Kaum eine andere weibliche Opernstimme als die von Maria Callas zieht die Menschen, auch jetzt viele Jahre nach ihrem Tode, in den Bann. Die einen vergöttern sie als La Divina, die anderen hassen sie. Dazwischen geht fast nichts bei dieser Frau, die mal als Maria Anna Sofia Cecilia Kalogeropoulou im Jahre 1923 in Athen geboren wurde.
Viele hörten diese einmalige Sopranstimme vielleicht zum ersten Male im Kino. Im Oscar-preisgekrönten Hollywood-Aids-Drama Philadelphia gibt es einen emotionalen Höhepunkt dieses Filmklassikers, der musikalisch unterlegt ist mit einer Arie aus der Oper Andrea Chenier, gesungen von Maria Callas. Sie singt die Arie der Maddalena, „la mamma morta“. Damals im Kino sah ich dabei viele Besucher weinen, und ich muss sagen, diese Szene ist wirklich traurig-schön. Beim herausgehen aus dem Kino hörte ich manche, meist jüngere Kinobesucher fragen: „Wer hat das gesungen? Wer war das?“ Sie wussten nicht, das sie damals der größten Sopranistin des 20. Jahrhunderts zugehört hatten. Und, sie verließen währenddessen nicht das Kino, sie waren ergriffen.
Maria Callas gehörte in ihrer aktiven Sängerinnenlaufbahn dem internationalen Jet-Set an, sie war eine damals weltberühmte Person, ein Mega-Promi. Ihre Affaire mit dem griechischen Milliardär Aristoteles Onassis ging um die Welt. Ihre Wutausbrüche waren legendär. Sie war ein absoluter Profi mit dem höchsten Anspruch an sich selbst. Schlecht vorbereitete KollegenInnen fürchteten ihren Zorn. So mancher Dirigent und Opernregisseur wurde durch sie zur Weißglut getrieben. Kurzum, sie war das , was man eine launische Diva nannte. Aber alles das ist nicht Gegenstand meines Artikels über Maria Callas. Denn mit diesen Attributen allein wäre sie nicht unsterblich geworden. Sie war zuerst, und darauf legte sie auch schon zu Lebzeiten Wert, eine hochprofessionelle Künstlerin. Und sie hinterließ ein musikalisches Vermächtnis für die Nachwelt, was noch heute die Opernfans in aller Welt begeistert und berührt. Ihre Schallplatten und CD’s verkaufen sich immer noch millionenfach.
Und das hat seinen Grund. Es fängt schon damit an, ihre Stimme zu beschreiben. Sie verfügte über einen Stimmumfang von drei Oktaven. Vom „a“ bis hinauf zum „es“. Sie sang Rollen des gesamten Sopranfachs ebenso wie typische Mezzorollen. Allerdings hatte sie nur wenige Jahre, man spricht von knapp 10 guten Jahren, in der ihre Stimme dieses Volumen und diese Strahlkraft aufwies. Aber in diesen Jahren, hat sie ihre besten Auftritte und Schallplatteneinspielungen gehabt. Ihre Stimme wird oft als kehlig beschrieben, als teilweise rauh und kratzig klingend, aber doch immer als unverkennbar.
Und sie setzte Maßstäbe mit ihrer Stimme. Und darüber will ich schreiben. Aus meiner Sicht und sicher nicht allgemein gültig, aber vielleicht für ganz viele, die diese Stimme lieben. Ich wähle dazu ein paar ausgewählte Mitschnitte der Callas, die vielleicht dem Opern-und Callas-Neuling diese Stimme näherbringen und ihm die Begeisterung der Millionen Callas-Fans weltweit ein wenig erklären helfen. Die Aufnahmen stammen zumeisst aus den Jahren 1952 bis 1964.
Bis heute ist die 1954 aufgenomme Arie „Casta Diva“ aus der Oper Norma von Bellini eine Sternstunde der Callas, an der sich alle derzeitigen Normas auf dieser Welt messen lassen müssen. Eigentlich kaum erreichbar, da die Schönheit dieser-Callas- Interpretation nahezu zeitlos ist. Es war auch einer ihrer Verdienste, gewisse Schätze der Opernliteratur ausgegraben zu haben, zu denen sicher auch die Oper Norma gehörte. Allerdings musste auch erst mit ihr die passende Sängerin für diese schweren Rollen des Sopranfachs geboren werden. Ein weiteres Glanzlicht ist ihre Darstellung der Lucia in Donizettis Opera Lucia di Lammermoor. Ihre gesangliche Interpretation, nicht nur der Wahnsinnszene, der Lucia „spargi d’amaro pianti“ zählt auch heute noch, nach über 50 Jahren der Einspielung, zum Besten was es diesbezüglich gibt.
Die tragischen Partien waren es, die ihr gefielen und mit denen sie zu Lebzeiten Triumphe auf den größten Opernbühnen der Welt feiern konnte. So zählte auch Puccinis tragische Heldin Tosca zu einer ihrer bahnbrechenden Rollen. In einem Livemitschnitt aus dem Londoner Covent Garden, unter den Augen der Queen, gab sie 1964 eine Darstellung dieser Opernpartie, die an Intensität und Musikalität bis dato einmalig war. Zwar hatte sie bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr alle Töne sauber im Griff, aber die Gesamtheit ihrer Interpretation war sensationell. Zwei Jahre zuvor gab sie an gleicher Stelle einen Arienabend, an dem sie unter anderem die Habanera der Carmen, aus Bizets gleichnamiger Oper sang. Ihre 1964 eingespielte Gesamtaufnahme bewies, das sie stimmlich eigentlich die perfekte Carmen war. Leider hat sie diese Rolle nie auf der Bühne gesungen. Eine weitere Glanzrolle war die Gioconda aus der Oper La Gioconda von Amilcare Ponchielli. Am Ende dieser dramatischen Oper singt sie die Arie „Suicidio“. Eine für mich bis heute von keiner Sängerin mehr erreichte Interpretation dieser Arie, quasi für alle Zeiten. Der Mitschnitt aus Ende der 50-iger Jahren belegt besonders ausdrucksstark das, was man bei der Callas die „Grabesstimme“ nannte.
Ein weiterer Höhepunkt: Live 1959 in Hamburg. Dort singt sie die Wahnsinnsarie der Imogen aus Bellinis Oper Il Pirata. Eine weitere Paraderolle war die Anna Bolena aus Donizettis gleichnamiger Oper. Die Schlussarie, aufgenommen 1958, zeigt ihr übergroßes Talent für gerade diese Art von Rollen.
Das deutsche Fach mied sie, aufgrund der Sprache. Und doch konnte sie auch da Maßstäbe setzen. Ihre in italinienischer Sprache gesungene Isolde aus Wagners Tristan und Isolde, offenbart, das sie durchaus und jederzeit in Bayreuth diese Rolle hätte singen können. 1957 sang Maria Callas bei einem open-Air-Abend Isoldes Liebestod auf italienisch.
Aber sie war nun mal besten, wenn sie in der Oper sterben durfte oder andere sterben lies und das vornehmlich in italienischen Opern. Die Dramatik einer Rolle transportierte sie über ihre Stimme unverkennbar auf die Schallplatte und die heutigen CD’s. So auch in Arrigo Boitos Oper Mefistofele, 1959 in London mit der Arie „L’altra notte“. Die Verkörperung ihrer Violetta in Verdis La Traviata gehört ebenso, wie ihre 1962 in Hamburg live gesungene La Cenerentola von Rossini (mal eine heitere Oper!) zum Besten und Feinsten auf diesem Gebiet.
Die Stimme der Callas hat ihren Glanz und Zauber bis heute nicht verloren, dank der vielen Ton-und Filmdokumente, die es weltweit gibt. Fast jedes Jahr bringt ihre einstige Plattenfirma EMA eine Sonderedition heraus, ihre Portraits sind mittlerweile als Kunstdrucke erhältlich und Bücher über die Callas verkaufen sich immer noch bestens. La Divina lebt zurecht weiter.
©detlef obens