen treibt, bis sie den Verstand verlieren und zum Tier werden, haben wir von den überlebenden Opfern erfahren können, die seinerzeit mit dem Flugzeug in der eisigen Region der Anden verunglückten und letztlich ihre zu Gefrierfleisch gewordenen, beim Absturz zu Tode gekommenen Mitflieger, verzehrten.

Wenngleich es auf unserer Welt keinen wissentlichen Kannibalismus mehr geben mag, in absoluten Notsituationen kann er, wie in der besagten extremen Situation, vorkommen. Wir gut genährten, ständig Lamentierenden, sollten ein präventiv mitleidiges Auge auf die Hungernden der dritten Welt haben, die uns, wenn sie nicht vorher verhungern, irgendwann fressen könnten…
h.boxxan