„Preis‘ deinen Engel und sein Gebot!
Hier steh‘ ich, treu dir bis zum Tod!“
Die letzten Worte der romantischen Oper „Der Fliegende Holländer“ von Richard Wagner singt Senta und geht für den geliebten Holländer in den Tod. Erlösung durch unbedingte Treue, Selbstaufgabe bis in den Tod für den geliebten Mann. Diese Motive greift Wagner bei seinen Frauengestalten immer wieder auf. In seiner vierten Oper, dem Fliegenden Holländer, ist es Senta, die durch ihren Freitod den Holländer und seine Mannschaft von dem Fluch erlöst, als Verdammte auf ewig die Weltmeere zu befahren.
Alle 7 Jahre darf er an Land um eine Frau zu finden, die sein Dasein beendet, in dem sie ihm die Treue bis in den Tod beweist. Senta letztendlich ist es, die sein Schicksal sein wird, die für ihn stirbt und den Fluch von ihm nimmt. In romantischer Verklärtheit hat sie seit langem den Moment herbeigesehnt, diesem Mann, von dem sie immer nur ein Bild besass, zu begegnen. Überzeugt davon, dass nur sie es sein könnte, die dem Holländer endlich die ewige Ruhe bringen kann und das Ende seiner Irrfahrten. Ihr eigener Vater, der Seemann Daland, war es dann endlich, der geblendet von Geld und Gold des Holländers, diesem seine Tochter zur Frau versprach.
Musikalisch ist diese Oper, mit noch erkennbaren Duetten, Rezitativen, Arien und großen Chören, die Vorstufe zu seinen späteren Werken, die geprägt waren durch eine „unendliche Melodie“, wie sie mit Lohengrin begann, und vor allem, in Tristan und Isolde ihren künstlerischen Höhepunkt fand.
Die Ballade wird zum Kammerspiel
In Dortmund fand am gestrigen Sonntag (2.10.2011) die frenetisch bejubelte Premiere statt. Ganz im Sinne Wagners, der damit dem Charakter einer Ballade unbedingten Ausdruck verleihen wollte, wurde die Oper ohne Pause aufgeführt. Nach gut 2 ½ Stunden brandete der Jubel des Premierenpublikums auf.
Dieses hatte zuvor eine Inszenierung gesehen, welche die gute Wagnertradition der Dortmunder Oper ohne Zweifel fortführen wird. Jens-Daniel Herzog, der neue Intendant des Opernhauses, hatte die Regie übernommen. Zusammen mit dem Bühnenbildner Mathis Neidhardt ging es ihm darum „..eine anders reflektierte Sicht von Stoffen oder Themen“ auf die Bühne zu bringen, wie er im Programmheft zitiert wird. Das Premienpublikum ist seiner Sicht offensichtlich gefolgt.
Die innere Zerrissenheit, die Sehnsüchte und Zweifel und auch die Gier nach Geld und Reichtum der Protagonisten, bekamen durch Herzogs Inszenierung den nötigen Raum zur Darstellung. Unterstützt durch ein zeitloses Bühnenbild, welches die Größe der Dortmunder Bühne und deren Technik sinnvoll nutzte, als auch durch die Kostüme (Sibylle Gädeke). So wurde auch das erste Zusammentreffen von Senta und dem Holländer ein großer emotionaler Moment dieser Aufführung. Herzog lässt Senta durch einen Pistolenschuss den Tod finden. Jene Pistole, die der Holländer Senta in ihrem Duett in die Hand gab um ihr klar zu machen, welche Konsequenz aus ihrer unbedingten Liebe zu ihm stattfinden wird. Am Ende der Oper bricht das Meer über dem nun erlösten Holländer zusammen, und er und Senta sind im Tod vereint.
Große musikalische Momente
Musikalisch war die Premiere unter der Leitung des GMD Jac van Steen in kompetenten Händen. Sicher und konsequent führte der gebürtige Niederländer die bestens aufspielenden Dortmunder Philharmoniker und das sängerische Ensemble um die dramatischen Klippen der Wagnerischen Partitur. Besonders die wuchtigen musikalischen Höhepunkte des Fliegenden Holländers waren unter seiner musikalischen Leitung beeindruckend. Zu Recht wurden das Orchester und sein GMD vom Publikum gefeiert.
Unbestrittener Star auf der Bühne war der Dortmunder Opernchor (verstärkt durch den Extrachor des Theater Dortmund). Dem Chor wurde nicht nur musikalisch viel abverlangt, auch die Regie setzte offensiv auf ihn. Unter der Leitung von Chordirektor Granville Walker bewiesen die Damen und Herren des Dortmunder Chores einmal mehr, dass sie zur Spitzenklasse deutscher Opernchöre gehören. Beeindruckend die Interpretation des Chores „Steuermann halt die Wacht!“
Den Holländer gab Andreas Macco mit sicherem und sonorem Bariton. Der international erfahrene Sänger setzte dabei auch auf seine männlich-markante Bühnenpräsenz und seine große Rollenkenntnis. „Die Frist ist um“ interpretierte er gesanglich wie darstellerisch auf beeindruckende Weise.
Ensemble-Neumitglied Wen Wei Zhang, der den Daland – Senta’s Vater -, spielte, fiel besonders durch klares Textverständnis auf. Gesanglich auf hohem Niveau ließ er aufhorchen. Den Erik verkörperte der neue Dortmunder Tenor Mikhail Vekua mit einer kraftvollen belkantistischen Stimme. Hier darf man gespannt auf sein Dortmunder Debüt als Pollione in der Bellini-Oper Norma sein.
Die Rolle des Steuermanns war mit Lucian Krasnec hervorragend besetzt. Sein Lied vom „Südwind“ war einer der musikalischen Höhepunkte des Abends. Sentas Amme Mary wurde gesanglich und darstellerisch überzeugend von Andrea Rieche gegeben.
Die Bayreuth-erfahrene Sopranistin Christiane Kohl in der zentralen Frauenrolle der Senta trumpfte gesanglich wie auch darstellerisch an diesem Premienabend auf. Sie verlieh ihrer Rolle nicht nur die naiv-romantischen, sondern auch die dramatischen Emotionen, die Wagner dieser anspruchsvollen Partie zugedacht hatte. Stimmlich führte sie ihren kraftvollen Sopran sicher zu den Höhepunkten ihrer Rolle. Sentas düstere Ballade im zweiten Bild der Oper wurde zu einem der zentralen Höhepunkte der Aufführung. Das Publikum feierte sie verdientermaßen lautstark mit vielen Bravo-Rufen für ihre überzeugende Darstellung.
Dortmunds Wagnertradition geht erfolgreich weiter
Fast, bei Wagneraufführungen, unglaublich, gab es einhelligen Jubel und starken Applaus des nahezu ausverkauften Hauses für alle Beteiligten. Herzogs Dortmunder Regiedebüt darf als gelungen bezeichnet werden. Die sängerischen Neuzugänge sind vielversprechend. Die neue „Ära Herzog“ startete positiv und legte die eigene künstlerische Messlatte mit dieser Aufführung bereits zu Beginn dieser Spielzeit hoch.
Der Neuinszenierung des Dortmunder „Fliegenden Holländers“ ist großer Besucherzuspruch zu wünschen. Ein spannender und dramatischer Opernabend – nicht nur für eingefleischte Wagnerfans.
©detlef obens