Man hat die Lucia di Lammermoor gesehen oder man hat sie erlebt, so einfach kann man beschreiben, welchen Unterschied es macht, wer Lucia und Edgardo auf der Bühne darstellt, und die Lucia erlebt und gefühlt zu haben, das ist eben besser, als sie nur gesehen zu haben.
Fühlen und erleben kann man diese grandiose Oper von Gaetano Donizetti derzeit in Neapel. Und vermutlich auch nur deswegen, weil sie mit den Darstellern Jessica Pratt und Ismael Jordi brilliant besetzt ist.
Die überaus sympatischen Darsteller begeben sich nicht in einen Wettbewerb, im Gegenteil, sie harmonisieren miteinander und überbieten sich nicht, fast könnte man meinen, Romeo und Julia seien auferstanden und geben sich ein Stelldichein.
Die Neuinzenierung der Lucia di Lammermoor am Teatro di San Carlo in Neapel wurde hervorragend umgesetzt, was leider äusserst selten ist, und sie verbindet in hervorragender Weise Zeitgeist und Historie miteinaner. Sichtbar wird dies sowohl am Bühnenbild als auch bei den Kostümen.
Endlich, so muss man sagen, einmal eine gelungene Umsetzung, die ja ansonsten eher selten gelingen und sich immer häufiger, wie etwa an der Berliner Oper in skurriler Pornographie ausdrücken, und die Oper zur Absurdität werden lassen, die alleine noch Analfetischisten zu geniessen vermögen.
Speziell die Berliner Oper oder das Festspielhaus Bregenz, um nur zwei Häuser zu nennen gehören zu jenen Vergewaltigern von Oper und Ballet, die zum Opernmord führen, denn anders kann man es nicht bezeichnen, was passiert, wenn ein brilliantes Stück auf der Bühne durch schiere Pornografie verhunzt wird.
In Italien gelingt das, was in Berlin und anderswo immer öfter in die Hose geht, eine gelungene Neuinzenierung.
Aber gut, wie man sieht, es geht auch anders, und wer für sein Geld Qualität erwartet, die sich sehen lassen kann, dem bleibt nur der Weg über die Alpen, zumal Flüge ja durchaus bezahlbar sind. Lieber verzichtet man auf eine Berliner Aufführung, geht einmal weniger in die Oper und begibt sich stattdessen nach Neapel oder in andere Teile Deutschlands und der Welt.
Es ist übrigens auch bedauerlich, dass an den meisten Bühnen die Oper nicht in ihrer Gesamtlänge aufgeführt wird, sprich, man übergeht im 3. Akt das 5. Bild, in dem Edgardo seinen Rivalen aufsucht und diesen zum Duell herausfordert.
Die Besetzung der Lucia die Lammermoor in Neapel ist genial, zumal, wenn ein Dirigent hinzukommt, der liebenswerter und humorvoller nicht sein kann, Nello Santi. Santi scherzt ganz selbstverständlich in deutscher Sprache, wenn man ihn fotografieren möchte, ob er denn nicht zu dick sei und in ein Handy passe. Sprich, auch hinter der Bühne hat man mit den Darstellern jede Menge Freude.
Hier einmal die Zusammenstellung:
Dirigent Nello Santi
Regisseur Gianni Amelio
Bühnenbild Nicola Rubertelli
Kostüme Maurizio Millenotti
Beleuchtung Pasquale Mari
Chorleitung Salvatore Caputo
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Lucia di Lammermoor Jessica Pratt / Rosanna Savoia
Sir Edgardo di Ravenswood Gianluca Terranova / Ismael Jordi
Raimondo Bidebent Giacomo Prestia / Dario Russo
Lord Enrico Ashton Claudio Sgura / Vittorio Vitelli
Lord Arthur Bucklaw Gino Nitta
Alisa Miriam Artiaco
Normanno Angelo Casertano
Die Sopranistin Jessica Pratt hat Gesang in Europa und Australien studiert. Sie absolvierte diverse Meisterklassen bei so bekannten Größen wie Joan Sutherland, Renata Scotto, Gustav Kuhn und Siegfried Jerusalem gewann diverse Preise, Auszeichnungen und Stipendien. Sie trat an auf den größten Bühnen der Welt auf von Sydney, der Metropolitan Oper bis nach New York, sowie von Rom bis zur Staatsoper von Wien.
Die Künstlerin brilliert jede Opernbühne von Zürich, Wien, London, Venedig, Sofia, Sydney, Bologna, Rom, Mailand und Toulon um nur einige zu nennen. Sie ist auch tätig als Lied- und Konzertsängerin.
Ismael Jordi wurde in Jerez de la Frontera (Spanien) geboren. Der begnadete Tenor studierte in Madrid Gesang bei Alfredo Kraus.Die spanische Kritik bezeichnet ihn als »Spanischen Tenor des 21. Jahrhunderts« Bevor er sich der klassischen Oper zuwandt, sang er diverse Zarzuelas und Konzerte in seiner Heimat. Seit dem Jahr 2000 übernahm Ismail Jordi dann Partien des leichten, lyrischen Tenorrepertoires (Mozart, Rossini, Donizetti) in spanischen Opernhäusern, wie zum Beispiel am Teatro Real Madrid. Aber seine vielfältigen Engagements führten ihnauch nach Frankreich an das Théâtre Musical de Paris-Châtelet und sowie an die Opéra Comique Paris, nach Österreich an die Volksoper Wien, in die Schweiz, die Niederlande und die USA.
In Deutschland trat der Tenorbisher an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf sowie auch an der Staatsoper von Berlin in den Opern »Il Barbiere di Siviglia«, an der Semperoper Dresden mit »Lucia di Lammermoor«, an der Deutschen Oper Berlin in »La Traviata« und an der Oper Frankfurt in »Anna Bolena« auf. In Hamburg brillierte er 2009 als Alfredo in »La Traviata«.
©denise-a. langner-urso
Fotos alle ©yasmine urso