Eltern machen sich oft Sorgen um ihre Kinder, speziell dann, wenn diese zum ersten Mal für längere Zeit alleine los ziehen um die Welt zu erkunden. Nein, wir meinen nicht den Kindergarten oder die Schule, diese Zeit ist ja begrenzt, wir meinen jene Tage, an denen Kinder ihre erste Reise tun und nicht am Nachmittag oder Abend nach Hause kommen.
Die erste Erfahrung damit machen wir vermutlich in der Schule, wenn die erste Klassenreise naht, aber selbst dann sind ja Lehrer und Freunde mit dabei, und wir wissen, dass unser Kind gut betreut ist, wenn es Heimweh bekommt. Ganz anders aber fühlen wir uns, wenn das Kind oder auch wir erwägen, es ohne gewohnte Personen reisen zu lassen, wenn wir vielleicht eine Sprachreise buchen möchten. Fremdsprachenkenntnisse, zumal englische, nie waren sie wertvoller als in einer Welt, die so zusammen gerückt ist wie unsere.
Dann stellt sich sofort die Frage nach der Betreuung, denn wenn wir etwas über Auslandsaufenthalte von Kindern in den Medien lesen, dann sind das eher negative Schlagzeilen, wenn überhaupt, positive Berichte aber erhalten wir so gut wie nie. Es ist eben so, dass nur Negativschlagzeilen Umsatz bringen, was bedauerlich ist, denn nichts ist wichtiger, als unsere Kinder. Allenfalls auf Berichte von Bekannten, Freunden oder Klassenkameraden kann man in einem solchen Fall zurück greifen.
Jeder Mensch aber ist ein Individuum, und was dem einen gefallen hat, muss längst nicht auf unser Kind zutreffen, trotz der Berichte über Gastfamilie und Land, denn wir können ja nicht darauf pochen, dass unser Nachwuchs in genau derselben Familie landet, und selbst dann hat jedes Kind auch noch einen anderen Charakter, kommt vielleicht genau mit den Gasteltern nicht klar, von denen das andere so schwärmt.
Man benötigt also mehr Berichte, um abschätzen zu können, wie die Betreuung vieler junger Menschen ausfällt, die mit einem Anbieter von Sprachreisen unterwegs waren, und je mehr Berichte wir haben, desto besser können wir abschätzen, ob unsere Kinder gut betreut sein werden.
Ich möchte aber dafür plädieren, in jedem Falle Kindern so früh wie möglich einen Auslandsaufenthalt zu ermöglichen, denn nirgends lernt man eine Sprache besser, wenn die Auswahl der Gasteltern und Schule stimmt.
Als ich selbst Mitte der 70er Jahre nach England zu einer Sprachreise geschickt wurde, hatte ich auf der einen Seite ein mulmiges Gefühl, auf der anderen freute ich mich, denn es hatte vorab einen regen Briefwechsel (ja, damals schrieb man noch mit Tinte) gegeben. Und als ich meinen Gastvater sah, der am Bahnhof auf mich wartete, erschrak ich. Ich war 14 Jahre alt und stand einem grauhaarigen Mann in Anzug und Melone gegenüber, und wollte eigentlich nur weg. Nach der ersten Begrüßung aber war dieses Gefühl vollends verflogen, und bis zum Tod meiner damaligen Gasteltern ist der Kontakt nie abgebrochen, im Gegenteil, ich hatte Zweiteltern und eine Zweitheimat gefunden. Der Gentleman alten Schlages, zu dem Zeitpunkt bereits 67 Jahre alt, war weder steif noch böse, wie ich vermutet hatte, im Gegenteil, er strahlte eine unglaubliche Autorität und Wärme aus, und meine Gastmutter, die auch schon 65 Jahre alt war, war ein Gummiball.
Ich lernte von den beiden das Tanzen, sie zogen mit mir durch Pubs, Diskos und zum Billiard und ich litt mit ihnen, wenn sie an Tanzturnieren teilnahmen. Wir sprachen viel über den Zweiten Weltkrieg, und nie habe ich darüber mehr erfahren, völlig unvoreingenommen, als dort. Das Essen? Ich wurde wohl nie mehr verwöhnt! Meine Gastmutter bemerkte an Ostern, obwohl ich versuchte, es zu verbergen, dass ich kein Lamm mochte. Und als ich im folgenden Jahr wieder bei ihnen war, präsentierte sie mir als Überraschung ein Brathuhn, dass sie heimlich bei einer Nachbarin gekocht hatte. Sie hatte ein Kochbuch besorgt, und tischte von Rouladen bis Bratwurst auf, was sie gelernt hatte, es war unglaublich. Insgesamt viermal verbrachte ich dort ein paar Wochen. Ich habe vermutlich nie freier gelebt, denn obwohl erst 14 Jahre alt, egal, welche freunde ich heimbrachte, sie waren immer willkommen, und morgens brachte meine Gastmutter mir das Frühstück ans Bett und war um nichts in der Welt davon abzubringen! Sie krempelte mich völlig um, verpasste mir einen Kleiderstil, der so ungewöhnlich war, wie das Ehepaar selbst, denn beide arbeiteten noch halbtags. Das waren keine Großeltern, das waren Teenies.
Meine Gastmutter zeigte mir, wie man sich dezent schminkt und wie man sich täglich neu frisiert. Und wenn ich abreiste, dann brach eine Welt zusammen, dann flossen bei uns die Tränen! Die Fremdsprache lernte ich im Flug. Ich lernte das Land kennen und lieben.
Sicher, meine Erfahrungen waren außergewöhnlich, aber die freunde, die ich dort regelmäßig wieder traf, beneideten mich alle um meine Zweitfamilie. Und ja, einer von ihnen hatte Pech und musste sage und schreibe zweimal umziehen. Ich aber hatte den Glücksgriff überhaupt getan, und das war wohl auch der Organisation zu verdanken, die all das organisiert hatte, die besonderen Wert auf die Gasteltern legte. Wie gesagt, ich leide heute und bin noch immer traurig, wenn ich an Edna und Ted denke, denn so hießen die beiden, weil meine Gasteltern von damals verstorben sind und habe tiefe Eindrücke mitgenommen, die ich sonst wohl nie gemacht hätte.
Ich kann Sprachreisen also nur wärmstens empfehlen, denn darauf können lebenslange Freundschaften entstehen.
Heute bietet das Internet eine gute Möglichkeit, den richtigen Anbieter für solche Fortbildung zu finden, denn dort findet man mehr Anbieter, kann besser wählen, früher und schneller persönlich in Kontakt treten. Damals gab es das nicht, und nur der Postweg bot diese Möglichkeit, allenfalls das Telefon.
Heute kann man hingegen mit diversen Anbietern sprechen, mehr Angebote einholen, weil sich Wege verkürzt haben, erhält oft sogar Kontakt zu Familien, deren Kinder bereits Sprachreisen absolviert haben, kann sich direkt informieren, und die Auswahl der Sprachreise-Veranstalter ist wesentlich größer als vorher. Durch das Internet verlieren schwarze Schafe zudem schnell ihren Ruf, denn wie zu Anfang gesagt, schlechte Nachrichten verbreiten sich schnell, ist aber nichts bekannt, steht ein großer Name dahinter, kann man sich dort ruhig zuerst umsehen. Hinzu kommen Portale, auf denen man seine Erfahrung mit Sprachreise-Anbietern beschreiben kann. Manchmal ist also die digitale Welt doch für etwas gut.
Also raus und die Sprache vor Ort lernen und Kinder Erfahrungen machen lassen, die sich lohnen. Besser kann man Sprachen nicht lernen, als vor Ort.
Übrigens, das Heimweh stellte sich dann doch immer ein, nach der „Zweiten Heimat“ und meinen „Zweiteltern“, und so soll es auch sein …
© denise-a. langner-urso