Gekonnt vom Erfolg abgelenkt

Wie bemisst sich Erfolg in unserer Gesellschaft? So sehr es sich einige von uns auch anders wüschen, am einfachsten und am häufigsten wird er über Geld und materielle Statussymbole hergeleitet. Wer alternativen Konzepten folgt – wie etwa Semco, Svenska Handelsbanken oder auch der dm Drogeriemarkt – wird daraufhin sogar noch schärfer beobachtet – so meine Erfahrung. Sie müssen gleich um ein Vielfaches erfolgreicher sein als ihre Wettbewerber wie die Deutsche Bank oder Schlecker, damit ihr Anderssein toleriert wird. Supperreiche und arrogante Snobs dagegen, die herumlaufen wie Otto Normalbürger und mit ihrem schlechten Stil kokettieren, werden durchaus nicht als primitiv abgestempelt. Wer das Geld hat, so die augenscheinliche Erkenntnis, kann sich vieles, vielleicht sogar alles erlauben.

An wem haftet der Erfolg? Wie bereits im letzen Kapitel angedeutet, glauben gerade Führungskräfte, dass Erfolge maßgeblich etwas mit ihrer Person zu tun haben, während Misserfolge von der Umwelt verursacht wurden oder eben Pech waren. Dieses Szenario gilt vor allem für Westeuropäer und Amerikaner. Japaner glauben, dass Erfolg dem Glück und Misserfolg der eigenen Unfähigkeit geschuldet ist! Wir wissen heute, dass sowohl Erfolg wie auch Versagen am Besten mit dem Zusammenspiel von Zufällen zu beschreiben ist und unserer Fähigkeit, im Moment des Zusammenkommens dieser Zufälle erfolgversprechend zu agieren. Dazu braucht es eher Intuition, Improvisation und Achtsamkeit denn Ratio, Planung und Disziplin. Klar wird damit auch: Es ist gefährlich, den Erfolg oder den Misserfolg einem einzelnen Menschen anzuhaften, dennoch tun wir es, denn das verspricht Sicherheit. Wir können dann den erfolgreichen Glückspilzen folgen und die erfolglosen Pechvögel hinter uns lassen.

So viel zum Erfolg im gesunden Wirtschaften. Doch wo findet sich der Erfolg in einem sinnhaften, einem kooperativ humanen Wirtschaftssystem? Sicherlich nicht in der Allmacht eines sozialistischen Staates! Machen Sie sich mit mir auf den Weg hinein in eine, zugegebenermaßen schwierige Simulation.

Nehmen wir einmal an, eine signifikante Menge an Unternehmen würde meinen Vorschlag aus dem vorherigen Absatz umgesetzt haben und ihre Mitarbeiter jedes Jahr so am erwirtschafteten Gewinn beteiligen, dass sie nach einigen Jahren, vielleicht zwölf, nicht mehr finanziell von der Firma abhängig sind. Stellen wir uns weiterhin vor, diese finanzielle Unabhängigkeit gilt inzwischen für ungefähr zwei Drittel der Mitarbeiter in der Firma.
Jetzt erschaffen Sie sich zwei Führungskräfte vor Ihrem geistigen Auge. Die eine ist wie das öffentliche Bild von Michel Friedmann, rhetorisch gewandt, intelligent, neoliberal, reich, aggressiv, gebildet, elegant, dominant, machtbewusst und im traditionellen Verständnis erfolgreich und die andere wie das öffentliche Bild von Sean Connery, galant, gewitzt, fair, sportlich, weltmännisch, rücksichtsvoll, emphatisch, gebildet, kooperativ, wohlhabend, traditionsbewusst und dennoch neue Wege gehend, immer bereit, riskant zu handeln. Was glauben Sie, für wen arbeiten die Menschen auch dann weiter, wenn sie von ihrem Einkommen nicht mehr abhängig sind? Ich würde auch lieber für meine Vorstellung von Sean Connery arbeiten, als für mein Vorurteil von Michel Friedmann!

Adam Smith sieht Selbstorganisation in der Optimierung des Eigeninteresses in Wechselwirkung mit einem freien wettbewerblichen Güter-Markt erreicht. Er nennt das die unsichtbare Hand, die uns zum Wohle aller leitet. Was er damit nicht auflöst, ist der bestehende Zwang für einen Großteil der erwerbsfähigen Menschen, arbeiten zu müssen. Natürlich hat jeder im gesund wirtschaftenden System die Chance, sich von diesem Zwang zu befreien, gelingen kann es in einem System der Aggression und Dominanz allerdings nur einem kleinen Teil der Menschen. Es gibt nur einen Superstar und ein Supertalent pro Jahr, keine fünftausend.
Maßstäbe des Erfolgs in einem kooperativ humanen Unternehmen sind zum einen eine Wirtschaftlichkeit, die es allen Mitarbeitern ermöglicht, auf legale Weise finanziell unabhängig von ihrem Unternehmen zu werden – ganz losgelöst davon, was sie gelernt haben, aus welchem sozialen Milieu sie kommen oder wie gut ihr Schulabschluss einmal war. Zum anderen ist es eine wirtschaftlich unternehmende Gemeinschaft, die aus freiem Willen auch dann leistet, wenn ihre Menschen nicht mehr aufgrund von Geld dazu gezwungen werden können.

© Gebhard Borck

Gebhard Borck

Ich führe und berate seit über 10 Jahren. Ich habe zahlreiche Unternehmen unterschiedlicher Größe, Branchen und Nationen aus verschiedenen Blickwinkeln kennen gelernt. Als Autor bin ich seit 2004 tätig. Gemäß unserer Zeit habe ich vor allem in Onlineforen und -zeitschriften veröffentlicht sowie über mehre Jahre (2005 – 2008) gemeinsam mit Niels Pfläging die XING-Gruppe Beyond Budgeting inhaltlich voran getrieben und moderiert. Gemeinsam mit Niels und Andreas Zeuch habe ich 2008 die Kolumne bye bye Management bei changeX geschrieben. Affenmärchen ist mein erstes Buch. Seit 2009 veröffentliche ich gemeinsam mit meinen Netzwerk-Kollegen Andreas Zeuch und Markus Stegfellner. Bereits Ende der 90er Jahre befasste ich mich auch wissenschaftlich mit der Zukunft des Managements und habe meine Abschlussarbeit über Die Zukunft des Managements von selbststeuernden Prozessen verfasst. 

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