Das Leben ist hektisch geworden. Nun ist es noch ein Monat bis Weihnachten und schon sind die Menschen gestresst. Sie hetzen durch die Innenstädte und versuchen, die besten Geschenke für ihre Liebsten zu ergattern. Dann bersten die Gaben Tische von Spielkonsolen und Mobiltelefonen und jeder spielt am Ende des Abends alleine vor sich hin. Aber nach Weihnachten wird das Ganze nicht besser. An Silvester geht jeder seiner Wege, auf der Suche nach der besten Party. Zum neuen Jahr kommen die guten Vorsätze. Mehr Sport treiben zum Beispiel. Dann geht man getrennten Weges ins Fitness-Studio. Im Sommer wollen die halbstarken Kinder dann lieber alleine in die Ferien fahren und die überarbeiteten Eltern haben vielleicht gar keine Zeit, sich Urlaub zu nehmen. Wir alle kennen diese Hektik, die uns tagein, tagaus begleitet.
Noch vor wenigen Jahrzehnten war das alles ein wenig anders. Gerade in der Adventszeit setzten ganze Familien sich gemeinsam an die Tische in den „guten Stuben“, entzündeten Kerzen am Adventskranz und sagen gemeinsam weihnachtliche Lieder. Zum Jahreswechsel lud man Freunde und Verwandte ein. Die Esstische wurden mit viel Liebe zum Detail geschmückt und man saß bei Fondue, Bleigießen und Getränken beisammen, bis das neue Jahr gebührend begrüßt war. Aber auch abseits der Feiertage oder des Jahreswechsels hielten die Familien mehr zusammen. Ich erinnere mich noch gut, wie wir in meiner Kindheit zwar nicht wöchentlich, aber doch regelmäßig am Sonntag unsere Großmutter besuchten. Um für alle Kinder und Enkel Platz zu haben musste mein Großvater oft zwei kleine Tische aus der Waschküche holen. Aber dann saßen wir dort einfach, tranken Kaffee und aßen Kuchen. Oder wir Enkelkinder kamen nach der Schule vorbei und auf einmal reichte das Mittagessen auch noch für drei oder vier zusätzliche Mäulchen.
Vielleicht sollten wir uns gerade in dieser hektischen Zeit, in der wir mit immer wieder neuen Schreckensmeldungen konfrontiert werden, ein wenig mehr an diese alte Zeit denken. Sicherlich war auch damals nicht alles gut. Wer das behauptet, der ist nicht ehrlich zu sich selbst. Aber ich würde mir wünschen, dass wieder mehr Familien ihre Fernseher, Computer, Smartphones oder Spielkonsolen ausschalten und sich stattdessen gemeinsam an ihre Esstische setzen und in aller Ruhe zusammenkommen würden. Nur für ein paar Minuten. Ohne Dauerberieselung und den Gedanken weit fort. Vermutlich stellt man dann fest, dass das Leben immer nur so hektisch werden kann, wie wir selbst es zulassen.
©Hongtian Shi