Spiegel Affäre – Die Frage ist ein Witz …

Der Spiegel stellt an seine Foristen die Frage Wäre ein Ereignis wie die SPIEGEL-Affäre auch heute noch denkbar? Und man schüttelt verwundert den Kopf, weil das Blatt sich die Hähme hätte ersparen können. Nein, nein, nein und nochmals nein, denn guter Journalismus ist tot.

Längst hat das Internet mit Plattformen wie Wikileaks die Aufgabe von Journalisten übernommen und keinen Journalisten stört das, im Gegenteil, man sitzt am PC in der warmen Redaktionsstube und beschwert sich, weil man seiner eigentlichen Aufgabe nicht nachgekommen ist, schreit „Skandal“, anstatt anzuerkennen, was dort geleistet wird, anstatt sich mit Assange solidarisch zu erklären, auch wenn man ihn nicht als Aufklärer anerkennen möchte. Man fühlt sich ertappt, könnte doch die Leserschaft fragen: „und wo ward ihr“?

Heute ducken sich Blätter weg, aus Angst mit Klagen überzogen zu werden, und wenn man sieht, dass die Welt Stunden vor dem Spiegel über die Hebelung des ESM schreibt, dann wird es einem schlecht, wenn man sieht, wie tief die Qualität des Spiegel gesunken ist, der den kalten Kaffe zum dritten Mal aufkocht, derweil die Meldung drei Tage alt ist.

Womit befasst man sich denn aber derweil die Nachrichten an einem so vorbei rauschen eigentlich? Mit Geschichten über die Palmenbucht. Schön, aber wen interessiert das?

Mit einer Hochzeit in Brunei. Ja und? Was ist daran so interessant? Täglich wird irgendwo jemand geheiratet.

Mit dem Oktoberfest, und wie viel Bier dort ausgeschenkt wird – ui toll, na wenigstens kann man sich besaufen, um solche Spiegel Frage nicht nüchtern ertragen zu müssen!

Man berichtet auch, dass Frau Weisband ein e-book ohne Kopierschutz herausbringen will. Klasse, davon gibt es tausende im Internet!

„Wetten Das“ und TV Quoten, klar, das klärt auf. Und dann auch noch Schuhe, die den Weg nach Hause finden, wenn man zu viel gesoffen hat (quasi). Das soll zu Affären führen?

Und bei all dem, was allenfalls müde Hausfrauen interessiert, wagt es der Spiegel die Frage zu stellen, ob eine Affäre wie die damalige heute möglich wäre? Man ist ja schon versucht zu schreien: „Ja, klar, wenn das Niveau weiter so sinkt!“ dann stehen irgendwann aufgebrachte Spiegelleser vor den Redaktionen und laden dort ihren Frust ab.

Nein, keine Sorge, so sind Leser nicht, man kauft das Blatt allenfalls nicht mehr. Aber die Frage war gut, nur zum falschen Zeitpunkt gestellt. Hätte man sie am 1. April serviert dann hätten die Leser darüber wenigstens lachen können!

Eine Spiegelaffäre heute? Klar, wenn man Informanten in den Hinterzimmern der Macht hat, Journalisten wieder für ihre eigentliche Aufgabe bezahlt. Sie aus den Redaktionszimmern in die Niederungen des grauen Alltags jagt, dann schon. Solange man aber auf Journalistenschulen den Nachwuchs rein historisch an Multiplechoicefragen prüft, ihn fragt, wer denn zu Schmidts Zeiten wen geheiratet hat, ganz sicher nicht.

Solange Journalisten nur noch lernen müssen, früh den PC ein- und nach 8 Stunden aus zu schalten, auch nicht, und schon gar nicht, wenn man ständig Angst davor hat, irgendein Winkeladvokat könne einen verklagen.

Also, man erspare uns solche Fragen, damit Azubis lernen, wie man Forenbeiträge moderiert und kehre endlich zum eigentlichen Handwerk zurück, verlasse den Schreibtisch und kümmere sich um echte Information und Informanten. Dann hätte man vielleicht die NSU eher auffliegen lassen können, früher im Sumpf der Politik wühlen können um über das merkwürdige Verhalten ehemaligen Finanzminister Peer Steinbrück zeitnah zu recherchieren und im Jahre 2006 darüber zu berichten.

Die Welt schrieb:

Demnach habe Steinbrück im Jahre 2006 in seiner Funktion als Bundesfinanzminister die damaligen Chefs von Post und Telekom, Klaus Zumwinkel und Kai Uwe Ricke, um ein Sponsoring in Millionenhöhe gebeten.

Mit dem offiziellen Briefkopf des Bundesministers der Finanzen habe Steinbrück am 10. April 2006 bei den Chefs der früheren Staatsunternehmen darum geworben, ein Spiel des Ex-Schachweltmeisters Wladimir Kramnik gegen den Schachcomputer „Deep Fritz“ in Bonn zu finanzieren.

Als Summe nannte er in dem zweiseitigen Brief, aus dem der „Focus“ zitiert, einen Betrag zwischen 950.000 und einer Million Euro. Zu dem Sponsoring indes kam es nicht.

Solange die Medien allerdings gewisse Dinge gar nicht wissen wollen, nicht nach recherchieren mögen, der Außendient zu kostspielig ist, die information ja eh über dpa oder Reuters nur eben am Schreibtisch auf eine vermutlich hohe Leserschaft ausgewertet und etwas anders mit ein paar zusätzlichen Worten, wenn überhaupt, ausgeschmückt werden muss, man ständig erbsenzählerisch alle juristisch eventuell brisanten Schritte abwägt und es dann doch lieber aus zu viel an politischer Korrektheit unterlässt genau hin zu sehen, sind solche Fragen irrelevant, lächerlich, Zeitverschwendung, alleine gut, wenn man seine Foristen beschäftigen will und eben ein paar gelangweilte Azubis.

Und jetzt, lieber Spiegel, die Nachrichtenticker laufen, zurück zu wichtigeren Dingen, damit der Boulevard bedient werden kann, sonst entgeht euch vielleicht noch die Meldung, der Heilige Geist beleuchte eben mal wieder eine Holzfigur am Kreuz.

By the way, ein Tip an die Redaktion: Die Welt hat darüber schon vor 2 Tagen berichtet, und das ist es doch, was heute mehr zählt, als journalistisches Handwerk von denen , die einst in der Hose den Allerwertesten hatten, die Klickzahlen im Netz, oder ist uns etwas entgangen? Gehört ihr nicht zu denen, die den Wert ihrer Schreiberlinge nach Artikel-Klicks bewerten?

Und sonst? Es liegt doch an jedem Blatt selbst, ob es brisante Themen angeht, die unter Umständen solche Affären auslösen können, wie damals, nur dafür braucht es Rückgrat, und das scheint degeneriert, sklerotisch, leider … Themen gibt es wie Sand am Meer, und ja, es wäre gut, wenn es eine neue Spiegel-Affäre gebe. Engagiert einen mit Allerwertestem und Rückgrat wie Assange und dann wachen die Bürger vielleicht mal wieder aus ihrem Tiefschlaf auf. Und den einen findet ihr bestimmt nicht in euren angeblich so noblen Journalistenschmieden. Da hocken nur die, die frühzeitig gelernt haben, sich vor jedem meinungslos zu verbiegen, der darum bittet.

Die Zeit ist längst reif dafür!

Nur wenn ihr dazu nicht in der Lage seid, dann bitte verschont uns mit dämlichen Fragen, wenn die Antwort doch so offensichtlich vor euch liegt, tut was! Solange man schlafende Hunde nicht weckt, sind Hopfen und Malz verloren, was den Journalismus betrifft, der Nachtigallen nicht stört und keinen Wind sät …

Oder krass ausgedrückt: heute sahnen die Preise ab, die sich politisch korrekt am besten embedden lassen, man hat schon lange keinen Hund mehr bellen hören!

 

©denise-a. langner-urso