Kraft-volle Perspektiven!

Nun doch! NRW wird künftig von einer SPD / Grünen-Minderheitsregierung geführt. Die neue Ministerpräsidentin wird aller Voraussicht nach Hannelore Kraft heissen. Im Juli will sie sich zur Wahl im Düsseldorfer Landtag stellen.

Im vierten und letzten Wahlgang würde die einfache Mehrheit, über die SPD und Grüne verfügen, reichen, um Rüttgers von der CDU aufs Altenteil zu schicken. Für die ersten Wahlgänge benötigt Hannelore Kraft allerdings mindestens eine Stimme aus den anderen politischen Lagern. Hier wird zunehmend darüber spekuliert, das diese Stimme eigentlich nur von der Linkspartei kommen kann. Dies wäre logisch, da gerade die Linke in NRW sich immer wieder anbietet für einen, wie sie es nennt, Politikwechsel. Katharina Schwabedissen, die NRW-Chefin der Linken, hat bereits wenige Stunden nach der gestrigen Ankündigung von Kraft, entsprechend reagiert.

Das Dilemma, auf Unterstützung der Linken angewiesen sein zu müssen, beschäftigt viele Sozialdemokraten seitdem. Gerade die Linke in NRW gilt als besonders radikal, unzuverlässig und heterogen. Schon kursieren bereits erste Gerüchte über einen/eine Überläufer(-in) der Linken. Zwar dürfte es als sicher gelten, das die Linken nicht Rüttgers wählen, aber als sicher darf heute auch nicht gelten, das die Genossen auch Frau Kraft mit ihrer Stimme unterstützen. Ohne eigenen Basisbeschluss dürfte es auch für die Linkspartei schwer werden, ihren Ankündigungen von einer Unterstützung einer Minderheitsregierung, die entsprechenden Taten folgen zu lassen. Zudem wird gerade die Linkspartei bei wichtigen Gesetzesvorhaben versuchen, ihr politisches Profil zu schärfen, um als Zünglein an der Waage die Landespolitik mitbestimmen zu können.

Aber denkt man in eine andere Richtung, könnte Krafts Kalkül dann doch noch aufgehen:

Auf der einen Seite hat sie es mit einer unberechenbaren, und in wichtigen politischen Fragen unzuverlässigen, Linkspartei zu tun. Auf der anderen Seite aber hat sie eine FDP, die bereits heute in einer Findungsphase steckt, in welcher das Ende noch nicht absehbar ist. Viele Stimmen aus der Bundes-FDP fordern ein “neues, sichtbares, liberales” Profil ihrer Partei angesichts der dramatischen Umfragewerte. Bereits werden erste prominente Stimmen bei der FDP laut, die sagen, das sie natürlich nicht auf immer mit der CDU verbunden sind. Wenn nicht CDU, mit wem in Zukunft dann? Die Antwort dürfte die SPD sein. Gemäß ihrem Charakter wird sich die FDP nach all den zurückliegenden Miseren mit der CDU schnell entscheiden. Das Bett ist vorbereitet von seiten der SPD und der Grünen. Diese drei Parteien wären zukünftig, wie auch schon bereits jetzt, mehrheitsfähig. Besonders der starke Trend hin zu den Grünen muss eine FDP, wie auch eine SPD, besorgen. Hier ist Handlungsbedarf angesagt.

Die Linkspartei kann bei diesem Poker nur verlieren. Gefangen in ihren ideologischen und unflexiblen Beschlüssen wird sie nur partiell eine Rolle bei Mehrheitsbildungen spielen. Spätestens aber wenn der NRW-Haushalt im Herbst dieses Jahres verabschiedet werden soll, findet ihr eigener Lackmus-Test statt. Denn diesem Haushalt dürfte sie aufgrund ihres eigenen Programmes nicht zustimmen können. Aber die Menschen in NRW wissen um die wirtschaftliche Lage und haben mittlerweile realisiert, das es auf der Ausgabenseite nicht mehr viel zu verteilen gibt. Wie der neue NRW-Haushalt für 2011 aussehen wird unter rot-grün, ist bekannt. Die teilweise unrealistischen Forderungen der Linken werden von der überdeutlichen Mehrheit der BürgerInnen NRW’s abgelehnt. Der Wunsch zur Machtteilhabe, gerade im kommunistischen Unterbau der Linkspartei, ist groß. Die nächsten Monate werden zu einer Zerreissprobe der NRW-Linken.

Was bleibt, Frau Kraft?

Kraft hat die Gelegenheit, zusammen mit Frau Löhrmann von den Grünen, das Projekt ROT-GRÜN wieder zu beleben, so das es bundestauglich wird. Beide hätten auch die Gelegenheit mit einer transformierten FDP zusammen eine neue politische Konstellation zu bilden, die zukunftsträchtig sein kann. Eine politische Mehrheit, die linke Themen, gleichwohl wie Themen der so genannten Mitte, in sich vereinigen kann. Ebenso hat die SPD die Möglichkeit, sich weiter von der Linkspartei zu distanzieren, in dem sie die Linke zunehmend in eine politische Ecke drängt, aus der es schwer wird, herauszukommen. Denn als sicher erscheint es, das Frau Kraft die Zusammenarbeit mit dieser Linken in NRW nicht will. Sie darf es auch nicht wollen um der eigenen Partei nicht zu schaden. Im Grunde erscheint dies alles taktisch klug. Die Rechnung könnte aufgehen: Auf der einen Seite wird die Linke weiter geschwächt und entbehrlich gemacht, auf der anderen Seite wird eine bisher eiskalt-neoliberale FDP gezwungen, neue liberale Wege zu beschreiten. Gerade die beiden kleinen Parteien, FDP und LINKE, müssen sich entscheiden, will nicht einer von ihnen der große Verlierer sein. Klare linke Mehrheiten werden vermutlich immer schwieriger erzielen zu sein. Und die so genannte “bürgerliche Mehrheit” bröckelt bereits stetig vor sich hin.

Am Ende dürften Neuwahlen stehen. Und die Strategen der SPD-Bundeszentrale haben schon oft NRW als Vorreiter oder Testgebiet für den Bund gesehen. Hannelore Kraft allerdings, sollte nicht unterschätzt werden. Und man sollte sie auch nicht mit Ypsilanti vergleichen, denn dieser Vergleich hinkt. Was sie bewog, innerhalb von wenigen Tagen ihre Meinung zu ändern, lässt sich mutmasslich nur an logischen Schlussfolgerungen ableiten, die darauf abzielen, die SPD wieder zu stärken. Und das gerade im Stammland der Sozis! Von Düsseldorf aus gehts nach Berlin, dürfte das Motto der SPD sein. Die alte Liebe zu den Grünen ist neu entfacht. Nun liegts nicht nur an Kraft und Löhrmann daraus was zu machen!

Kommentar Detlef Obens 2010